Protocol of the Session on September 17, 2010

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

da kann man sich ja auch noch abends spät die Milch direkt beim Bauern holen, dafür braucht man kein Ladenöffnungsgesetz. Das ist natürlich nur die Position einer grünen Großstadtpartei.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich erwarte von den Kolleginnen und Kollegen – ein paar gibt’s ja auch -aus dem ländlichen Raum,

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

dass Sie sich hier entsprechend gegen eine solche Ungleichbehandlung einsetzen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt den vielstimmigen Chor der Koalitionsfraktionen vernehmen können. Der Einzige, der sich bisher zu dem Themenfeld – auch zu anderen Themenfeldern – noch nicht geäußert hatte, ist der eigentlich zuständige Wirtschaftsminister. Insofern, Herr Voigtsberger, freue ich mich, Sie eben auf der Rednerliste gesehen zu haben. Ich bin sehr gespannt, welche Position die Landesregierung letzten Endes zu diesem Thema einnimmt; denn es ist für NordrheinWestfalen wirklich ein ganz wesentliches.

Wir haben dadurch mehr Flexibilität und mehr Lebensqualität in unserem Land bekommen, die Unternehmen entscheiden selbst nach den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, wann es richtig ist, ihr Geschäft aufzumachen – das muss und darf kein Staat den Bürgerinnen und Bürgern vorschreiben.

Dann wurde von Minister Schneider behauptet: Es gibt ja gar keine Zahlen, die belegen, dass das zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat.

Er bleibt der Debatte fern, vermutlich weil er das nicht hören will. Er kann es aber im Protokoll nachlesen: Alleine bei zwei großen Einkaufsketten – Rewe und Kaufland – wurden allein für den Bereich von 22 bis 24 Uhr, Herr Kollege Schmeltzer, 200 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Danke für die gu- te Vorlage, Herr Brockes!)

Darunter sind viele, viel Teilzeitarbeitsplätze. Ich weiß: Für die SPD zählen diese Arbeitsplätze nicht. Ich sage Ihnen: Insbesondere viele weibliche Bürgerinnen sind froh, an zwei oder drei Abenden in der Woche noch die Haushaltskassen auffüllen zu können, indem sie an der Kasse arbeiten.

(Beifall von der FDP)

Diese Arbeitskräfte sind Ihnen offensichtlich völlig schnuppe.

Insofern, meine Damen und Herren: Finger weg vom Ladenöffnungsgesetz! Ich möchte mich insbesondere der Meinung der „WAZ“ anschließen. Dort hatte der Journalist Schumacher genau das gesagt – ich zitiere ihn –:

„Die neuen Regeln haben sich längst in der Praxis eingespielt, und den nächtlichen Jeanskäufer gibt es in der Einzelhandels-Realität so wenig wie ungezügelten Rund-um-die-Uhr-Kommerz. Die Geschäfte passen sich dem Bedarf der Kun

den an, die mit den Füßen abstimmen und mit der Einkaufstasche. Manche Supermärkte in großen Städten öffnen bis 24 Uhr, andere schließen früher. Jeder so, wie es passt.“

Ganz genau, meine Damen und Herren. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Danke.

(Beifall von der FDP)

Danke, Herr Brockes. – Es spricht für die CDU- Fraktion Herr Clauser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag betont die FDP-Fraktion die Qualität des im Jahre 2006 verabschiedeten Ladenöffnungsgesetzes, möchte die unternehmerische Freiheit des Einzelhandels erhalten und schätzt den Zugewinn an Lebensqualität für den Verbraucher. Die FDP treibt die Sorge um, die neue rot-grüne Landesregierung könnte mit einer Novellierung die gewonnenen Freiheiten einschränken. Diese Sorge ist durchaus berechtigt.

Werfen wir einen Blick in den Koalitionsvertrag der Minderheitsregierung und schauen wir uns die Debatten der letzten Tage an: Die Minderheitsregierung will auf Teufel komm raus alle Entscheidungen der alten Landesregierung umkehren. Statt der angekündigten Politik der Einladung erleben wir eine Politik mit der Abrissbirne.

(Wolfgang Zimmermann [LINKE]: Das ist ja auch nötig!)

Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag. Sie wollen den Mittelstand stärken und dazu die Aushöhlung des Sonntags- und Feiertagsschutzes korrigieren.

Laut „WAZ“ – Herr Brockes hat es gerade schon angesprochen – drängen die Grünen ebenfalls auf eine Verkürzung der Ladenöffnungszeiten. Als Begründung wird angeführt, dass der Verkauf von Alkohol rund um die Uhr immer problematischer werde und es vor allen Dingen in Wohngebieten in der Nähe von Trinkhallen oder Tankstellen häufig zu Belästigungen der Anwohner komme.

Lieber Kollege Priggen, ich teile diese Einschätzung nicht. Meine Erfahrung als Bewohner eines beschaulichen und ruhigen Stadtteils von Langenfeld kommt zu einer völlig anderen Einschätzung: Auch ohne ansässige Trinkhalle, Tankstelle oder Supermarkt haben wir Anwohner ein Problem mit lärmenden Jugendlichen auf öffentlichen Spiel- und Bolzplätzen. Die Beschaffung von Alkohol erfolgt offensichtlich zu üblichen Geschäftszeiten am Tage.

Das heißt: Liberale Ladenschlusszeiten spielen hier überhaupt keine Rolle.

Laut „Bild“ vom 10.09.2010 möchte Arbeitsminister Schneider ebenfalls eine Verkürzung der Öff

nungszeiten auf 22 Uhr und damit die seinerzeit von Wolfgang Clement angeregte Liberalisierung kippen, obwohl das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten gut ist, sich bewährt hat und gemäß Gesetzestext erst am 31.12.2011 evaluiert werden muss. Ich bin mir sicher, dass die Überprüfung keine nennenswerten Veränderungsansätze liefern wird.

In Vorbereitung des Gesetzes hat sich die damalige Wirtschaftsministerin Christa Thoben intensiv mit Handel, Gewerkschaften und Kirchen ausgetauscht und eine tragfähige Lösung erarbeitet.

Eine erneute Diskussion über die Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen am Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 01.12.2009 aufzuhängen, macht schon gar keinen Sinn. Denn dieses Urteil geht auf eine Beschwerde der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und des Erzbistums Berlin gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz zurück. Das nordrhein-westfälische Gesetz war keineswegs Gegenstand der Verhandlungen.

Zur Erinnerung: Der Berliner Senat hatte sich unter rot-grüner Führung im Jahre 2006 auf insgesamt zehn verkaufsoffene Sonn- und Feiertage mit einer Öffnungszeit von sieben Stunden verständigt. Eingeschlossen waren alle vier Adventssonntage. Vier weitere verkaufsoffene Sonntage waren ohne uhrzeitliche Begrenzung möglich. Diese Gesetzeslage hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angesehen.

Das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen hingegen unterscheidet sich erheblich von der Berlin-Regelung: Die Öffnungszeiten geben dem Einzelhandel die nötige Freiheit und nehmen Rücksicht auf das geänderte Verhalten unserer Bürgerinnen und Bürger. Es schützt die Sonn- und Feiertage, schützt die Adventszeit und ist verfassungskonform. Die Zahl der möglichen verkaufsoffenen Sonntage ist geringer, die Länge der Öffnungszeiten mit fünf Stunden ebenfalls, und von vier Adventssonntagen darf nur einer verkaufsoffen sein.

Unser Ladenöffnungsgesetz hat sich in den vergangenen Jahren mehr als bewährt und wird einem großen Teil der Bevölkerung gerecht.

Ich fasse zusammen: Eine Evaluierung des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen muss bis zum 31.12.2011 durchgeführt werden. Ein akuter Handlungsbedarf lässt sich nicht erkennen.

Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Mittelstand, Wirtschaft und Energie und wird sich weiterhin für den Erhalt der bestehenden Regelung einsetzen.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Danke, Herr Clauser. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Schmeltzer.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Vom Ladenöffnungsgesetz hat man schon einmal gehört. Das Einzige, was ich mir nie hätte träumen lassen, ist, dass ich einmal aufgrund eines Antrags der FDP zum Ladenöffnungsgesetz spreche. Aber das mache ich gerne, Herr Brockes. Ich glaube, es dürfte mittlerweile das silberne Redejubiläum zu diesem Thema sein.

Es ist schon erstaunlich, dass Sie einen solchen Antrag mit dieser Formulierung und diesem Beschlussvorschlag stellen, obwohl doch das Gesetz – ich behaupte: Ihr eigenes Gesetz – vom 16. November 2006 in § 14 sagt: Die Landesregierung überprüft bis zum 31. Dezember 2011 die Auswirkungen dieses Gesetzes und unterrichtet den Landtag.

Jetzt haben wir eine neue gute Landesregierung. Sie kommen nun schnell mit einem Antrag und fordern sinngemäß: Den Paragrafen vergessen wir und stellen fest, dass das Gesetz gut und damit alles erledigt ist. – Das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Natürlich reden wir über das Ladenöffnungsgesetz. Natürlich reden wir demnächst über all die Punkte in allen Einzelheiten, die wir Ihnen fünf Jahre lang vorgehalten haben. Alle Punkte werden evaluiert und im Parlament zum Thema werden.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ich freue mich darauf und komme im Einzelnen dazu, warum ich mich freue. Warum Sie dem Kollegen Priggen, Minister Schneider, den Linken und anderen vorwerfen, dass sie ihre Meinung zum Schutze der Arbeitnehmer in diesem Land äußern, verstehe ich nicht. Wir haben freie Meinungsäußerung. Wenn Sie alles nachläsen, was ich zum Ladenöffnungsgesetz schon gesagt habe, kämen Sie mit Ihrer Redezeit vor lauter Zitaten gar nicht mehr aus. Das geht nämlich alles in die gleiche Richtung und vielfach darüber hinaus.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag macht ganz deutlich: Sie haben zumindest an diesem Punkt verstanden, dass Sie nicht mehr die Landesregierung stellen. Jetzt wollen Sie ganz schnell durch die Hintertür versuchen, irgendetwas zu retten, was Sie auf den Weg gebracht haben. Herr Brockes, gerade bei dem Thema sind Sie ein bisschen zu kurz gesprungen. Das sollten Sie eigentlich wissen.

Wir hatten über dieses Gesetz unzählige Debatten im Hohen Hause. Wir haben viele Meinungen von Betroffenen gehört, die Sie alle ignoriert haben. Wir

haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehört. Alle von ihnen vorgetragenen kritischen Punkte wurden von Ihnen weggewischt. Wir haben auch Vertreter des Einzelhandels gehört. Diese standen und stehen dem Gesetz immer noch negativ gegenüber. Diese Aussagen haben Sie ignoriert.

Wir hatten eine Anhörung zu diesem Gesetz, die in die parlamentarische Geschichte eingeht. Herr Kollege Brockes hatte nämlich zwischenzeitlich den Vorsitz bei der Anhörung übernommen. Und siehe da, die Anhörung war noch nicht zu Ende, ja noch nicht einmal zur Hälfte durchgeführt, als wir eine Presseerklärung von Herrn Brockes auf den Tisch bekamen. Aus ihr ging hervor, die Anhörung sei gut gewesen und die Sachverständigen hätten den Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition unterstützt. Zu dem Zeitpunkt waren die Kirchen noch nicht einmal zu Wort gekommen. Das zeigt, wie Sie mit den Interessen der Menschen in diesem Land umgegangen sind. Es zeigt, wie Sie diese Interessen ignorieren.