Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist in der politischen Auseinandersetzung ein klassisches Kampfinstrument der Opposition.
Nach dem abscheulichen und unbegreiflichen Verbrechen in der JVA Siegburg witterte die SPDOppositionsfraktion eine Chance, die Justizministerin stürzen zu können. Skandalös und auch widerlich wurde diese Wunschvorstellung der SPDFraktion von deren stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden Jäger auf die Spitze getrieben, als er die Losung ausgab, die Ministerin zu grillen.
Schon bald forderte die SPD-Fraktion den Rücktritt der Justizministerin. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte sich oppositionspflichtgemäß gleichlautend.
Nach Abschluss der Beratungen im Untersuchungsausschuss ist heute klar: Die SPD ist kläglich gescheitert, denn das Ergebnis des Untersuchungsausschusses ist – das sehen bis auf die Mitglieder der SPD-Fraktion alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses so –, dass keine persönliche Verantwortung der Regierungsmitglieder im Justizressort besteht.
Um es ganz deutlich zu sagen: Wer wie Sie, Herr Kollege Stotko, in den letzten Tagen in den Medien verbreitet, dass die Justizministerin die Verantwortung für den Tod von Hermann H. trage, negiert wider besseres Wissen sowie unverantwortlich die Tatsachen und überschreitet zugleich die zulässigen Grenzen einer fairen politischen Auseinandersetzung.
Selbst Ihr früherer SPD-Minister Gerhards hat in seiner Vernehmung ausdrücklich betont – das haben wir alle mitbekommen –, dass es für das, was in Siegburg geschehen ist, eine persönliche Verantwortung eines Ministers nicht geben kann. Für den Tod des Gefangenen Hermann H. sind alleine die zwischenzeitlich verurteilten Straftäter verantwortlich. Ursachen für allgemeine Fehlentwicklungen im Jugendstrafvollzug sind allesamt unter der SPD-Regierung und -Führung vor 2005 gesetzt worden.
Die Mitglieder der CDU-Fraktion haben sich engagiert und kompetent in die Arbeit des Untersuchungsausschusses eingebracht. Der Untersuchungsausschuss hat Gelegenheit gegeben, den Jugendstrafvollzug erstmalig in unserem Bundesland auf der parlamentarischen Ebene umfassend zu durchleuchten. Hierzu haben die Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen wichtige Beiträge geleistet.
Die SPD-Fraktion wehrte sich vehement gegen eine Untersuchung der längerfristigen Entwicklung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen. Kein Wunder, wenn man feststellen muss, dass der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Kollege Sichau, bereits 1997 als Vorsitzender der Vollzugskommission den seinerzeitigen SPDJustizminister ausführlich über die Situation in der JVA Siegburg informiert und vergeblich um Abhilfe gebeten hatte!
Auch in dem sachlich und differenziert gehaltenen Sondervotum der Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen heißt es hierzu: Es könne nicht festgestellt werden, dass die Art und Weise der Amtsausübung von Justizministerin MüllerPiepenkötter im Vorfeld der Tat vom 11.11.2006 kausal gewesen sei für die Tatgeschehnisse. – Folgerichtig wird von Bündnis 90/Die Grünen die seinerzeitige Rücktrittsforderung nach Abschluss der Untersuchung nicht mehr aufrechterhalten.
Die Untersuchung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hat gezeigt, dass sich Mängel im Strafvollzug über Jahre entwickeln und diese nicht innerhalb von ein oder zwei Jahren im Hauruckverfahren beseitigt werden können. Als wesentliche Probleme haben sich Überbelegung und Personalmangel herausgestellt. Beide Probleme resultieren aus jahrelangem von Desinteresse am Strafvollzug getragenem, fehlerhaftem Regierungshandeln vor dem Wechsel im Mai 2005.
schen Erwägungen zu stützen. Zum einen hatte der vorherige SPD-Justizminister Gerhards in achtenswerter Offenheit in seiner Zeugenvernehmung angegeben, der Strafvollzug habe sich bereits bei seiner Amtsübernahme von seinem SPDVorgänger Dieckmann in einer schwierigen Situation befunden und sei nicht in einem besonders guten Zustand gewesen. Es sei seit Jahren nicht ganz einfach gewesen, den sächlichen, baulichen, aber auch den personellen Bedarf so zu befriedigen, wie es nötig gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, das ist noch schöngefärbt ausgedrückt. Am Ende der sozialdemokratischen Regierung im Jahr 2005 haben in Nordrhein-Westfalen weit über 1.000 Haftplätze gefehlt. Die Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst, der bekanntlich die Hauptlast der Arbeit mit Strafgefangenen zu tragen hat, sind von 2003 bis Mitte 2005 um 13 % von ca. 6.350 auf 5.550 reduziert worden. Sowohl für die Schaffung zusätzlicher Haftplätze durch Neubau als auch für das Wirksamwerden von Neueinstellungen im allgemeinen Vollzugsdienst sind aber – und das hat die Beweisaufnahme eindrucksvoll bestätigt – jedenfalls drei Jahre erforderlich.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in Ihrem Minderheitenvotum pauschal und ohne jede nachvollziehbare Begründung behaupten, die Verantwortung für fehlende Haftplätze und fehlendes Personal im November 2004 trage allein die amtierende Justizministerin, zeigt das nur, dass Sie weder rechnen können noch in der Lage sind, allgemein bekannten Wahrheiten ins Auge zu sehen und sich Ihrer Verantwortung zu stellen.
Damit auch Sie es verstehen, will ich es noch einmal deutlich sagen: Um im November 2006 genügend Haftplätze und ausreichend Personal auch in der Justizvollzugsanstalt Siegburg – zu haben, hätten Sie, meine Damen und Herren von der SPD, noch während Ihrer Regierungszeit Baumaßnahmen für ausreichend zusätzliche Haftplätze beginnen und auch zusätzliche Beamtenanwärter einstellen müssen. Beides haben Sie nicht getan.
Der zweite Kronzeuge für das Desinteresse der früheren sozialdemokratischen Landesregierung am Strafvollzug und damit auch am Jugendstrafvollzug – auch in Siegburg – sitzt in unseren Reihen: Herr Kollege Sichau. Er war damals der einsame Rufer in den Reihen der regierenden SPD. Er hat schon mit seinem Bericht vom 20. August 1997 als Vorsitzender der Vollzugskommission
die mangelnde Personalausstattung und den Mischvollzug in der JVA Siegburg mit deutlichen Worten gerügt und auf Abhilfe gedrängt. Sehen Sie sich diesen Bericht, der damals an das von der SPD geführte Ministerium gegangen ist, noch einmal an! Darin heißt es, dass die Angestellten dort so viele Überstunden vor sich her geschoben haben – es waren über 15.000 –, dass diese umgerechnet 13 Stellen in der JVA entsprochen hätten, und dass weiterhin drei Stellen im Behandlungsvollzug fehlten. Außerdem heißt es wörtlich in dem Bericht: Selbst die vom Vollzugsamt zugestandene Notdienstpostenplanung sei unterschritten. – Der Kollege Sichau hatte schon am 5. Dezember 2006 in der Vollzugskommission ganz offen erklärt, man habe damals mit dem Ministerium über diesen Bericht gesprochen, aber im Nachgang sei eben nichts geschehen.
Meine Damen und Herren, der frühere Minister Gerhards hat auch ausgesagt, man sei lange Zeit nur begrenzt in der Lage gewesen, überhaupt Erkenntnisse darüber zu bekommen, wo die einzelnen Probleme im Strafvollzug des Landes gelegen hätten. Man habe im Ministerium versucht – ich betone: versucht –, den Sachstand systematisch zu erheben und zu Analysen zu kommen, bevor man an die Umsetzung gehe.
Dies vorausgesetzt, bleibt festzuhalten, dass die einzig nennenswerte Maßnahme des früheren SPD-Justizministers zur Problembehebung im Strafvollzug des Landes erst im April 2005 und damit zweieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt erfolgte, indem er die Leitung der Strafvollzugsabteilung im Justizministerium änderte. Andere wirksame Maßnahmen gab es nicht.
Genau das, was der damalige SPD-Minister als richtig erkannt, aber ohne Erfolg nur versucht hat, hat die amtierende CDU-Justizministerin zügig und erfolgreich umgesetzt. Sie hat das Problem der Gewalt im Strafvollzug innerhalb des ersten halben Jahres ihrer Amtszeit aufgegriffen und entsprechende Arbeitsaufträge erteilt. Diese sind dann zügig umgesetzt worden und haben zur Vorlage der aussagekräftigen Studie des Kriminologischen Dienstes im Dezember 2006 geführt.
Es ist schon mehr als erstaunlich, wie die SPD in ihrem Minderheitenvotum genau das ausblendet. Die amtierende CDU-Justizministerin hat in weniger als 18 Monaten geschafft, wozu ihr SPDVorgänger eingestandenermaßen über zweieinhalb Jahre nicht in der Lage war.
den vielen Jahren Ihrer Regierungsverantwortung vor Juni 2005 gegen erkennbare Fehlentwicklungen im Strafvollzug wider besseres Wissen nichts unternommen haben. Auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss waren Sie an umfassender Ursachenaufklärung oder Problemerkennung erkennbar nicht interessiert.
39 Jahre Verantwortung für den Strafvollzug des Landes kann man aber nicht so einfach verschweigen. Alleine das qualifiziert Ihr Minderheitenvotum als einseitigen, aber auch misslungenen Versuch, die ausgewogenen und den gesamten Untersuchungszeitraum abdeckenden Darstellungen des Berichtes anzugreifen.
Darüber hinaus schlagen Sie in Ihrem Minderheitenvotum, obwohl ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss hierfür nicht zuständig ist, unter dem Deckmantel angeblich mangelnder Ausbildung und ohne sachliche Begründung auf die Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes ein, die von der konkreten Belegung bis zur Vitalkontrolle vieles falsch gemacht haben sollen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie wissen ganz genau, dass das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ein vollständig anderes ist. Statt die Vollzugsbeamten zu prügeln, weil Sie die Ministerin nicht treffen können, sollten Sie sich an die eigene Brust packen und sich dazu bekennen, dass Sie den allgemeinen Vollzugsdienst in der Vergangenheit haben ausbluten lassen.
Wir hingegen haben nach der Regierungsübernahme 2005 den von Ihnen vorgenommenen Stellenabbau beendet, Neueinstellungen vorgenommen und insbesondere 330 Nachwuchskräfte rekrutiert.
Meine Damen und Herren von der SPD, abschließend ist festzuhalten: Auch dieser Versuch, einen Minister der Regierung Rüttgers zu stürzen, ist gescheitert. Sie haben es bei Frau MüllerPiepenkötter versucht, Sie haben es bei Minister Uhlenberg versucht, Sie versuchen es zurzeit bei Ministerin Sommer. Sie haben es nicht geschafft, und Sie werden es nicht schaffen. Diese Regierung und die sie tragenden Landtagsfraktionen werden weiterhin erfolgreich arbeiten. – Vielen Dank.
Werter Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einiges in Ihrem Wortbeitrag, Herr Kollege Giebels, ist es nicht wert, dass ich darauf eingehe,
aber ich muss es zumindest bei zwei Punkten tun. Sie sagen, die SPD prügele auf Justizwachtmeister ein. In einer Debatte um den Foltermord in Siegburg gebrauchen Sie das Wort „prügeln“. Das finde ich schon mehr als peinlich und diesem Parlament nicht angemessen, Herr Kollege Giebels. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschichte, um die es geht, ist klar. Ein junger Mann ist in Haft. Es handelt sich um eine mehrfach belegte Zelle. Dieser junge Mann wird stundenlang gequält. Nach stundenlangen Qualen tritt sein Tod ein. Ein breites Entsetzen im ganzen Lande. Es wird eine Kommission eingesetzt, an deren Ende das Ergebnis steht: Maximal die Zweierbelegung einer Zelle ist richtig.
Das ist nicht der Fall Siegburg im November 2006. Das ist der Fall Ichtershausen in Thüringen im Jahre 2001. Fünf Jahre vor dem Foltermord in Siegburg
Frau Ministerin, Sie haben im Januar 2006 Ihr Haus gefragt: Was kann man tun? – Ich frage mich, warum es Ihnen nicht gelungen ist, diese Erkenntnisse aus Thüringen zu verwerten und zum Schutz von Hermann H. zu benutzen.
Was aber ist das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses, das Ergebnis von 25 Sitzungen in 14 Monaten mit 32 vernommenen Zeugen und über 500 Akten? In einer langen Kette von Versäumnissen und Versagen tragen Sie, Frau Ministerin, wegen des Organisationsversagens