Protocol of the Session on September 17, 2010

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die Fraktion Die Linke spricht nun Herr Kollege Aggelidis.

Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Kollege Markert hat eben – wenn ich dieses persönliche Wort noch voranschicken darf – auf die Zeit verwiesen, in der er politisiert wurde. Das trifft sich mit meiner Zeit. Ich erinnere mich noch an die großen Antiatomdemonstrationen

auf der Bonner Hofgartenwiese und auch an ein wunderbares Buch von dem leider verstorbenen Zukunftsforscher Robert Jungk: „Der Atomstaat“. Er hat mich damals sehr geprägt. Und er hat nicht nur recht behalten, sondern es ist alles noch viel schlimmer geworden, als er es damals in seinem aufklärerischen Buch schon gesehen hat.

Die von der Bundesregierung und ihrer Mehrheit im Bundestag beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für AKWs ist ein Skandal. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist nicht fällig, er ist schon lange überfällig.

Union und FDP als Regierungsparteien im Bund – ich sage das hier in aller Deutlichkeit – handeln vollkommen unverantwortlich gegenüber den heute lebenden und den kommenden Generationen.

(Beifall von der LINKEN)

Die Risiken der atomaren Energieproduktion können Sie nicht leugnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Ob es sich nun um das mögliche menschliche Versagen handelt, um Erdbeben oder terroristische Angriffe: Diese Technologie ist einfach nicht beherrschbar. Ich verstehe nicht, wie bürgerliche Politikerinnen und Politiker immer noch die Stirn haben können, das abzustreiten oder etwa wegen übergeordneter Interessen billigend in Kauf zu nehmen. Wessen Interessen das sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf komme ich noch zu sprechen.

Ich spreche aber vor allem von dem völlig ungelösten und im Übrigen unlösbaren Entsorgungsproblem. Egal wie Sie den Atommüll verpacken, verbuddeln oder verstecken lassen: Er ist nicht weg, sondern bleibt vielmehr Tausende von Jahren als höchst gefährliche Strahlenquelle vorhanden. Es gibt keine Materialien und keine Orte, die uns und die nach uns kommenden Generationen wirksam und zuverlässig vor diesen Strahlenquellen schützen können. Das Ganze geht so weit, dass die UN vor vielen Jahrzehnten mal darüber diskutiert hat, dieses atomare Teufelszeug ins Weltall zu schicken, weil man nicht weiß, wohin damit. So absurd ist diese Diskussion um die Endlagerung!

Allein schon aus diesem Grund, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordern wir von der Linken ohne Wenn und Aber den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.

(Beifall von der LINKEN)

Die atomare und die fossile Energieproduktion müssen überwunden werden durch ein rasches Umsteuern auf 100 % erneuerbare Energien und die massive Reduktion des Energieverbrauchs. Beides ist möglich und dringend nötig.

Sprechen wir an dieser Stelle von den Energiekonzernen RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW. Diese vier Riesen haben unlängst demonstriert, dass sie sich als diejenigen verstehen, die das

Sagen haben. Mit ihrer Drohung, die AKWs abzuschalten, wenn die Politik nicht in ihrem Interesse spurt, haben sie Angela Merkel faktisch gesagt: Du bist an der Regierung, aber wir sind an der Macht, und an unseren Interessen kann niemand vorbeiregieren.

Diese Zustände, meine verehrten Damen und Herren, wollen wir Linken beseitigen. Das sind keine demokratischen Zustände. Monopolartige Machtzusammenballungen widersprechen der Demokratie. Energieproduktion und -verteilung gehören in die Hand der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von der LINKEN)

In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. September konnten wir von einem Geheimabkommen von Regierung und Energiekonzernen erfahren. Nur auf Druck der Oppositionsparteien auf Bundesebene ist dieses Abkommen inzwischen publik. Es zeigt: Das Zusammenspiel von Großkonzernen und Politik funktioniert gewissermaßen vulgär-marxistisch im Sinne der alten Stamokap-Theorie – wenn Sie verstehen, was ich meine.

Mit den Empfängerinnen und Empfängern von Hartz-IV-Leistungen, mit den Bedürftigen, mit den Armen wird nicht verhandelt, wenn ihnen von dem Wenigen, was sie noch haben, noch etwas weggenommen wird – wie beim 80-Milliarden-€-Sparpaket Ihrer Bundesregierung. Aber mit den Großkonzernen schließt man Abkommen und lässt „Hintertürchen“ offen, wie es in der „NRZ“ vom 10. September heißt. Gegen diese Zustände lehnen wir uns auf, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der LINKEN)

Worin bestehen die Hintertürchen für die Stromriesen? Angeblich müssen sie nun doch etwas mehr von ihren zu erwartenden Milliardengewinnen abgeben; deshalb sei ihr Aktienkurs gesunken. Aber jede Milliarde, die die Konzerne durch die Laufzeitverlängerung verdienen, ist eine Milliarde zu viel, meine sehr verehrten Damen und Herren.

In Wirklichkeit können die Konzerne es sich laut Abkommen auf den Förderbetrag anrechnen lassen, wenn die Nachrüstung der 17 deutschen AKWs jeweils mehr als 500 Millionen € kosten sollte. Faktisch werden sie frühestens ab 2020 einen Förderbeitrag für die erneuerbaren Energien leisten. Er wird in keinem Verhältnis zu ihren märchenhaften Extraprofiten stehen.

NRW ist ganz direkt betroffen. Es geht nämlich nicht nur um die AKWs, es geht um die gesamte atomare Logistik, den Transport, die Zulieferung und die Forschung. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass NRW wirklich atomfrei wird!

(Beifall von der LINKEN)

Dafür muss man sich natürlich vom Druck der Großkonzerne freimachen. Das mag schwer sein, weil sie das Geld und die Macht haben. Man muss sich grundsätzlich entscheiden, auf wen man sich stützt: auf die da oben oder auf die da unten. Wir Linken haben uns da entschieden, meine Damen und Herren: Wir stützen uns auf die große Mehrheit der Bevölkerung und fordern SPD und Grüne auf, sich darauf zurückzubesinnen, dass jeder Fortschritt in der schon etwas ferner liegenden Vergangenheit, der mit Ihren Parteien in Verbindung gebracht wird, nur durch Bewegung von unten möglich wurde.

(Beifall von der LINKEN)

Der Macht von Konzernen – und übrigens auch Banken –, die millionen- oder milliardenschwer sind, kann man nur die Gegenmacht der Millionen entgegenstellen. Diese Millionen muss man ermutigen, für ihre Rechte aufzustehen. Wenn Sie sich nicht darauf zurückbesinnen, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, dann bleiben Sie am Gängelband dieser kapitalistischen Großkonzerne.

Die Macht dieser Konzerne besteht zu Unrecht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es handelt sich um eine verfassungswidrige Macht. Ich zitiere dazu immer – auch hier wieder – mit Erlaubnis des Präsidenten Art. 27 unserer Landesverfassung:

„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.“

Weiter heißt es dort:

„Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.“

(Beifall von der LINKEN)

Das ist keine Erlaubnis der Verfassung, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Gebot. Worauf sollten monopolartige Stellung und Missbrauch wirtschaftlicher Macht besser passen als auf die Energieriesen RWE, E.ON und Konsorten?

(Minister Johannes Remmel: Aber französi- sche Verhältnisse wollen Sie auch nicht!)

Sie missachten die Verfassung, wenn Sie diese Energiekonzerne nicht endlich in Gemeineigentum überführen, und zwar verbunden mit Dezentralisierung

(Minister Johannes Remmel: Da sehen wir, wie das in Frankreich funktioniert!)

hören Sie zu, Herr Minister! – und demokratischer Kontrolle der Bürgerschaft. Das ist der Unterschied. Wir wollen nicht einfach nur eine platte Verstaatlichung,

(Minister Johannes Remmel: Dann bekom- men wir 100 % Atomstrom!)

wir wollen nicht einfach nur ein anderes Firmenschild an der Eingangstür eines solchen Unternehmens, sondern wir wollen die demokratische Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von der LINKEN)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, wem die Solidarität der Linken gilt. Sie gilt den vielen Tausend Menschen, die gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke mit vielfältigen gewaltfreien Aktionen bis hin zum zivilen Ungehorsam protestieren und die Entmachtung der Stromkonzerne fordern. Diese Menschen streiten für eine lebbare und lebenswerte Zukunft. Diesen Menschen sollten Sie alle sich anschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Noch ein letztes Wort an SPD und Grüne: Wenn ihr nicht den Mut habt, an die Großkonzerne heranzugehen, dann lasst uns wenigstens darüber nachdenken, ob wir vielleicht die Hoch- und Höchstspannungsnetze in Gemeineigentum überführen. Das wäre ein erster Schritt in Richtung demokratischer Kontrolle. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Aggelidis. – Für die CDU-Fraktion hat das Wort nun Herr Kollege Lienenkämper.

Herr Präsident!! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist bekanntlich das Energieland Nummer eins. Wenn wir das Energieland Nummer eins bleiben wollen, dann müssen wir in Nordrhein-Westfalen für die Unternehmen, die hier ihren Sitz haben, und für die Bürgerinnen und Bürger Energie haben, die sicher ist, die sauber ist und die bezahlbar ist. Deswegen brauchen wir einen Energiemix, der genau diese Ziele sicherstellt und sichere, saubere und bezahlbare Energie zur Verfügung stellt.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der vergangenen Wahlperiode als erste Landesregierung in einem deutschen Bundesland eine integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie erarbeitet. Diese integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie ist zielführend, ist langfristig angelegt und setzt genauso auf erneuerbare Energien wie auf einen vernünftigen Energiemix. Wir waren Vorreiter bei der Energiepolitik; Sie ziehen mit untauglichen Mitteln nach.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Ich begrüße es nachdrücklich, dass die Bundesregierung ein Energiekonzept vorgelegt hat, das langfristig ist, das realistisch ist, das konkret ist und das vor allen Dingen seriös durchfinanziert ist. Die

Wahrheit ist: Wir haben jetzt endlich ein vernünftiges Energiekonzept. Das ist das anspruchsvollste, konsequenteste, umfassendste Konzept, das es in Deutschland je gegeben hat. Ich füge hinzu: Es ist weltweit einmalig.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Es ist langfristig und glaubwürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es beschreibt einen Zeithorizont bis 2050, und es beschreibt konkrete Zeitetappen, in denen konkrete Ziele erreicht werden sollen und erreicht werden.