Protocol of the Session on September 17, 2010

Diese Menschen speisen wir mit Sachleistungen, mit Lebensmittelgutscheinen ab. Ich kann RotGrün davon leider nicht ausnehmen, denn auch NRW schiebt diese Menschen – wie zuletzt vor einigen Wochen die Roma – in den Kosovo ab.

(Beifall von der LINKEN)

Es ist das zentrale Problem, dass eine gespaltene Migrationspolitik betrieben wird. Sie bereitet den Boden dafür, dass solche Thesen auf Resonanz stoßen.

Dem stehen zentrale Herausforderungen gegenüber, die schon mehrfach benannt wurden: Bildungspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Ausländerrecht, Staatsangehörigkeitsrecht. Es stehen jede Menge Themen an; darum müssen wir uns kümmern.

Ich komme noch einmal auf den Rassismus des Herrn Sarrazin zurück. Der erste Kern des Rassismus à la Sarrazin ist die pauschale Abwertung von Menschengruppen aufgrund von Herkunft und Religion. Dieser Rassismus verstößt gegen unsere zentrale Grundrechtsnorm, gegen die Menschenwürde, nach der jeder Mensch als ein Individuum angesehen und bewertet werden muss.

(Beifall von der LINKEN)

Der zweite Kern des Rassismus ist die Einordnung von Menschengruppen nach ökonomischen Kriterien. Diesen finde ich besonders in der von den Unionsparteien geführten Debatte.

(Zurufe von der CDU)

Nicht der Wirtschaftsstandort, sondern der Mensch mit seinen Rechten muss im Mittelpunkt stehen.

(Beifall von der LINKEN)

Ein dritter Kernpunkt der Debatte ist die Frage, wie weit Meinungsfreiheit gehen kann. Herr Romberg hat es eben gesagt. Er sagte, es muss erlaubt sein, Missstände zu benennen. Ich sehe das ebenso. Der Tenor der öffentlichen Debatte ist im Moment aber der, dass alles sanktionslos behauptet werden kann. Ich bin der Auffassung, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit dort sind, wo sie

andere Menschen – zum Beispiel Minderheiten – in ihren Grundrechten und Menschenrechten verletzt.

(Beifall von der LINKEN – Zuruf von der LIN- KEN: Bravo!)

Die derzeitige Kontroverse zwischen Frankreich und der EU-Kommission ist ein sehr schönes Beispiel dafür.

Zur Integrationspolitik des Herrn Laschet, der eben seine Krallen gezeigt hat, nachdem er fünf Jahre lang auf Samtpfötchen gelaufen ist, möchte ich mich jetzt nicht auslassen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Meine Güte!)

Ich halte sie für eine prestigeträchtige Art von Politik, die im Prinzip nichts an den zentralen Problemen gelöst hat.

Ich komme jetzt noch einmal zu dem zentralen Problem der Armut und der sozialen Ausgrenzung, der sozialen Benachteiligung von Migranten. Das ist der Kern der Debatte, auf den wir uns konzentrieren müssen.

Die Armut von Migranten wird nicht von Migranten muslimischen Glaubens importiert, sondern vom kapitalistischen Wirtschaftssystem selbst und von einer falschen Regierungspolitik hierzulande produziert.

(Beifall von der LINKEN)

Schuld an der zunehmenden Spaltung in arm und reich sind also nicht im Niedriglohn- und Transferleistungsbereich konzentrierte Zuwanderer, sondern die nationalen Eliten, die ihrerseits eine Parallelgesellschaft bilden, wenn sie Luxusquartiere bewohnen, sich mit privaten Sicherheitsdiensten abschotten usw.

Ich wiederhole: Die zentrale Herausforderung sind Veränderungen im Bildungssystem. – Das bisherige System sortiert Kinder schon im Vorschulbereich aus. Es stellt Kinder von der Einschulung zurück und steckt sie in Sonderschulen. Migrantenkinder müssen höhere Leistungen bringen als einheimische Kinder, um eine Gymnasialempfehlung zu bekommen. Das alles sind Selektionsstufen, die wir angehen und um die wir uns kümmern müssen.

Frau Düker hat es mir eben vorweggenommen. Heinz Kühn hat dazu schon 1979 das Nötige gesagt. Er hat eine Anerkennung der faktischen Einwanderung gefordert.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich komme zum Schluss. Einen Punkt möchte ich aber noch ausführen. – Herr Kühn hat gesagt, wir brauchen ein Recht auf Einbürgerung für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder. Wir brauchen ein kommunales Wahlrecht nach längerem Aufenthalt. Wir müssen die rechtli

che und tatsächliche Gleichstellung von Ausländern vorantreiben. – Die zentralen Herausforderungen für eine erfolgreiche Integrationspolitik sind bis heute nicht umgesetzt. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.

(Beifall von der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Butterwegge. – Als nächster Redner hat Minister Schneider für die Landesregierung das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Laschet, ich befürchte, wenn Sie noch mehrere Reden dieses Inhalts und dieses Stils halten, …

(Armin Laschet [CDU]: Was denn?)

Wenn Sie noch mehrere Reden dieses Inhalts und dieses Stils halten, …

(Armin Laschet [CDU]: Was denn? – Zuruf von der CDU: Kommen Sie doch mal zur Sa- che!)

Ich komme ja zur Sache. Nun warten Sie doch einmal ab. Bleiben Sie ein bisschen ruhig. Mir fällt das ja schon schwer, mein Gott.

(Beifall von der SPD)

Bei weiteren Reden dieser Art droht Gefahr für Ihr Lebenswerk.

(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Was denn?)

Ich verstehe nicht, warum wir uns nicht ganz vernünftig und mit parlamentarischem Ernst der Diskussion über Integrationspolitik stellen wollen.

(Armin Laschet [CDU]: Was ist die Kritik?)

Ich benötige dazu nicht Herrn Sarrazin.

(Armin Laschet [CDU]: Das ist doch Ihr Mit- glied!)

Es kommt doch nicht darauf an, wessen Mitglied wo gesprochen hat. Dazu könnte ich Ihnen auch vieles über Ministerpräsident Koch und seine Unterschriftenaktion erzählen.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

So langsam reicht es. Tun wir uns das nicht an.

Ich will nur einige Bemerkungen machen. Im Verhältnis zu anderen Ländern um uns herum hat dieses Land ausländerpolitische Initiativen gestartet, die sich sehen lassen können. Wir haben keine 30 % Rechtsextremisten im Nationalrat, wie es in Österreich der Fall ist.

(Rüdiger Sagel [LINKE]: Gott sei Dank!)

Wir haben keine Entwicklungen wie in Belgien oder in den Niederlanden.

Herr Laschet, wenn es um Radikalisierungen in diesem Bereich geht, ist die politische Gesäßgeografie wenig hilfreich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit rechts und links hat das wenig zu tun. Es hat auch nichts mit Mitgliedschaften in Parteien und in politischen Organisationen zu tun.

(Rüdiger Sagel [LINKE]: Hören Sie zu, Herr Laschet!)

Es ist gefragt worden, was die Landesregierung konkret machen will. Wir werden unser Integrationsgesetz sehr frühzeitig einbringen und zur Diskussion stellen. Wir werden so schnell als möglich Religionsunterricht für Moslems ermöglichen. Dazu sind ganz konkrete Vorarbeiten im Schulministerium schon geleistet. Wir werden den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst steigern, zum Beispiel über das Projekt der anonymisierten Bewerbung.