Protocol of the Session on January 23, 2008

Da nützt das ganze Gerede über Pläne und Subventionen überhaupt nichts.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist Ihre Wirt- schaftsministerin mit den Subventionen!)

Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass in Bochum wirklich über Arbeitsplätze, die da bleiben, verhandelt wird.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist das erste wichtige Ziel.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben gerade Ihre Wirtschaftsministerin kritisiert, Herr Mi- nisterpräsident!)

Außerdem geht es darum, die Menschen nicht im Stich zu lassen und ihnen auch das Bewusstsein zu geben, nicht im Stich gelassen zu werden, egal, was passiert, und egal, was bei den Gesprächen herauskommt.

Wenn ich heute lese, dass der Chef von Nokia in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagt: „Wir sind offen für neue und innovative Lösungen,

(Marc Jan Eumann [SPD]: „Handelsblatt“!)

auch in der Frage, was Nokia künftig für die Region machen kann“, dann, meine Damen und Herren, sage ich: Das ist gut, dass er das jetzt so sieht, und wir sollten diese Chance nutzen, mit ihm darüber zu reden, was das konkret heißt

(Beifall von CDU und FDP)

und für wie viele Menschen das am Standort Bochum eine Zukunft bei Nokia in der Handyproduktion, in der Forschung und in anderen Bereichen, die man sich vorstellen kann, bedeutet.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich hoffe sehr, dass der Satz, der anderswo in einer Meldung von dpa verbreitet worden ist, nämlich „Unser Ziel bleibt weiterhin, das Werk bis Mitte des Jahres zu schließen“, nicht mehr so gemeint ist. Er passt nicht dazu. Man kann nicht auf der einen Seite in Verhandlungen eintreten und übrigens auch nicht sagen „Ich will schließen“ und dann erst anfangen, mit den Mitarbeitern zu reden, und annehmen, das sei in ein paar Monaten zu machen. Damit das völlig klar ist, zumindest wir – genauso wie der Betriebsrat, genauso wie die IG Metall – werden nicht dabei helfen, dass all das nun innerhalb von Wochen passiert. Die Menschen brauchen eine Dauerperspektive. So etwas wie das, was in diesen Tagen bei Nokia in Bochum passiert ist, darf nicht noch mal passieren. Das ist nicht unser Verständnis.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wobei Sie mit den eige- nen Personalräten im Land genauso umge- hen!)

Wenn Sie, Frau Löhrmann, meinen, auf BenQ abstellen zu müssen: Ich bin froh, dass es uns damals gelungen ist, wenigstens Siemens wieder in die Verantwortung zu bekommen. Die hatten sich schon vom Acker gemacht. 70 Millionen sind viel mehr, als wir in diesem Fall überhaupt durch irgendeine Subvention hätten erreichen können; sie sind für die Menschen in Kamp-Lintfort viel konkreter.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist nicht in Ordnung, wenn Sie versuchen, die Wahrheit aus parteipolitischem Interesse zu verdrehen: auf dem Rücken der Menschen, auch auf dem Rücken derjenigen, die heute noch eine Lösung für sich selber in Kamp-Lintfort suchen.

Eines ist jedenfalls klar: dass Sie mit solchen Parolen, Frau Kraft, Frau Löhrmann, die Menschen in die Arme der Linken treiben.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Nokia!)

Sie sollten mal darüber nachdenken, was Sie mit der Art und Weise, die Debatte in diesem Land zu führen, insgesamt tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben bereits in der Debatte zur dritten Lesung für den Haushalt

2008 über Wirtschaftspolitik geredet. Wir haben damals ebenso wie die Wirtschaftsministerin Christa Thoben im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht deutlich gemacht, dass wir froh darüber und stolz darauf waren und sind, dass das Jahr 2007 ein gutes Jahr für NordrheinWestfalen war und wir in 2007 gut vorangekommen sind.

Wir haben uns darüber gefreut – jawohl, wir haben uns darüber gefreut, und wir freuen uns immer noch –, dass die Wirtschaftswissenschaftler, die sich mit der konjunkturellen Situation in Nordrhein-Westfalen beschäftigt haben, in ihren Prognosen bei ihrer Einschätzung bleiben, dass auch 2008 ein gutes Jahr für Nordrhein-Westfalen werden kann.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Herr Dudenhöffer sieht das bei den Automobilen aber anders!)

Das sieht auch Herr Dudenhöffer, lieber Herr Eumann, nicht anders. Wenn Sie das Interview gelesen hätten, dann wüssten Sie das.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Herr Eumann hat es gelesen und verstanden! – Weiterer Zuruf von der SPD: Der liest selber!)

Es ist eben doch manchmal etwas komplexer, wie Sie vielleicht wissen, wenn man sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt.

Meine Damen und Herren, wer wie ich sehr viel – und das immer wieder – mit Unternehmern redet,

(Lachen von Britta Altenkamp [SPD])

der weiß, dass auch die nordrhein-westfälischen Unternehmer genau der Auffassung sind, die die Wirtschaftswissenschaftler vortragen.

Ich habe in der Debatte zur dritten Lesung allerdings auch darauf hingewiesen, dass es Risiken für das Jahr 2008 gibt – Risiken, die wir damals schon gesehen haben, und Risiken, die sich, wie ich glaube, jetzt in den Entwicklungen sowohl bei Nokia wie auch bei der WestLB manifestieren – : zum einen der starke Euro und damit die Frage der Exportfähigkeit unserer deutschen Wirtschaft, zum Zweiten die sehr hohen Energiekosten und drittens die amerikanische Finanzkrise.

Wir leben – wir wissen das – gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten in einer Zeit großer Veränderungen. Drei Milliarden Menschen sind in die Marktwirtschaft eingetreten. Das führt zu Überhitzungen. Das führt zu Überhitzungen auf den Rohstoffmärkten, das führt zu Überhitzungen auf den Finanzmärkten. Obwohl das so ist, ist es ökonomisch richtig und wichtig, dass wir alle die

Chance haben, von der Grundwelle, die dadurch entstanden ist, dass plötzlich drei Milliarden Menschen Teil der Marktwirtschaft sind, zu profitieren. Ich sage dies deshalb, weil dieser Satz und diese Erkenntnis wichtig sind für die Frage, mit welchem Instrumentarium man versucht, wirtschaftspolitisch zu reagieren.

Es gibt eine zweite große historische Veränderung: Wir erleben die zweite industrielle Revolution. Immer mehr Wissen ist notwendig, um industrielle Produktion gerade bei uns in NordrheinWestfalen aufrechtzuerhalten. Die technologische Revolution verändert die Art und Weise, wie wir produzieren. Eines ist inzwischen völlig klar: Wir werden in der Massengüterproduktion auch in Zukunft schlechte Karten haben. Was wir brauchen, ist, was ein Wissenschaftler einmal „industrielle Maßfertigung“ genannt hat. Wir müssen das Wissen in die Produkte hereinnehmen, um Lösungen anzubieten.

Beim Fall Nokia haben wir gelernt, dass der Boden, einer der klassischen Produktionsfaktoren, kaum noch eine Rolle spielt.

(Demonstrativer Beifall von der SPD)

Er steht überall auf der Welt zur Verfügung: im Ruhrgebiet genauso wie in Rumänien. Die Frage ist also nicht, ob irgendwo noch Flächen zur Verfügung stehen, ob es Gewerbeflächen oder so etwas gibt, sondern die Frage ist, welche Standortfaktoren da eigentlich zusammenkommen müssen.

Keiner von uns hier im Saal – davon gehe ich mal aus – will, dass wir den Versuch machen, alleine über Kostensenkungen den internationalen Wettbewerb zu gewinnen. Keiner von uns hält das für eine realistische Perspektive. Keiner von uns will, dass die Menschen hier zu Dumpinglöhnen arbeiten, um zu versuchen, mit Arbeitnehmern in China, Asien oder anderswo zu konkurrieren. Aber wenn das so ist, dann ist es notwendig, dass wir uns um diesen Mix der Standortfaktoren kümmern, die zusammenkommen müssen. Richtig ist natürlich, dass dazu Bildung gehört, dass dazu die weichen Standortfaktoren gehören.

(Zurufe von der SPD)

Das ist doch Grund, weshalb wir sagen: Wir wollen uns zum Ersten darum kümmern, dass es möglichst viele Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen gibt. Denn sie gehen nicht so schnell weg, weil sie hier zu Hause sind und nicht von irgendwoher Entscheidungen treffen.

(Beifall von CDU und FDP)

Zum Zweiten sollten wir das tun, was kreative Ökonomie heißt, nämlich den Versuch unternehmen, Kreativität und Wissen in die Produkte und in die Lösungen einzubeziehen.

(Zurufe von der SPD)

Ich kritisiere überhaupt nicht, dass damals der Versuch gemacht worden ist, Nokia nach Bochum zu holen und das Werk dort anzusiedeln. Ich weiß noch, wie stolz wir alle waren, dass das gelungen ist. Das war auch ein Signal. Und es war gut, dass das geschehen ist.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Das hat Herr Papke aber vorhin diskreditiert! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Ich kritisiere niemanden. Ich kritisiere keinen meinen Vorgänger und nehme ihnen auch nicht das Verdienst ab.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Herr Papke! – Wei- tere Zurufe)

Da unterscheide ich mich übrigens von Ihnen, Frau Löhrmann, wenn Sie jetzt Herrn Clement anmachen. Wer hat eigentlich mit dem koaliert? Das waren Sie doch. Und jetzt machen Sie ihn hier an. Sie haben doch mit ihm zusammen in der Regierung gesessen und haben das alles abgemacht.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von den GRÜNEN)