Protocol of the Session on April 16, 2008

Ich finde es peinlich, Herr Minister, dass die Große Koalition der beiden Fraktionen von CDU und SPD im Deutschen Bundestag die Bundesregierung mit Antrag Drucksache 16/8497 vom 12. März 2008 – ich zitiere aus dem Antrag – auffordert,

„das zuständige Landesfinanzministerium in seinen Bemühungen darin zu unterstützen, dass dem CH die Gemeinnützigkeit aberkannt wird; …“

Ich möchte, dass das nordrhein-westfälische Finanzministerium diese Hilfe aus Berlin nicht braucht und dass das in Nordrhein-Westfalen allein erledigt werden kann. Es ist überfällig, dass dies passiert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich erwarte von Ihnen heute eine klare Ansage, ob etwas passiert ist, was gegebenenfalls passiert ist und warum es dann so lange gedauert hat. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die CDU-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Luckey das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Verlaub, meine Damen und Herren Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: In irgendeiner Weise – ich meine das wirklich nicht scherzhaft – erinnern Sie mich an Asterix den Gallier, der immer wieder von Neuem versucht hat, die Römer zu schlagen und

zu gewinnen, und jedes Mal vom Platz gezogen ist und zugeschlagen hat.

So sieht es auch mit Ihnen heute aus. Nach zwei Kleinen Anfragen, meine Damen und Herren, und den außerordentlich schnellen Antworten des Finanzministers haben Sie heute erneut zu diesem Thema einen Antrag eingereicht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja, weil nichts passiert!)

Wir, die Regierungsfraktionen, stellen diesen Antrag unter das klare Gebot der Rechtsstaatlichkeit.

Ich kann den bisherigen Ausführungen des Finanzministers nur folgen. In der Bundesrepublik Deutschland gilt der Grundsatz des Steuergeheimnisses, weswegen hier keine Auskünfte gegeben werden können und, meine Damen und Herren, daraus folgend auch nicht gegeben werden dürfen.

(Heike Gebhard [SPD]: Aber Gemeinnützig- keit oder nicht – das ist doch kein Geheim- nis!)

Ich erwarte von einem jeden Finanzminister, dass er sich so klar und deutlich daran hält, wie der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Helmut Linssen es tut, meine Damen und Herren.

Der vorliegende Antrag beweist doch auch, dass die, wenn Sie so wollen, neue Partei der Bürgerrechte, Bündnis 90/Die Grünen, einen für mich noch erheblichen, feststellbaren Nachholbedarf im Umgang mit gerade diesen Bürgerrechten hat.

(Beifall von CDU und FDP – Lebhafter Wi- derspruch von den GRÜNEN)

Das ist eine sehr ernste Sache. – § 30 Abs. 1 der Abgabenordnung verpflichtet Amtsträger zum Schutz des Steuergeheimnisses. Das Steuergeheimnis lässt sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückführen. Es konkretisiert für das Steuerrecht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies wird geregelt mit Bezug auf Art. 1 Grundgesetz – Menschenwürde – in Verbindung mit Art. 2 – Allgemeine Handlungsfreiheit. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann lesen Sie bei den bekannten Kommentatoren nach. Zum Beispiel steht das so in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 30, Randnummer 6.

Das heißt, nicht irgendein beliebiges Rechtsgut soll geschützt werden, sondern ein Eckpfeiler unseres Gemeinwesens. Es verbietet sich also ein leichtfertiger Umgang mit dem Steuergeheimnis durch unbefugte Offenbarungen irgendwelcher Informationen. Kurz: Es geht um einen angemes

senen Umgang mit Bürgerrechten – um nicht mehr, allerdings auch um nicht weniger.

Man kann den Bundesinnenminister zum Beispiel nicht dafür kritisieren, dass er zur Gefahrenabwehr rechtsstaatliche Grundlagen für die Onlinedurchsuchung schaffen wollte, und im gleichen Atemzug den nordrhein-westfälischen Finanzminister dazu auffordern, Bürgerrechte mit Füßen zu treten.

(Beifall von der CDU – Monika Düker [GRÜ- NE]: Wie bitte? Das ist doch nicht zu fassen!)

Meine Damen und Herren, ich finde es insbesondere angesichts der Vergangenheit zum Beispiel einiger Ihrer Galionsfiguren geradezu herzzerreißend, wie Sie immer wieder darauf hinweisen, dass möglicherweise ein rechtsradikaler Verein mit Steuergeldern finanziert wird.

Herr Abgeordneter Luckey, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Düker?

Nein, Herr Präsident.

Nein. Gut.

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

Glauben Sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Die Landesregierung ist hier und nicht nur hier sehr wachsam. Vereine und Organisationen mit extremistischem Gedankengut – egal, ob links, rechts oder wo auch immer – werden von uns allen gemeinsam nicht toleriert und schon gar nicht unterstützt. Gleichwohl folgt das Gemeinnützigkeitsrecht aber vor allem dem Grundsatz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Seien Sie also unbesorgt: Wir kümmern uns darum, meine Damen und Herren! Wenn erkennbar ist, dass wir es hierbei mit einer der Demokratie feindlich gegenüberstehenden Organisation zu tun haben, werden wir handeln. Im Übrigen werden wir uns nicht so verhalten wie die alte rotgrüne Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Verbot der NPD.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, es wäre sicher begrüßenswert, wenn große öffentliche Debatten um einen Verein vermieden werden könnten, damit die zuständigen Behörden in Berlin wie in Düsseldorf in Ruhe arbeiten können. Um wirksam handeln zu können, meine Damen und Herren, ist es zwingend erforderlich, ausreichende Erkenntnisquellen zu erhalten. Eine solche aus

reichende Erkenntnisquelle wird Ihnen sicherlich, sobald der Finanzminister davon ausreichend Kenntnis hat, dargestellt werden. Ich verstehe die Aufgeregtheit. Wir sind im Grunde einer Meinung. Nur, meine Damen und Herren, es geht auch um den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und um den Schutz der bürgerlichen Ehrenrechte. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Peinlich!)

Vielen Dank, Herr Kollege Luckey. – Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Trampe-Brinkmann das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Luckey, ich muss schon sagen: Das war ein Auftritt, den ich diesem Parlament und mir lieber erspart hätte.

(Lebhafter Beifall von der SPD)

Diejenigen unter den Schutz gesetzlicher Vorschriften zu stellen, die genau diese mit Füßen treten, die sich immer wieder dagegenstellen und dann auch noch für sich reklamieren, ihre Tätigkeit sei nach der Abgabenordnung förderfähig, das halte ich für ein Stück weit abenteuerlich. Wir sollten den Konsens der Demokraten nicht durch solche Äußerungen auseinanderdividieren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich hatte wegen des gemeinsamen Antrags von CDU und SPD im Bundestag, den Frau Düker eben schon erwähnt hat, eine andere Stellungnahme erhofft.

Ich war im Februar dieses Jahres unter dem Vorsitz unseres Herrn Vizepräsidenten Edgar Moron mit der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe zum ersten Mal in meinem Leben in Israel. Die Eindrücke, die ich dort als politisch denkender Mensch gesammelt habe, führten zu der Erkenntnis: Du fährst mit 100 Fragen los und kommst mit 1.000 Fragen zurück.

Egal unter welchen Voraussetzungen wir alle diese Reise angetreten haben, ob aus religiösen, politischen oder einfach nur touristischen Gründen, wir alle haben als deutsche Parlamentarier den Eindruck bekommen, dass wir in einer ganz besonderen Verantwortung zu dem Staate Israel stehen und in unserem politischen Handeln über alle Parteigrenzen hinweg aufgefordert sind, die besonderen Beziehungen der beiden Länder anzuerkennen und auszubauen.

Mir wurde diese Verantwortung vor allem bei zwei Besuchsstationen deutlich. Dies war zum einen das Gespräch mit der stellvertretenden Parlamentspräsidentin, das wir in der Knesset geführt haben, und zum anderen der Besuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Gerade Yad Vashem, das lebendige Denkmal des jüdischen Volkes für den Holocaust, machte jedem von uns noch einmal deutlich, welche unsagbare Schuld vom nationalsozialistischen Terrorregime ausging. Tiefe Betroffenheit war bei jedem von uns erkennbar.

Deshalb bekam die Einladung, die wir gegenüber dem israelischen Parlament ausgesprochen haben, uns im Landtag NRW zur Feier der 60. Wiederkehr der Staatsgründung Israels zu besuchen, eine besondere Bedeutung. Anlass war für uns auch, die Beziehungen herauszuarbeiten, die sich in den letzten 60 Jahren in NordrheinWestfalen zu der jüdischen Bevölkerung neu gegründet haben. Ich bin froh, dass wir heute in Nordrhein-Westfalen wieder ein blühendes jüdisches Leben wahrnehmen dürfen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund ist die jetzt geführte Diskussion, dem Collegium Humanum die Gemeinnützigkeit zu entziehen, nicht nur eine steuerrechtliche Frage, sondern auch eine Frage, wie wir insgesamt mit dem politisch-historischen Erbe unserer Vergangenheit umgehen. Dieses Sammelbecken von Holocaustleugnern begründet seine Gemeinnützigkeit darin, dass es folgende allgemein als besonders förderwürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke erfüllt: Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung sowie Studentenhilfe. Es ist für mich beschämend, dass ein Verein von Holocaustleugnern und deren Finanziers auch noch steuerliche Vergünstigungen erhalten.

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

Es liegt an uns, diesem braunen Sumpf zumindest seine finanzielle Grundlage zu entziehen und ihn trockenzulegen. Unsere Aufgabe ist es, die Werte menschlicher Zivilisation zu schützen. Ich kann uns an dieser Stelle nur auffordern, das lokale Bündnis, geführt von Bürgermeister Bernd Stute – auch in Anerkennung der Arbeit, die unser verstorbener Kollege Wolfgang Aßbrock in Vlotho vor Ort geleistet hat –, noch einmal lobend zu erwähnen und die Arbeit, die dort gegen das Collegium Humanum geleistet wird, anzuerkennen und zu unterstützen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, am 4. April dieses Jahres titelte das „Westfalen-Blatt/Vlothoer Zeitung“:

Ist die Gemeinnützigkeit bereits entzogen? – Die Zeitung berief sich hierbei auf einen Brief der Vorsitzenden des Collegium Humanum, Ursula Haverbeck-Wetzel, an Friedhelm Jostmeier, den Leiter des AKE-Bildungswerkes in Vlotho.

Wenn dies der Fall ist, gibt es für mich heute keine erkennbaren Gründe mehr, die den Finanzminister daran hindern könnten, diesen Sachverhalt hier und heute nicht zu bestätigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach meiner Rechtsauffassung ist durch die öffentliche Äußerung von Frau Haverbeck-Wetzel der Verweis auf das Steuergeheimnis hinfällig, und ich erwarte von Ihnen, Herr Minister Linssen, hierzu heute eine entsprechende Auskunft. Ich gehe davon aus, wenn sie heute nicht in dieser Intention erfolgt, dass Sie bisher nicht tätig geworden sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.