Wir haben uns zu der Aussage durchgerungen: Nein, der subventionierte Steinkohlebergbau hat in Nordrhein-Westfalen keine Zukunft mehr; nicht etwa, weil wir der Auffassung wären, dass die Menschen, die im subventionierten Steinkohlebergbau arbeiten, nicht wirklich ein hartes Tagewerk, eine verdienstvolle Tätigkeit ausübten, sondern weil wir gemeinsam zu der Auffassung gekommen sind, dass eine Fortführung des subventionierten Steinkohlebergbaus nicht gut für die Zukunft unseres Landes ist. Denn wir brauchen die Ressourcen, um Kindergärten zu schaffen, um Schule zu organisieren, um Hochschulen Geld zu geben, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben und um auch dem Ruhrgebiet zu helfen. Deshalb muss Schluss sein mit dem subventionierten Steinkohlebergbau.
Jetzt sind wir zusammen – CDU, FDP und Grüne –, und Sie sind allein im Haus. Ich denke oft, dass Sie hier die Mentalität eines Industriemuseums offenbaren, dass Sie beim Rückwärtsgehen ständig stolpern: sei es in Sachen Bergbau, sei es bei dem Thema Schule, unter anderem mit Ihrer Forderung nach einer Einheitsschule, wo Sie sich als lernresis
tent erweisen, sei es bei Ihrer Position „Staat vor privat“, wo Sie erkenntnisresistent sind, oder sei es in der Finanzpolitik, wo Sie insofern erfahrungsresistent sind, als Sie immer mehr Ausgaben fordern, als Einnahmen fließen, wodurch Sie uns einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen haben. Sie lernen nichts dazu, was eine solide, zukunftsorientierte Finanzpolitik angeht.
Ich will auf das zu sprechen kommen, Frau Kollegin Kraft, was Sie vorhin ausgeführt haben. Sie haben behauptet, die Ziele, die mit diesem historischen Kompromiss verknüpft seien, wären nicht erreicht worden. Dazu sage ich ganz ruhig und präzise das, was der Ministerpräsident und alle anderen seit Tagen und Wochen zu unseren in den Verhandlungen verfolgten Zielen und jetzt zu dem, was nun erfolgreich finalisiert worden ist, sagen.
Zum einen: Wir wollen den Börsengang des weißen Bereichs der RAG AG. Sie werden nicht widerstreiten: Dieses Ziel ist erreicht.
Das zweite Ziel war – ich habe das gestern als eine Frucht unserer Diskussion in der CDU-Fraktion bezeichnet –, dass es als ehernes Gesetz bei der Sozialverträglichkeit bleibt. Kein Bergmann fällt ins Bergfreie!
Es gibt einen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau. Frau Kraft, auch dieses Ziel ist realisiert.
Außerdem: Der Bund wird sich an den uns noch viele Jahre lang treffenden Kosten der Ewigkeitslasten beteiligen. Auch dieses Ziel ist erreicht.
So gesehen, Frau Kollegin Kraft, hätten wir heute Morgen von Ihnen ein paar La-Ola-Wellen dafür erwartet, dass wir dem Land viel Geld gespart haben, dass es uns gelungen ist, im Konsens mit allen Beteiligten, im Konsens mit der IG BCE, mit der RAG, mit den Kohleländern und mit dem Bund, einen Kompromiss zu erreichen, und dass es uns gelungen ist, erfolgreich unsere Ziele zu verwirklichen.
Dann haben Sie moniert – ich hatte vermutet, dass es so kommen würde –, dass der Bund angeblich von Strukturhilfen freigestellt wäre. Sie haben sogar das entsprechende Zitat vorgelesen. Sie haben aber nicht betont, dass es Hilfen des Bundes zur strukturpolitischen Abfederung gäbe,
Wir hatten gestern eine spannende Debatte, in der Frau Ministerin Thoben, Herr Weisbrich und Herr Priggen mit der Präzision eines Uhrwerks dargelegt haben, wie unterfinanziert im Bereich der RAG der subventionierte Steinkohlebergbau ist und wie unterfinanziert er bis weit in das kommende Jahrzehnt hinein sein wird.
Das heißt also im Umkehrschluss: Das, was Sie zitiert haben – Sie haben es nicht einmal richtig gelesen, verehrte Frau Kraft –, bedeutet in der Substanz 0,00 € Zusagen für Hilfen. Das wäre das Ergebnis gewesen, was Sie jetzt zitatmäßig verlangen. Das zeigt, wie wenig Sie von der Sache verstehen. Es tut mir leid, es ist so.
Dann haben Sie hier tatsächlich wieder den Sockelbergbau aufleben lassen. Um Himmels willen! Selbst wenn Sie dem anhängen, dann müssten Sie erklären, in welcher Konstellation es geschehen könnte, dass sich im Deutschen Bundestag eine Mehrheit auch aus der SPD bereit finden würde, einen Sockelbergbau in NordrheinWestfalen zu finanzieren. Frau Kraft, da lachen die Hühner.
Herr Kollege Wüst hat es in der letzten Woche gebracht – das hat sich mir eingeprägt –: Es wird so sein, die letzte Lore heißt Hanne!
Sie glauben, dass Sie mit dem, was Sie fordern, einen Maßstab setzen, um beurteilen zu können, ob die Landesregierung, ob der Ministerpräsident Erfolg hatte. Mir ist nicht klar, welche konkreten Forderungen Sie meinen. Sie haben doch täglich „das Forderungshemd“ gewechselt. Ich erinnere mich gut an die Forderungen,
angefangen vom „Sockelbergbau über 2018 hinaus“, über „Nicht-Bund-Zahlen“ bis hin zu anderen mehr. Das hat mich an ein Graffiti aus den 60erJahren erinnert, das lautete: Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein. Das ist mir durch den Kopf gegangen.
Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus einem „Spiegel“-Artikel vom 05. Februar, der bekanntermaßen nicht das Organ der Christlich De
mokratischen Union Deutschlands ist. In dem Artikel wird unter anderem ausgeführt: „Erst vor wenigen Wochen torpedierten die Traditionskohorten in der SPD eine Einigung.“
„Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nahm sich die neue Landeschefin seiner Partei in Düsseldorf, Hannelore Kraft, mehrfach und lautstark am Telefon vor und ließ dabei keinen Zweifel, dass der Bund die unsinnigen Subventionen nicht über das Jahr 2018 hinaus bezahlen werde.“
(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Lesen Sie die Passage mit Rüttgers vor! Er hat Schwachstellen! Lesen Sie wei- ter!)
Frau Kraft, wir wüssten gerne von Ihnen: War das so, ja oder nein? Darauf geben Sie bitte freundlicherweise eine Antwort. Wie gesagt, darauf freuen wir uns.
Ich bitte Sie dringend darum – nachdem der Kompromiss nun gefunden wurde –, dass Sie damit aufhören, der Landesregierung immer neu in den Rücken zu fallen, wenn sie die Verhandlungen führt, die vor uns auf der Strecke liegen. Sie wissen, dass es jetzt darum geht, Verträge zu schließen. Sie wissen, dass es jetzt darum geht, Gesetze zu verabschieden. Ich erwarte einfach in nordrhein-westfälischer Solidarität, dass Sie uns dabei helfen, das Bestmögliche für unser Land herauszuholen.
Denn Uns-in-den-Rücken-Fallen, das haben Sie in den letzten Tagen gemacht. Sie haben wie beim Fußball gestern Abend das Trikot ständig gewechselt, sind in die gegnerische Mannschaft eingestiegen und haben ein Eigentor nach dem anderen geschossen. Das ist nicht fair!
Es spricht wirklich nicht für Ihre Krisenfestigkeit, wenn Sie sich vor die Bergleute stellen, vor denen
Kehren Sie um! Es ist höchste Zeit, dass Sie sich ein Stück moderne Programmatik, ein Stück moderne Politikgestaltung erarbeiten. Darum geht es jetzt.
Mit Härte weise ich Ihre Kritik zurück, Frau Kollegin Kraft; ich verlange, dass Sie sich entschuldigen, und zwar Sie persönlich, Frau Kollegin Kraft: dafür entschuldigen, dass Sie das, was der Ministerpräsident getan hat und was auch ich gleich tun werde, nämlich den Bergleuten hohen Respekt für das auszusprechen, was sie in 50 Jahren für dieses Land getan haben, Heuchelei nennen. Ich fordere Sie auf, das zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen!
Ich fühle mich selbst betroffen. Ich bin zwar nicht im Ruhrgebiet aufgewachsen, aber konnte dennoch von dem Balkon aus, den es in dem bescheidenen Elternhaus, aus dem ich komme, gab, abends sehen, wenn in Dortmund bei Hoesch der Abstich erfolgte. Ich konnte erkennen – jeder wusste es –, dass der Treibstoff des Wohlstandes, der Treibstoff des Wiederaufbaus die Kohle war.
Ich weiß auch aus meinem Umfeld, aus persönlichem Erleben, was das für einen Preis hatte. Da gab es die Sanatorien im Sauerland, die im Volksmund „Mottenburgen“ genannt wurden, weil viele der Menschen aus dem Revier, viele Kumpel da waren, deren Lunge zerfressen war. Es gab einen Kranz von Lungenfachkliniken rund um das Revier. Ich habe einen Heidenrespekt vor den Menschen, die damals mit ihrer Kraft, mit ihrer Gesundheit dafür gesorgt haben, dass unser Land Wirtschaftsaufschwung, ein Wirtschaftswunder erleben konnte!