Protocol of the Session on August 28, 2008

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gerade die Parallelen zu Eschede lehren uns doch, dass wir dieses Mal mehr als einen Glücksengel an Bord des ICE 3 hatten, als die Achsen auf der Hohenzollernbrücke Anfang Juli brachen. Das hat in der Öffentlichkeit den bösen Verdacht genährt, die Deutsche Bahn habe die Sicherheit ihrer ICE-Flotte nicht im Griff und aus dem schrecklichen Unfall in Eschede nichts gelernt.

So wissen wir, dass Fahrgäste kurz vor dem schrecklichen Unfall bei Eschede mehrmals auf

mahlende Geräusche und heftiges Rumpeln unterhalb des Wagenbodens hingewiesen hatten. Auch dieses Mal meldeten Fahrgäste Rumpeln und starke ungewöhnliche Geräusche unter dem Waggon mit der Nummer 23, die bis zum Achsbruch bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof zunächst einmal als nicht unübliche Fahrgeräusche eingestuft worden waren.

Hat die Bahn aus Eschede gelernt? Sicherheit ist ein hohes Gut und Vertrauen eine zarte Pflanze, die gehegt und gepflegt werden will. Der Antrag der Grünen greift einige sehr ernst zu nehmende Kritikpunkte auf, die durch die Handlungen und Erklärungen des Bahnvorstands nicht widerlegt worden sind, sodass wir Klarheit und Wahrheit vermissen, die sogenannte Transparenz, eben von Herrn Lorth angemahnt.

Hier sind einige Beispiele zu nennen. So waren die Ängste und Sorgen der Öffentlichkeit um die Sicherheit der ICE-Radsatzwellen für DBVorstand Dr. Karl-Friedrich Rausch unbegründet und nichts weiter als eine Spekulation, die jeder technischen Grundlage entbehre. „Bahnindustrie, Radsatzhersteller und die Deutsche Bahn als Zugbetreiber gehen von einer uneingeschränkten Sicherheit der ICE-Flotte aus“, so ein Zitat.

Bahnchef Hartmut Mehdorn konnte es sich in seiner unnachahmlichen Art nicht verkneifen, das um die Sicherheit bemühte Eisenbahn-Bundesamt anzugreifen und sich beim Bundesverkehrsminister zu beschweren.

Das Bundesamt hatte gewarnt und gemahnt – das ist auch seine Aufgabe –, für bestimmte Achsen an neueren ICE-Zügen sei die Dauerfestigkeit des Materials nicht nachgewiesen. Nach wie vor sei die Bahn das sicherste Verkehrsmittel, so Mehdorn. Dennoch versuchten interessierte Kreise, jetzt plötzlich Panik zu machen.

Dieses Mal hatte aber der Bahnchef die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn der Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der ihm schon oft aus der Patsche helfen musste, stellte sich demonstrativ hinter die Behörde und ließ verlautbaren: Das Eisenbahn-Bundesamt prüft die Schäden sachlich und mit hoher Kompetenz. Es habe den vollen Rückhalt des Ministers.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, und nun der Clou: Mehdorn muss aufpassen, dass er im Börsenfieber nicht die Sicherheit vernachlässigt, so ein Ministeriumssprecher gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich komme zum Schluss. Wir möchten Licht ins Dunkel bringen und uns darüber informieren, wie es wirklich um die Sicherheit bestellt ist. Die einfache Formel „Die Bahn ist sicher!“ oder – anders formuliert – „Wie sicher ist die Bahn bei Mehdorn?“ reicht nicht aus, wie wir das schon einmal bei der Rente erleben konnten. Norbert Blüm lässt da grüßen.

Viele Fragen sind offen. Zum Beispiel: Wurden Grenzwerte festgestellt, intensiv überprüft und konsequent eingehalten? Hätte der Riss bei anderen Zeit- oder Laufkilometerwerten schon im Entstehungsstadium bemerkt werden können? Was ist zu tun, um die Sicherheit und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit wiederherzustellen?

Wenn wir die Antworten kennen, werden wir uns zum Antrag positionieren können. Dann werden wir auch wissen, welche wahre Bedeutung der Werbeslogan „Bahn fahren – Geld sparen!“ hat. Oder heißt es nicht vielmehr in Bahnkreisen schon erschreckend: „Geld sparen – mit der Bahn fahren!“?

Wir werden der Ausschussüberweisung zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Rasche für die FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die FDP und sicherlich für alle hier im Haus gilt der Grundsatz, dass die Sicherheit der Fahrgäste der Deutschen Bahn AG und natürlich auch aller anderen Eisenbahnunternehmen allerhöchste Priorität haben muss.

Gerade im Hochgeschwindigkeitsverkehr sind größtmögliche Anforderungen an das eingesetzte Material zu stellen. Selbstverständlich müssen die Überprüfungs-, Instandhaltungs- und Wartungsprozesse so organisiert sein, dass jederzeit eine uneingeschränkte Betriebssicherheit der eingesetzten Züge gewährleistet ist. Keinesfalls darf es hier aus Kostengründen zu irgendwelchen Abstrichen kommen.

Das sollte auch im eigentlichen Interesse der Deutschen Bahn AG liegen. Denn niemand würde mehr in einen Zug steigen, wenn er Zweifel daran hätte, dass nicht alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen ergriffen würden. Herr Lorth hat sicher

lich mit seiner Aussage Recht, es würde sich extrem schlecht auf einen Börsengang auswirken, wenn aus Sicherheitsgründen niemand mehr mit dem Zug fahren würde. Deshalb kann es gar nicht im Interesse der Deutschen Bahn AG sein.

(Beifall von FDP und CDU)

Keine Frage, meine Damen und Herren, der Achsbruch eines ICE-3-Fahrzeuges am 9. Juli 2008 in Köln hat in der Öffentlichkeit Zweifel an der Sicherheit für die Fahrgäste hervorgerufen. Die umfangreichen und komplizierten Untersuchungen erfolgen auch jetzt noch durch das Eisenbahn-Bundesamt. Bevor belastbare Erkenntnisse vorliegen, befinden wir uns im Bereich von Mutmaßungen und Spekulationen.

(Bodo Wißen [SPD]: So ist das!)

Meine Damen und Herren, ob beispielsweise bei den ICE TD, VT 605 die dynamischen Beanspruchungen von Spannungswerten der Radsatzwellen noch nach einer alten Bahnnorm statt durch die neue EU-Norm EN13103 und EN13104 ermittelt worden sind, sollten nun wirklich Experten beurteilen können.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das ist erwiesen!)

Das ist nicht die Aufgabe der Abgeordneten hier in diesem Landtag. Das können wir nicht. Vielleicht traut sich Herr Becker das zu.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich glaube, da liegen auch Sie, Herr Becker, bei dem, was Sie sich dort zutrauen, falsch.

(Beifall von der FDP)

Der Deutsche Bundestag, der zuständig ist, wird seine Beratungen zu diesem Thema im Oktober aufnehmen. Hoffentlich ist dann mehr Klarheit vorhanden, wie Herr Jung formuliert hat. Dann kann man auch mit diesem Thema sachgerecht umgehen.

Die Grünen handeln mit diesem Antrag voreilig. Da sind sich die drei anderen Fraktionen in diesem Hohen Haus einig. Mit diesem voreiligen Handeln wird natürlich noch mehr Unsicherheit geschürt. Davon hat niemand etwas – die Grünen nicht, das Hohe Haus nicht, die DB nicht und auch die Fahrgäste nicht.

Wir sollten uns über das Thema unterhalten, wenn die Fakten vorliegen.

Fest steht allerdings für die FDP – das möchte ich abschließend festhalten –: Die Sicherheit der Fahrgäste darf nicht an schlechten Wartungspro

zessen oder an Kostengründen scheitern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Krautscheid in Vertretung für Herrn Minister Wittke das Wort. Bitte schön, Herr Minister Krautscheid.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vorfall um den Bruch einer Achse des ICE in Köln hat uns alle alarmiert. Es ist in der Tat – wie eben schon gesagt worden ist – nur ein vermeintlich leichter Unfall gewesen. Denn es ist nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Radsatzwelle nicht im Schritttempo des Zuges bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof geborsten wäre, sondern bei Tempo 300.

Einer Wahrheit müssten wir uns vorab allerdings alle stellen. So sicher – das ist erwähnt worden – das Verkehrsmittel Bahn ist, absolute Sicherheit werden wir nie schaffen können. Das werden kein Antrag und keine neue gesetzliche Vorgabe je erreichen können. Ein Restrisiko wird es wie bei allen anderen Verkehrsträgern auch im Bereich des Bahnverkehrs immer geben. Es muss aber alles unternommen werden, alle vorhersehbaren Gefährdungspotenziale zu eliminieren. Das ist ein Dauerauftrag, dem unter Nutzung neuester Erkenntnisse immer wieder und permanent nachzukommen ist, auch und gerade unter Nutzung der Erkenntnisse aus Katastrophen oder Beinahekatastrophen. Genau vor dieser Aufgabe stehen wir jetzt. Der Gefahr einer Wiederholung dieses Vorfalls muss präventiv und in angemessener Weise begegnet werden.

Die Dauerfestigkeit von Radsatzwellen ist insbesondere im Bereich des Eisenbahnhochgeschwindigkeitsverkehrs von elementarer Bedeutung. Es muss also absolut sichergestellt sein, dass auch hier die erforderlichen Prüf- und Austauschintervalle adäquat bemessen sind, von den Eisenbahnunternehmen tatsächlich eingehalten werden und aufsichtsrechtlich kontrolliert werden können.

Wir sind fest davon überzeugt, dass dies auch alle Verantwortlichen wissen. Sie werden auch alles in ihrer Macht Stehende tun wollen, um ein solches Geschehnis zu vermeiden. Das ist eben schon gesagt worden. Es ist in niemandes Interesse, die Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen. Dazu zähle ich auch ausdrücklich die Verantwortlichen

der DB AG selbst. Die Feststellung „Sicherheit vor Gewinnmaximierung“, die in der Bezeichnung des Antrags der Grünen enthalten ist, ist natürlich richtig. Wir sollten uns aber gerade in der aktuellen Situation davor hüten, zu unterstellen, dass der Bruch der Radsatzwelle in Köln schlicht die einfache Folge eines Sparprogramms wäre. Hierfür gibt es derzeit keinerlei Ansatzpunkte.

Meine Damen und Herren, ein Antrag enthält in der Regel Forderungen, auch dieser Antrag des Abgeordneten Becker. Die Frage ist, ob diese Forderungen an der richtigen Stelle gestellt werden. Es ist eben schon völlig zu Recht gesagt worden: Für keine dieser Forderungen ist das Land Nordrhein-Westfalen zuständig. Dieser Antrag gehört in den Bundestag. Die Tatsache, dass da, Herr Abgeordneter Becker, gerade Sommerpause ist, macht uns noch lange nicht zuständig. Also: Wir sollten diese Dinge an der richtigen Stelle vortragen.

Die Aufsicht über die bundeseigenen Eisenbahnen obliegt nach geltender Rechtslage nicht den Ländern, sondern alleine dem Bund. Er hat in der Gestalt des Eisenbahn-Bundesamtes eine besondere Eisenbahnaufsichtsbehörde geschaffen. Das EBA verfügt über die technische Kompetenz und ist für die Aufsicht über die Unternehmen der DB AG allein zuständig. Das engagierte Handeln des EBA – auch das ist eben gewürdigt worden – gerade im Falle der Entgleisung im Hauptbahnhof Köln zeigt, dass diese Institution auch in der Praxis funktioniert. Eine Intervention der Landesregierung im Sinne des vorliegenden Antrags liegt deshalb nicht nur außerhalb der Zuständigkeit des Landes, sie wäre auch unnötig, ein unnötiges Signal des Misstrauens an eine funktionierende Aufsichtsbehörde.

(Beifall von der CDU)

Das EBA verfügt zudem nicht nur über die Kompetenz, sondern in Form der im Allgemeinen Eisenbahngesetz geregelten Befugnisse auch über rechtlich ausreichende Instrumente, um die notwendigen sicherheitstechnischen Maßnahmen anzuordnen und sie auch durchzusetzen. Das gilt nicht nur, wie in dem vorliegenden Antrag der Grünen suggeriert, bei Gefahr im Verzug, sondern das gilt auch präventiv und speziell im Hinblick auf die Modalitäten der sicherheitsrelevanten Überwachung von Radsatzwellen. Eine Ausweitung der bestehenden rechtlichen Befugnisse ist also nicht notwendig. Sie wird übrigens auch vom EBA selbst nicht verlangt. Sie würde überdies auch nicht verhindern, dass es zwischen der aufsichtsausübenden Behörde und dem unter Aufsicht stehenden Unternehmen, wie es hier wohl

offensichtlich der Fall war, zu Meinungsunterschieden kommen kann und muss, wenn es dafür Anlass gibt.

Meine Damen und Herren, der Ruf von Bündnis 90/Die Grünen nach einem externen und zertifizierten Qualitätsmanagement ist reiner Aktionismus. Denn so etwas gibt es bereits. Die DB AG verfügt – wie jedes andere Eisenbahnunternehmen auch – bereits heute auf der Grundlage der Vorgaben des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in Person des Eisenbahnbetriebsleiters über ein internes und gerade in Gestalt des EBA über ein externes Qualitätsmanagement.

(Horst Becker [GRÜNE]: Aber das kann nicht die Risikoanalyse leisten!)

Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhobene Forderung, ein weiteres externes Qualitätsmanagement einzuführen, würde also zu einer Doppelung führen. Unabhängig davon kann dies lediglich Gegenstand einer unternehmerischen Entscheidung der DB AG selbst sein. Auch hier haben wir uns herauszuhalten.

Gleichwohl: Die Forderung, die erhoben worden ist, nach mehr Transparenz, nach lückenloser Aufklärung, nach vollständiger Information wird selbstverständlich unterstützt. Das muss weiter eingefordert werden. Im Übrigen sollten wir zunächst die Erkenntnisse der technischen Sachverständigen abwarten. – Vielen Dank.