Protocol of the Session on February 7, 2007

Dazu wollen wir den Haftungsverbund zwischen diesen Unternehmen und dem Bergbaubereich der RAG AG auflösen. Wir wollen den Unternehmen den Weg an den Kapitalmarkt eröffnen. Wir wollen, dass diese Unternehmen in NordrheinWestfalen zukunftssichere, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen die Zukunft gestalten und nicht alleine in die Vergangenheit investieren. Wir wollen den Standort NordrheinWestfalen langfristig stärken.

Gleichzeitig wollen wir einen schon heute nahezu 60 Jahre andauernden Zustand beenden, indem wir die staatliche Unterstützung für einen Industriezweig auslaufen lassen, der seit den 50erJahren des letzten Jahrhunderts auf Subventionen angewiesen ist und nur damit sein Produkt am Markt absetzen kann. Seit 1949 erhält der deutsche Steinkohlenbergbau staatliche Unterstützung in unterschiedlichster Ausprägung und Größenordnung.

Das mag sicherlich in der Zeit des Wiederaufbaus sinnvoll gewesen sein, um den Hunger nach Energie zu stillen. Aber bis Ende vergangenen Monats, also einschließlich der Auszahlung des Plafonds für das Jahr 2006, haben sich diese Hilfen auf 126,8 Milliarden € summiert. Trotz aller direkten und mittelbaren Finanzhilfen, trotz aller Anstrengungen zur Rationalisierung und Modernisierung der Abbaumethoden ist es nicht gelungen, den Steinkohlenbergbau in Deutschland wettbewerbsfähig zu gestalten.

Um eines klarzustellen: Das ist kein Vorwurf an die Unternehmen und die vielen Menschen, die im Bergbau, in dessen Umfeld, in Forschung und Industrie arbeiten. Im Gegenteil: Ich habe größten Respekt vor der Arbeit der Bergleute, die auch heute trotz allen Fortschritts unter schwierigen, anstrengenden und teilweise gefahrenträchtigen Bedingungen sehr engagiert ihren Beruf ausüben.

Die Gründe liegen woanders: Unsere Bergleute arbeiten in Teufen von bis zu 1.500 m, um die Kohle aus Flözen mit einer Mächtigkeit von 1,5 m zu gewinnen. In Kanada wird mit Löffelbaggern

gearbeitet, deren Löffelinhalt den Ausmaßen eines durchschnittlichen deutschen Wohnzimmers entspricht. Steinkohleflöze sind dort 50 m mächtig und mit 5 m lockerem Abraum überlagert. Dies soll nur eines von vielen Beispielen sein. Die Oberfläche ist dort unbesiedelt. Damit können wir einfach nicht mithalten.

Es heißt zu Recht: Der Bergbau ist an die Lagerstätte gebunden. Dabei bleibt es. Wir können nichts an dieser Lagerstätte ändern. Deutschland ist eines der schwierigsten Kohlereviere weltweit. Wir betreiben Bergbau unter einem der am dichtesten besiedelten Ballungsräume Europas. Das müssen wir akzeptieren und die Konsequenzen ziehen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat der deutsche Steinkohlenbergbau keine Perspektive. Ehrlich gesagt: Er hat sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Steinkohle wird weltweit zu Preisen von einem Drittel der Förderkosten hier bei uns gehandelt. Da ist es ökonomisch nur sinnvoll, die Kohle am Markt zu kaufen und den eigenen Bergbau auslaufen zu lassen.

Deutsche Steinkohle trägt mit rund 21 Millionen t mittlerweile noch im einstelligen Prozentbereich zur Deckung unseres Primärenergieverbrauchs bei. Ich sehe keine Probleme, diesen Anteil langfristig durch Importkohle oder andere Energieträger zu ersetzen. Ja, man könnte sie sogar einfach durch Effizienzsteigerungen schlicht einsparen.

Es geht dabei auch um viele Fragen zur anstehenden Bewältigung der gravierenden Alt- und Ewigkeitslasten eines Industriezweigs mit 150-jähriger Geschichte in Nordrhein-Westfalen. Es geht um bedeutende fiskalische Folgen für die öffentlichen Haushalte und insbesondere für unser Land Nordrhein-Westfalen. Diese Facetten bedürfen zunächst alle einer detaillierten Betrachtung. Doch es reicht alleine nicht, auf jede einzelne Frage eine singuläre Antwort zu finden. Alle Verantwortlichen müssen sich vielmehr auf ein umfassendes Gesamtkonzept verständigen, das alle Aspekte und Konsequenzen für die einzelnen Beteiligten angemessen berücksichtigt.

Dazu haben wir durchgesetzt, dass zunächst die Fakten und Randbedingungen geklärt wurden. Kurz nach Regierungsübernahme haben wir uns darum bemüht, dass es wenigstens zu einer Bestandsaufnahme der Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus kam. Der Bund hat dies aufgenommen und in Abstimmung mit uns die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einem entsprechenden Gutachten beauftragt. Schon von dieser Gutachtenvergabe waren nicht alle begeistert. Das

Gutachten ist bekannt. Der Wirtschaftsausschuss hat darüber diskutiert. Wir klären noch unklare Sachverhalte derzeit auf und werden die offenen Fragen zügig beantworten.

Wir haben darüber hinaus eine solide Ermittlung des Wertes des Beteiligungsbereichs der RAG gefordert. Denn dies ist einer der Kernpunkte der anstehenden Entscheidungen. Durch den Erlös aus der Verwertung des weißen Bereichs der RAG soll die Bewältigung der Hinterlassenschaften des Bergbaus in Nordrhein-Westfalen und im Saarland finanziert werden. Auch hier ist der Bund unserem Vorschlag gefolgt und hat – nicht zum Vergnügen anderer Beteiligter, die hier im Saal sind – ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Zu beiden Punkten möchte ich festhalten: Die notwendige Kooperationsbereitschaft des Unternehmens, ohne die es nicht geht, war anfangs nicht besonders ausgeprägt. Entsprechende Überzeugungsarbeit war notwendig. Doch nun sehen wir klarer. Darauf werde ich noch eingehen.

Unabhängig davon, dass noch nicht alle Details abschließend geklärt sind, wurden einige grundsätzliche und bedeutende Entscheidungen unstrittig getroffen:

Erstens. Die staatlichen Hilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau werden im nächsten Jahrzehnt eingestellt werden.

Zweitens. Damit wird der deutsche Steinkohlenbergbau zu Ende kommen.

Drittens. Die damit verbundene Personalanpassung im Bergbau wird sozialverträglich gestaltet werden.

Viertens. Eine zu gründende Stiftung wird die Anteile an der RAG von den derzeitigen Gesellschaftern zum symbolischen Preis von je einem Euro übernehmen.

Fünftens. Die Stiftung stellt das vorhandene Vermögen für die öffentliche Hand zur Abdeckung der Folgen des Steinkohlenbergbaus sicher. Die Stiftung wird den Beteiligungsbereich verwerten, um liquide Mittel zu beschaffen.

Dies sind bedeutende Weichenstellungen, die insgesamt den richtigen Weg zu einer umfassenden Gesamtlösung vorgeben. So weit waren wir übrigens gemeinsam mit dem Bund, dem Unternehmen und der IG BCE schon im September letzten Jahres. Doch während die Fachleute bemüht waren, letzte Details der Eckpunkte zu erarbeiten, kam aus parteipolitischem Klienteldenken der Sockelbergbau auf die Tagesordnung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Vielleicht auch aus ehrlichem?)

Das war in der angebrachten Größenordnung – am Ende ging es noch um 1,5 % des Primärenergieverbrauchs – weder energiepolitisch noch sozialpolitisch zu begründen. Die anschließende Diskussion des letzten Vierteljahres hat die Arbeit an den wirklich wichtigen Sachfragen massiv behindert. Ohne die Sockeldiskussion wären wir heute weiter.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Aber in welcher Richtung? Näm- lich in der falschen Richtung!)

Das sollten diejenigen wissen, die für die dreimonatige Verzögerung verantwortlich sind und der Landesregierung nun Hinhaltetaktik oder Blockade vorwerfen, weil wir derzeit noch bei wichtigen Sachfragen Gesprächsbedarf sehen, der wenige Tage in Anspruch nehmen wird.

Die nun wieder erreichte Grundsatzverständigung zum Auslaufen des subventionierten Bergbaus darf nicht Anlass sein, sich zurückzulehnen und die weiteren noch offenen Fragen auszublenden.

Zur Sozialverträglichkeit: Teile der Berliner Koalition sehen die Sozialverträglichkeit des Stellenabbaus erst bei einem Ende des Bergbaus im Jahr 2018 als gesichert an. Wir sind sicher, dass auch ein schnellerer Personalabbau sozialverträglich zu gestalten ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist ja noch nicht einmal in Ihren eigenen Reihen sicher!)

Daher sehen wir ein deutlich früheres Auslaufjahr als realistisch an. Aus heutiger Sicht bedeutet ein Vorziehen des Auslaufzeitpunkts um zwei Jahre auf Landesseite eine Ersparnis an Kohlehilfen in Höhe von rund 500 Millionen €. Auch das sei hier vorgetragen. Wenn wir Geld, das wir uns leihen müssten, nicht ausgeben, kann das nur von Vorteil sein.

(Beifall von CDU und FDP)

Daran halten wir fest und haben das Jahr 2018 daher nicht als Auslaufjahr akzeptiert. Wir sehen dieses Datum lediglich als den spätesten Auslaufzeitpunkt an. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Bergbau, der länger läuft, als es sozialverträglich nötig ist, darf nicht zulasten von NordrheinWestfalen gehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Lassen Sie mich noch einen kurzen Hinweis geben. Die DSK gibt für Löhne, Gehälter, Sozialabgaben, Pensionen und Hausbrand rund 1,9 Milli

arden € aus. Das ist ja wohl Kern der Sozialverträglichkeit.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ob wir die Pensio- nen einsparen wollen?)

Nein, ich sage nur, das ist doch wohl der Kern der Sozialverträglichkeit. Frau Kraft, der Zuruf war nicht so ganz pfiffig, muss ich Ihnen sagen.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Die Antwort auch nicht!)

Dem wollte ich die Subventionszahlungen von rund 2,5 Milliarden € gegenüberstellen. Das bedeutet, 600 Millionen € sind jedes Jahr futsch, ohne dass sie mit der Sozialverträglichkeit etwas zu tun haben.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie einmal etwas zum Thema Wertschöpfung, Frau Thoben! – Weiterer Zuruf von der SPD: Haben Sie schon einmal etwas von Wertschöpfung ge- hört? – Weitere Zurufe von der SPD)

Was heißt übrigens sozialverträglich? Im Steinkohlenbergbau heißt das, dass ein Kumpel mit 55 Jahren, wenn er – wie man im Ruhrgebiet so schön sagt – „in die Anpassung geht“, auf Dauer 80 % des letzten Nettogehaltes erhält. Zusätzlich gibt es bis zum Lebensende die Deputate – übrigens bevorzugt in Geldleistungen und nicht mehr in Steinkohle.

Zur Revisionsklausel: Die Eckpunkte zur Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus enthielten seit Beginn der Gespräche eine Revisionsklausel. Sie soll die Möglichkeit offenhalten, den Auslaufbeschluss im Lichte gegebenenfalls massiv veränderter energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der Kostensituation des deutschen Steinkohlenbergbaus zu modifizieren. Dass der nun anstehende Beschluss zur Beendigung der Subventionen und zum Auslaufzeitpunkt einer erneuten Bestätigung im Jahr 2012 bedürfte, wie es nun heißt, war von uns niemals angedacht.

Zu den Alt- und Ewigkeitslasten! – Halt, die Seite ist weg.

(Zuruf)

Sie ist nicht unter Tage, Sie können ganz beruhigt sein.

Zu den Alt- und Ewigkeitslasten: In der vorletzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses habe ich die Grundannahmen und die Ergebnisse des Gutachtens der KPMG zu den Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus erläutert. Wir haben ausführlich darüber diskutiert. Weiterhin steht das ebenfalls vom Bund beauftragte Gutachten von Susat &

Equinet zur Bewertung und den Möglichkeiten der Verwertung des Beteiligungsbereichs der RAG kurz vor dem Abschluss.

Hier muss eine Verknüpfung der Ergebnisse stattfinden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein möglicher Verwertungserlös nicht ausreichend ist als Kapitalstock zur langfristigen Bewältigung des Teils der Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus, für die die RAG bislang unbestritten keine Rückstellungen bilden konnte. Für eine denkbare Deckungslücke muss Vorsorge getroffen werden. Es ist nicht mit der bestehenden Subventionspraxis bei den Kohlehilfen vereinbar, dass das Land am Ende allein die Zeche zahlt.

Wenn die SPD belastbare Erkenntnisse hat, dass es keine Deckungslücke gibt, bin ich für jeden sachlichen Hinweis dankbar. Das gilt aber nicht in dem Sinne, die Ewigkeitslasten schönzurechnen und einen Großteil der Probleme in die Zeit des aktiven Bergbaus vorzuziehen. Denn das Ergebnis dieser Milchmädchenrechnung wären deutlich höhere Kohlehilfen in den Jahren bis zum Auslaufen des Bergbaus.

Eines ist klar: Schon heute werden aus Kohlehilfen des Bundes und des Landes die Altlasten der RAG einschließlich der Rückstellungsverpflichtungen gezahlt. Dies geschieht nur nicht in dem Umfang, wie es rechtlich erforderlich wäre, hätte das Unternehmen von sich aus beschlossen, den Bergbau zu beenden. Das bedeutet: Die sich aufgrund der Stilllegung des Bergbaus ergebenden Finanzierungsnotwendigkeiten für Rückstellungsverpflichtungen für Alt- und Ewigkeitslasten sind nichts anderes als eine Kohlehilfe nach dem Ende des aktiven Bergbaus. Daher hat der Bund auch hier eine Finanzierungsverantwortung.

(Beifall von der CDU)

Dabei muss der gleiche Verteilungsschlüssel gelten, wie er heute den Kohlehilfen für den laufenden Bergbau zugrunde liegt.