Protocol of the Session on July 14, 2005

- das ist Anfang 2005 -

in seinen zusätzlichen Bewirtschaftungsbeschränkungen festgelegt, dass die im Haushalt 2005 ausgewiesenen Verpflichtungser

mächtigungen (VE) bis zur Entscheidung des Doppelhaushalts 2006/2007 höchstens bis zu 50 % in Anspruch genommen werden können sowie Barmittel vorläufig nur zu 70 % freigegeben werden.

(Zuruf von der SPD)

Der FM hat darüber hinaus in den weiteren Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2006/2007 die weitere Landeskofinanzierung für das Ziel 2 streitig gestellt. Auch wenn die EU-Programme von der aktuellen Haushaltssperre ausgenommen werden, stehen aufgrund dieser Bewirtschaftungsbeschränkung derzeit für neue Ziel-2-Projekte keine VE für 2006 mehr zur Verfügung.

(Gisela Walsken [SPD]: Neue!)

Eine Neubewilligung von Ziel-2-Projekten ist somit derzeit nicht mehr möglich.

Das ist die Realität Ihrer Regierungspolitik gewesen. Es ist eine Unverschämtheit so zu tun, als wenn wir da etwas gemacht hätten.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie kritisieren die Arbeit anderer Kolleginnen und Kollegen, anderer Politiker, unter anderem meine, als ich Bundesminister für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie war. Ich lese Ihnen jetzt einmal eine Passage auf Seite 38 des Berichts zur technologischen Leistungsfähigkeit des Jahres 2002, erstellt von meiner Nachfolgerin Frau Edelgard Bulmahn, vor:

Deutschland hat sich jedoch in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre bei FuE wieder gefangen und sich klar von den anderen großen europäischen Volkswirtschaften Großbritannien, Frankreich und Italien abgesetzt.

Das ist meine Bilanz als Minister. Sie, Frau Kraft, wären froh, wenn Sie eine solche Bilanz vorlegen könnten.

(Beifall von CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Das Interessanteste ist, dass Sie in Ihrer Rede kein einziges Wort dazu gesagt haben, dass es in diesem Land 1 Million Arbeitslose gibt - das ist die Bilanz Ihrer Arbeit, Ihrer und die anderer Kollegen -,

(Beifall von CDU und FDP)

dass es 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall an unseren Schulen gibt und dass es 110 Milliarden € Schulden gegeben hat. Das haben Sie uns hinterlassen. Wenn wir manches nicht können,

was wir gerne tun würden, dann hat das nichts damit zu tun, dass wir jetzt die Regierungsverantwortung übernommen haben, sondern es hat damit zu tun, dass Sie ein Desaster hinterlassen haben, vor allem in finanzieller Hinsicht.

(Beifall von CDU und FDP - Hannelore Kraft [SPD]: Sie haben es versprochen!)

Darüber hinaus möchte ich Folgendes erwähnen - ich habe mir das beim Plenum in der letzten Woche und auch gestern sehr genau angesehen -: Es gibt im Parlamentarismus, vor allem im deutschen Parlamentarismus, einige Usancen, an der sich in den letzten 50 Jahren bisher alle, unabhängig von Parteien und Situationen, gehalten haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass sich die abgewählten Minister auf der Oppositionsbank nicht mehr zu den Themen, für die sie zuständig waren, äußern und dort die Speerspitze der Opposition bilden.

(Beifall von CDU und FDP - Zuruf von Han- nelore Kraft [SPD])

Bei Ihnen sind es inzwischen fünf Minister einer gescheiterten, abgewählten Regierung, die jetzt meinen, den neuen Kolleginnen und Kollegen sagen zu müssen, was sie zu tun haben. Sie, Frau Kraft, haben kein Recht dazu, den neuen Kolleginnen und Kollegen irgendetwas vorzuwerfen. Das ist kein guter Stil.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Natürlich wissen wir, woran es liegt, dass Sie diesen Ton anschlagen, übrigens im Unterschied zu Frau Löhrmann. Das hat einfach damit zu tun, dass Sie sich in Ihrer Fraktion natürlich darum bemühen müssen, überhaupt die notwendige Zustimmung zu bekommen. Sie hatten angekündigt, die Fraktionsführung zu verkleinern: vier und ein Balkon. Ich weiß zwar nicht, wer da wie in der Muppet Show auf den Balkon sollte - vielleicht die alten Minister, die immer nur mit dem Kopf wackeln und sagen, was falsch ist -,

(Zuruf von der SPD: Regierungserklärung!)

aber am Schluss sind sieben Stellvertreter herausgekommen. Das ist bei Ihnen passiert. Oder Ihr Streit über die Mehrwertsteuer mit meinem Vorgänger, Herrn Steinbrück! Nur mit Mühe konnten Sie sich und damit den Kurs der Ablehnung durchsetzen, während er Sie gewarnt und gesagt hat: Wir haben noch vor wenigen Wochen etwas anderes vertreten. - So, Frau Kraft, macht man keine stringente Politik. Sie übertönen durch Frechheit, durch Lautstärke das, was man an innerer Substanz in der Politik nicht hat.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP - Rainer Schmeltzer [SPD]: So laut wie Sie ist hier niemand!)

Kommen wir jetzt zu den einzelnen Themen: Sie haben beim Plenum in der vergangenen und in dieser Woche versucht - Kollege Stahl hat das ja bereits angesprochen -, mit namentlichen Abstimmungen über Anträge herauszufinden, wo es einen kleinen Riss zwischen den Koalitionsfraktionen gibt. Damit das völlig klar ist - vielleicht ist das ja für Sie neu -: Es ist eine Koalition, die aus zwei selbstständigen Parteien gebildet ist. Diese Parteien sind mit einer eigenständigen Programmatik in den Wahlkampf gegangen. Diese Parteien haben nicht vor, nur, weil sie jetzt einen Koalitionsvertrag gemacht haben, ihre politischen Überzeugungen aufzugeben.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Die eine Möglichkeit haben Sie, Rot-Grün, uns in den letzten Jahren vorgemacht: Sie haben sich gestritten. Ich will das gar nicht kritisieren. Wir haben das damals kommentiert und darauf hingewiesen, dass eine so zerstrittene Koalition nichts Gutes für das Land bewirken kann. Das ist aber Vergangenheit.

Jetzt kommt es mir auf den Stil an: Sich hier ans Rednerpult zu stellen - übrigens so, wie im Innenministerium damals festgehalten worden ist, wie man Fragen der Opposition beantwortet, nämlich kurz und frech - und so zu tun, als ob Sie einer Meinung seien, als ob immer alles völlig klar sei und zwischen Ihnen kein Blatt Papier passt. Das war damals schon nicht wahr und jeder wusste es.

Bei uns gibt es Themen, bei denen wir wirklich einer Meinung sind; das steht in der Koalitionsvereinbarung. Es gibt aber auch einige Dinge, bei denen wir nicht einer Meinung sind. Im Unterschied zu Ihnen haben wir aber die Kraft und den Mut, das festzuschreiben und zu sagen, dass es Themen gibt - zum Beispiel der Ladenschluss; gestern haben wir darüber diskutiert -, über die wir uns in dieser Koalition nicht verständigen können. Herr Kollege Brockes hat das dargelegt. Wir haben ein Problem bei der Einschätzung, ob die Videotheken geöffnet sein sollten. Verflixt noch mal: Wenn das das einzige Problem ist, was diese Koalition hat, dann werden wir lange, lange regieren.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Oder genauso bei der Mehrwehrsteuer: Beide Koalitionsfraktionen - auch ich persönlich - haben schon in den Koalitionsverhandlungen gesagt, dass wir uns mit dieser Geschichte unglaublich

schwer tun. Ich stehe auch heute hier und sage: Mir fällt das ungeheuer schwer,

(Zuruf von der SPD: Oh!)

weil ich natürlich wie jeder hier im Raum weiß, dass wir eine wirtschaftlich schwierige Situation haben und dass Steuererhöhungen in einer solchen Situation immer problematisch sind. Wer etwas anderes behauptet, der weiß entweder nicht, wovon er redet, hat keine Ahnung von Wirtschaftspolitik oder sagt die Unwahrheit - eines von den dreien.

Wir haben eine Debatte geführt um ein Wahlprogramm der CDU und CSU in Berlin und München - übrigens keine Debatte, die zum jetzigen Zeitpunkt die Landesregierung oder dieses Parlament an irgendeiner Stelle zuständigkeitshalber oder existenziell betrifft, außer dass wir im Vorwahlkampf sind. Daher stammt die Idee; ich habe dabei gesessen, denn ich bin stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Ich habe öffentlich gesagt: Ich habe Probleme damit, denn es könnte sein - und das sagt jeder Wirtschaftswissenschaftler -, dass diese Erhöhung, wenn man sie falsch macht, viele Arbeitsplätze kostet. Dann ist über diese Frage diskutiert worden. Es hat sich herausgestellt: All das, was nun jeder zumindest in der Überschrift fordert, nämlich dass die sozialen Sicherungssysteme wenigstens ein Stück weit stärker vom Faktor Arbeit abgekoppelt werden müssen, damit neue Arbeitsplätze in diesem Land und damit auch in Nordrhein-Westfalen entstehen, kann man nicht finanzieren - sei es in der Frage Rente, sei es in der Frage Pflege, sei es in der Frage Gesundheit, sei es in der Frage Arbeitslosenversicherung. Wenn man das anpacken will, braucht man eine solche Mehrwertsteuererhöhung.

Es gibt auch Wirtschaftswissenschaftler, die sagen: Wenn ihr es richtig macht, könnt ihr den vielleicht negativen Effekt auf die Arbeitsmarktsituation dadurch kompensieren, dass ihr dieses Geld einsetzt, um genau diese Abkopplung zu erreichen. Deshalb ging der Kampf, an dem ich mich beteiligt habe, darum - wenn die Mehrwertsteuer denn sein muss -, ein Gesetz für die Senkung der Arbeitslosenversicherung um ebenfalls 2 Prozentpunkte zu schaffen - zwei Punkte Mehrwertsteuer, zwei Punkte Arbeitslosenversicherung.

Dann blieb noch ein dritter Punkt übrig, der mich nun unmittelbar als neuer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen interessiert hat. Es ging

nämlich um die Frage, wie die Verteilung zwischen Bund und Ländern erfolgen soll - so, wie sie im Grundgesetz und in den Folgegesetzen festgelegt ist, oder ob wir mit Zustimmung der Länder mehr für die Abkopplung vom Faktor Arbeit und damit für die Reform der sozialen Sicherungssysteme zur Verfügung stellen wollen. Bei dieser Frage war ich nun allerdings der Auffassung, dass nicht das ganze Geld - wenn es denn kommt - an den Bund gehen soll. Auch hier bei uns im Lande Nordrhein-Westfalen sollte zumindest ein Teil des Geldes zur Verfügung stehen, um Maßnahmen für Investitionen und Innovationen hier bei uns im Land zu ergreifen. Denn auch dies ist, wie jeder weiß, wichtig für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.

Ich glaube, es war richtig, mich dazu zu bekennen, dass ich dafür gekämpft habe. Auch wenn es nicht geklappt hat, denn die anderen waren anderer Meinung, habe ich aber dafür gesorgt, dass dadurch keine Arbeitsplätze verloren gehen und wir hier in Nordrhein-Westfalen selber in neue Arbeitsplätze und in Innovationsmaßnahmen investieren können, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Und jetzt können Sie sagen, was Sie wollen. Vielleicht nehmen Sie es irgendwann einmal zur Kenntnis, dass es Ihr Ministerpräsident Peer Steinbrück war, der mich noch vor wenigen Wochen und über lange Zeit immer wieder aufgefordert und 1998 gesagt hat: Am realistischsten erscheint mir eine Mehrwertsteuererhöhung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode.

(Zuruf von der SPD: Eben, 1998!)

Frau Kraft und Frau Löhrmann, wenn man eine solche Debatte führt, muss man vielleicht auch die Kraft haben, sie offen zu führen. Ich habe keine Probleme damit, mich hierhin zu stellen und zu sagen, wie diese Debatte abgelaufen ist. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die schon kurz nach der Geburt immer eine Antwort auf alle Fragen hatten und die dann in der Konsequenz immer sagen: Das, was ich heute vortrage, war schon damals vor 50 Jahren so angelegt.

(Zuruf von der SPD: Kurz nach der Geburt sollte man dem Kind auch einen Namen ge- ben!)

Ich kann auch dazu lernen, und ich kämpfe auch eine Sache durch. Wenn Sie zu den anderen gehören, dann tun Sie mir Leid, denn es ist unmenschlich, wenn Sie das für sich in Anspruch nehmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Da wir jetzt gerade einmal dabei sind, wollen wir uns einmal anschauen, wie denn die finanzielle Lage dieses Landes aussieht. Das wollen wir doch einmal genau festhalten, damit es auch nicht verloren geht: 110 Milliarden € Schulden des Landes; in Ihren letzten fünf Jahren allein 30 Milliarden € neue Schulden, ohne dass die Arbeitslosigkeit signifikant nach unten gegangen ist. Wir haben alleine im Jahre 2004 eine Nettoneuverschuldung von mehr als 6,8 Milliarden € gehabt. Das bedeutet umgerechnet, dass das Land in den letzten Jahren jede Minute 13.000 € oder fast 19 Millionen € pro Tag neue Schulden gemacht hat. Das sind inzwischen 13 Millionen € Zinsen jeden Tag, die das Land den Banken bringt - Geld, das fehlt, um in Schulen, in Lehrer, in Kindertagesstätten, in Innovationen, in Infrastruktur und in Polizeiausstattung investiert zu werden. Sie waren diejenigen, die das Geld zur Bank gebracht und es nicht für die Zukunft dieses Landes investiert haben.

(Beifall von CDU und FDP)