All diejenigen, die aus taktischen Gründen behauptet haben, eine kostenneutrale Lösung sei nicht möglich, lagen also falsch. Die Lösung ist auch gut, weil der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung künftig auf 3,3 % gesenkt wird. Das entlastet die Unternehmen und wird Arbeit schaffen.
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Fragen Sie doch mal Frau Merkel, was sie mit Ihrem Vorschlag gemacht hat!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in diesem Land wollen den Sozialstaat. Sie wollen, dass wir ihn besser und effizienter machen. Sie wollen, dass er bezahlbar bleibt. Sie wollen, dass man sich auf ihn verlassen kann, wenn man in Not gerät. Sie wollen, dass sich auch ihre Kinder und Enkel auf ihn verlassen können. Daran arbeiten wir.
Nordrhein-Westfalen muss sich besser auf die demografischen Veränderungen vorbereiten. In der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode wird die Landesregierung dazu ein Konzept vorlegen.
Als ich vor zwei Jahren angekündigt habe, dass im kommenden Jahrzehnt mehr als 1.300 Schulen in unserem Land schließen müssen, gab es große Aufregung, wie Sie sich erinnern können. Was bin ich damals beschimpft worden!
Ich finde es interessant, dass heute dieselben Leute das gleiche Argument benutzen, um damit ihre Forderung nach der Einheitsschule zu begründen.
Nach Berechnungen des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik sinkt die Zahl der Menschen in Nordrhein-Westfalen bis 2050 um rund 2 Millionen. Fast alle Kreise und kreisfreien Städte werden weniger Einwohner haben – die einen mehr, die anderen weniger. Es hat also keinen Sinn, den Versuch zu starten, der Nachbargemeinde Bürger abzuwerben. Das macht das Problem nur größer und teurer.
Wir werden älter. Der Anteil der unter Zwanzigjährigen wird bis 2050 um rund ein Fünftel auf 16 % zurückgehen. Die Menschen über 65 Jahre werden dann die Mehrheit ausmachen. Bei meiner Reise nach Japan habe ich gelernt, dass man dort versucht, bereits heute konsequente Antworten zu geben.
Manche sind übrigens sehr erstaunlich. Wir haben ein Forschungsinstitut besucht, in dem Roboter entwickelt werden, die alten Menschen helfen sol
len und ihnen auch als Gesprächspartner dienen sollen. Ich habe zum Beispiel einen kleinen Eisbär gesehen,
Das beginnt bei der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die erste Frage lautet doch: Wann gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente? Bei uns wird das schon ab 2015, das heißt in sieben Jahren, der Fall sein. Eine viel kleinere Generation mit weniger Erwerbstätigen wird dann eine zahlenmäßig sehr starke Generation mehr und mehr versorgen müssen, und das bei härtester globaler Konkurrenz.
Die Japaner wissen, dass ihr gesellschaftliches System bisher auf ein durchschnittliches Lebensalter von 65 Jahren ausgerichtet ist. Sie fragen sich: Was müssen wir tun, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung auf 85 Jahre steigt?
Bei uns in Nordrhein-Westfalen wird die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2050 für ein neugeborenes Mädchen um fast fünf auf dann 86 Jahre und für einen neugeborenen Jungen um sogar fast sechs auf dann 81,5 Jahre steigen. – Meine Damen und Herren, ich will zuerst einmal sagen: Das ist keine Katastrophe, sondern ein großer Gewinn für jeden einzelnen Menschen und für unsere Gesellschaft.
Eine weitere Frage lautet: Führen weniger Einwohner und gleichzeitig mehr ältere Menschen automatisch zu einem Verlust des Wirtschaftswachstums? Es gibt den einen oder anderen Ökonomen, der das behauptet. Meine Antwort lautet: Nein. Das Ziel muss sein, trotz der demografischen Veränderungen mehr Wachstum zu ermöglichen. Das eröffnet den notwendigen Spielraum, auf die sozialen Fragen zu antworten.
Die Landesregierung wird sich dieser Aufgabe stellen. Ich will Ihnen die Elemente einer solchen Strategie vortragen.
Erstens. Wir müssen durch den Einsatz neuer Technologien die Arbeitsproduktivität erheblich erhöhen. Daran arbeiten wir mit der „Initiative Zukunft Ruhr“ und der Offensive für Innovation.
Zweitens. Wir müssen die Quote der Erwerbstätigen erhöhen, vor allem durch eine Steigerung der Frauenerwerbsquote.
(Ralf Jäger [SPD]: Ein Licht geht auf! – Ge- genruf von Minister Karl-Josef Laumann: Und was habt ihr gemacht? Nichts!)
Neben dem Ausbau der Ganztagschulplätze und der Betreuungsplätze für unter Dreijährige wird die Landesregierung zum Beispiel familienfreundliche Unternehmen unterstützen.
Auch Ältere müssen länger im Erwerbsleben bleiben. Die Landesregierung wird deshalb die Bundesregelung der Rente mit 67 auf den öffentlichen Dienst übertragen. Wir fügen allerdings hinzu, dass es zugleich nach unserer Auffassung bessere Möglichkeiten geben muss, selbst zu entscheiden, wann man in Rente oder in Pension gehen möchte.
Drittens. Wir müssen – dazu gibt es überhaupt keine Alternative – unsere Wirtschaft weiter globalisieren. Voraussetzung dafür sind bessere Regeln für die internationalen Finanzmärkte und der Schutz des geistigen Eigentums, wie sie zurzeit in der Bundesregierung diskutiert werden.
Viertens. Wir müssen die Staatsfinanzen weiter sanieren, damit die jungen Menschen nicht auf Kosten des demografischen Wandels auch noch die Schuldenlast früherer Generationen tragen müssen. Der Konsolidierungskurs muss also weitergehen. Keine neuen Schulden zu machen, reicht nicht. Die alten Schulden müssen zurückgezahlt werden, um diese Spielräume zu bekommen.
Fünftens. Wir müssen das Gesundheitssystem auf die Bedürfnisse älterer Menschen einstellen. Das gilt insbesondere für die Pflege. Wir werden nicht nur die stationäre Pflegeinfrastruktur weiterentwickeln, sondern auch die häusliche Versorgung Pflegebedürftiger stärken. Und ich will, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen
mehr Rechte bekommen. Bei uns werden ältere Menschen zu schnell entmündigt, weil man Angst vor Haftungsfragen hat.
Wir wollen weniger Bürokratie und mehr Eigenverantwortung. Das ist der Kompass auch für die Neugestaltung des Heimgesetzes im nächsten Jahr. Das Heim soll nicht in erster Linie Krankenhaus, sondern Wohnung für die alten Menschen sein.
Die bisweilen tragische Isolation alter Menschen muss zudem eindämmt werden. So wichtig „Essen auf Rädern“ ist: Das reicht nicht, wenn die Menschen den Rest des Tages ganz allein sind. Neben den Altersheimen brauchen wir mehr Wohngemeinschaften für Ältere. Die gibt es schon, aber es sind noch zu wenige.
Dort hat jeder alte Mensch eine altersgerechte Wohnung, und es gibt auch gemeinsame Räume als Treffpunkt. Und jeder verpflichtet sich, dem anderen bei Bedarf zu helfen.