Protocol of the Session on September 17, 2010

mit den Zukunftschancen des Industriestandorts NRW, bei dem es nur Verlierer geben kann, vor allem unter denjenigen, die Arbeitsplätze in NRW schaffen sollen.

Merken Sie eigentlich nicht, dass gerade die Monstranz, die Sie mit der Durchsetzungsfähigkeit vor sich hertragen, die Akzeptanz in diesem Land für große industriepolitische Vorhaben kaputt macht, dass man sich fragt, ob es sich um Deals mit der Industrie handelt und ob Gesetze nach Unternehmensinteressen gemacht werden? Das alles zerstört die Glaubwürdigkeit und auch das Vertrauen in solche Verfahren. Dies gilt für den Atomdeal, das gilt für Stuttgart 21, das gilt eben auch für Datteln.

Ja, Politik hat Interessen zu berücksichtigen: die von E.ON und deren Beschäftigten – aber auch die von Erwin Meier aus Datteln. Das Gemeinwohl ist abzuwägen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den formalen Planungsprozess heißt das: Die behördliche Abwägung muss gerichtsfest sein. Zumindest da könnten Sie mit einem kurzen Blick ins Urteil feststellen, dass Ihnen nicht vorgeworfen wurde, die Abwägung könnte ein bisschen schiefgegangen sein, sondern dass festgestellt wurde, dass Sie an dieser Stelle überhaupt keine Abwägung vorgenommen haben. Laut Oberverwaltungsgericht sind Sie einfach nur den Argumenten von E.ON gefolgt, alles andere hat keine Rolle gespielt. Deshalb ist E.ON jetzt in einer derartigen Situation.

Investitionssicherheit ist dadurch gegeben, dass wir gerichtsfeste Verfahren finden und diese dann auch durchhalten. Projekte – auch das E.ON-Projekt – werden im laufenden Verfahren nicht schlechter gestellt, aber der Vertrauensschutz für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wenig. Wir verschanzen uns weder wie Sie hinter Lippenbekenntnissen noch hinter einer Lex E.ON. Wir verstehen Industriepolitik in Nordrhein-Westfalen so: Wir bringen verlässliche Rahmenbedingungen auf den Weg und geben sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den Investoren Gewissheit, dass die Verfahren rechtssicher abgeschlossen werden können. Das ist der Unterschied zwischen der neuen und der alten Regierung, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Als Nächster erteile ich Frau Kollegin Brems für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wüst und Herr Brockes, mein Eindruck von Ihnen verfestigt sich leider.

(Ralf Witzel [FDP] und Dietmar Brockes [FDP]: Oh!)

Sie leiden unter Wahrnehmungsverzerrungen. Sie wollen, dass der Landtag Fehler Ihrer alten, abgewählten Landesregierung ausbügelt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)

Sie wollen, dass der Landtag das Rechtsverdrehen Ihrer alten Landesregierung fortführt. Nicht RotGrün, sondern Schwarz-Gelb hat Datteln vermurkst.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Diese Tatsache können Sie nicht uns Grünen oder unserer angeblichen Industriefeindlichkeit in die Schuhe schieben. Bei Rot-Grün gelten gleiche Regeln für alle.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Seit wann das denn?)

Für uns gilt als Handlungsmaxime nicht das Profitinteresse der Energiekonzerne,

(Manfred Palmen [CDU]: Alles kaputt ma- chen!)

für uns stehen die Interessen von Konzernen nicht vor geltendem Recht, vor Umweltauswirkungen und auch nicht vor den Interessen von Anwohnern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Rot-Grün misst nicht mit zweierlei Maß. Bei uns gelten nicht strengere Regeln für Windräder als für Kraftwerke, was beispielsweise die Abstandsvorschriften betrifft. Wir werden nicht Recht und Gesetz verdrehen, um Einzelinteressen von Personen, Branchen oder Unternehmen gerecht zu werden.

Wir stehen vor einem Trümmerhaufen, den Sie uns hinterlassen haben. Als gute Regierungsführung kann man diesen Politikstil wahrlich nicht mehr bezeichnen.

Es ist in höchstem Grade investitionsfeindlich, wenn Sie Gesetze und Ziele der Landespolitik entgegen den Interessen vieler für die Interessen weniger biegen und zusammenschustern, und das auch noch im Nachhinein. Ein verlässlicher Rahmen für wirtschaftliche Unternehmungen sieht anders aus.

CDU und FDP saßen und sitzen energiepolitisch immer noch einem Irrglauben nach dem anderen auf: Es ist ein Irrglaube, zu denken, dass Rot-Grün Gerichtsentscheidungen vorschiebt, um sich vor Entscheidungen im Fall Datteln zu drücken. Dies liegt bei den Gerichten, weil Sie es so weit haben kommen lassen.

Frau Kollegin Brems, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche: Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Papke zulassen?

Nein.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Es ist ein Irrglaube von Schwarz-Gelb, dass Ihr sogenanntes Kraftwerkserneuerungsprogramm automatisch zur Verminderung von CO2-Emissionen führt. Allein durch die Inbetriebnahme von Datteln wird nicht weniger CO2 emittiert. Die Reduzierung der Emissionen gibt es nur dann, wenn endlich alte Dreckschleudern abgeschaltet werden.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist ja das Ziel dabei! Darum geht es doch gerade!)

Es ist ein Irrglaube, dass Arbeitsplätze nur durch rechtswidrige Großbaustellen gesichert werden.

(Manfred Palmen [CDU]: Das ist doch alles Unsinn!)

Arbeitsplätze werden in großem Stil auf Dauer gesichert, wenn nachhaltig in energetische Gebäudesanierung, Kraft-Wärme-Kopplung und saubere Energieerzeugung auf regionaler Ebene investiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN sowie vereinzelt von der SPD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Sie haben in Datteln den Karren in den Dreck gefahren. Und wir ziehen ihn nicht für Sie heraus.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD – Manfred Palmen [CDU]: Dazu haben Sie so- wieso nicht die Kraft!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Als Nächster für die Fraktion Die Linke Herr Zimmermann.

(Wolfgang Zimmermann [LINKE]: Das ist ein Irrtum!)

Haben Sie noch mal getauscht? Entschuldigen Sie bitte. – Dann Herr Aggelidis.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge von CDU und FDP gleichen sich wie ein Kohlendioxidmolekül dem anderen.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Beide wollen den Bau des Kohlekraftwerks Datteln fortgesetzt und vollendet wissen. Beide nennen dieselben Argumente. Es hätte die Umwelt ein wenig entlastet, meine Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenn Sie sich wenigstens die Mühe

gemacht hätten, aus diesen an sich schon wenig umweltfreundlichen Papieren wenigstens ein einziges zu machen.

Worum geht es? Hatte das OVG Münster nicht etwa gute Gründe, die Baugenehmigung im September 2009 aufzuheben? Es hatte gute Gründe, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Betreiber hatten gegen eine Reihe von Gesetzen und Regelungen verstoßen. Im Mittelpunkt stand für das Oberverwaltungsgericht Münster dabei der Klimaschutz.

Immerhin war es damals Landesrecht, dass beim Neubau von Kraftwerken eine positive CO2-Bilanz herauskommen musste: dass also danach weniger CO2 in die Atmosphäre gelangte als vorher. Doch in Datteln sollte nur ein viel kleineres Kraftwerk abgeschaltet werden. Der CO2-Ausstoß hätte sich daher mit Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks erhöht.

Der Betreiber, der Stromriese E.ON, hatte bereits fast 1 Milliarde € für das neue Steinkohlekraftwerk ausgegeben und tat alles, um das Urteil zu kippen und sich dabei – entschuldigen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – auf die politischen Erfüllungsgehilfen der Großkonzerne zu stützen.

(Ralf Witzel [FDP]: Bitte?)

Nach dem Motto „Wenn das Kraftwerk gegen das Gesetz verstößt, dann ändern wir eben die Gesetze“ strich die schwarz-gelbe Mehrheit des Landtages in der vergangenen Legislaturperiode kurzerhand den Klimaschutzparagrafen aus dem Gesetz zur Landesentwicklung – im Interesse der Profite der Energieriesen. In wessen Interesse denn sonst, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall von der LINKEN)

Was die Fraktionen von CDU und FDP hier vortragen, läuft auf drei Argumente hinaus. Gehen wir sie durch.

Erstens sprechen Sie von Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren. Damit kann man jede Produktion rechtfertigen – egal wie unwichtig, schädlich oder gar zerstörerisch sie ist.

Zweitens beklagen Sie die Gelder, die bei Aufrechterhaltung des Baustopps buchstäblich in den Sand gesetzt wurden. Das kommt davon, wenn man auf Technologien von vorgestern setzt. Das fällt auf die Betreiber und auf diejenigen zurück, die deren Interesse verfechten. Sie müssen einsehen, dass eine gewisse krasse Unvernunft und Unverantwortlichkeit heute nicht mehr so leicht politisch durchsetzbar ist.

Beim nächsten Argument haben Sie vermutlich selber gelächelt oder wenigstens innerlich geschmunzelt, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Sie befürworten allen Ernstes die Fertigstellung und Inbetriebnahme des neuen Steinkohle

kraftwerks in Datteln im Namen des Klimaschutzes. Dabei müssten Sie doch wissen, dass die Verbrennung von Kohle die Art der Energieproduktion ist, bei der am meisten CO2 in die Atmosphäre gelangt. Sie argumentieren mit den modernsten Verfahren, die jedoch nur eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um etwa 20 % bringen. Damit ist auch bei den neuesten Kohlekraftwerken der Ausstoß deutlich höher als etwa bei Erdgaskraftwerken. Und da sprechen Sie von einem Beitrag zum Klimaschutz? Für Sie ist wohl gar die Braunkohleförderung ein Beitrag zum Klimaschutz.