- Haben Sie eben nicht gesagt. Sie haben nur die zwei Themen genannt; aber wie es gehen soll, haben Sie nicht gesagt.
Fragen wie der geringe Anteil von Frauen an Führungspositionen, in den Hochschulen an Professuren, zu den äußerst geringen Chancen von Migrantinnen, die Alleinzuständigkeit von Frauen für Betreuungs- und Pflegeaufgaben in den Familien - kein Wort. Antworten auf die drängenden Fragen der Frauenpolitik - Fehlanzeige.
Sie wissen es doch besser, und wir alle wissen es doch besser, hoffentlich zumindest. Unsere Demokratien gründen sich auf die Werte der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder Geschwisterlichkeit. Diese Werte gehören zusammen; sie sind gleichwertig.
Eine andere große Errungenschaft der Aufklärung war es gerade, das wichtige Wertefundament unserer Gesellschaft nicht mehr religiös zu begründen, sondern republikanisch. Die „res publica“ ist ein ganz wichtiges Ergebnis.
Vor diesem Hintergrund empfinde ich Ihre Aussagen zu einer vermeintlich notwendigen Rückbesinnung auf ein christlich-jüdisch-abendländisches Wertefundament als sehr problematisch. Wenn man sich an Ihre Ausrutscher bei Michel Friedmann erinnert, ist man gerade bei Ihnen sehr vorsichtig, wie Sie das denn genau meinen. Sie verkennen und leugnen damit die islamischen Wurzeln, den wichtigen islamischen Beitrag zur Entwicklung der europäischen Kultur und Wissenschaft. Ich empfehle Ihnen: Nehmen Sie Lessings „Nathan der Weise“ und Feuchtwangers „Jüdin von Toledo“ mit in die Ferien.
Sie verkennen damit außerdem die Realität in unserem Land. Der Islam ist nach dem Christentum die zweite große Weltreligion in Deutschland.
Wir Grüne sind sehr für Werteorientierung zu haben, aber lassen Sie uns doch bitte entlang der Werte der Verfassung diskutieren und nicht entlang der Religionsgrenzen. Das verursacht nur Missverständnisse.
Umso mehr habe ich mich gefreut, Herr Minister Laschet, dass Sie unseren Vorschlag, einen geregelten Dialog mit den Muslimen unseres Landes zu institutionalisieren, so positiv aufgegriffen haben. Es hilft alles nichts: Auch unser Land ist multikulturell. Das weiß auch Herr Wittke, der jetzt leider nicht da ist, aus Gelsenkirchen.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, verabschieden Sie sich doch insgesamt endlich von Ihrer Lebenslüge. Wir dürfen Interkulturalität und Multireligiosität nicht leugnen, wir müssen sie im Sinne der Menschen in unserem Land gestalten.
Herr Laschet, wir bestärken Sie auch in Ihrer Auffassung zur Mehrsprachlichkeit. Herr Dr. Rüttgers, bei allem Respekt: Die Muttersprache bleibt die Muttersprache. Das gilt für einen nach Amerika ausgewanderten Sauerländer genauso wie für die bei uns zugereiste Türkin. Natürlich müssen beide die Sprache des Landes beherrschen, in dem sie leben, lernen und erfolgreich sein wollen. Das eint uns. Aber lassen Sie doch an dieser Stelle diese irreführende Symbolik und Rhetorik. Sie versperrt im Grunde nur den Blick auf die Lösung der Probleme.
Meine Damen und Herren, 39 Jahre CDUOpposition. Das heißt, Sie hatten 39 Jahre Zeit, ein konkretes realistisches Regierungsprogramm zu entwickeln.
Nach Ihrer Regierungserklärung, Herr Dr. Rüttgers, kann ich nur sagen: Genug war wohl doch nicht genug!
Ihre Politik ist in uraltem Denken gefangen. Wo Innovation draufsteht, ist Rückschritt drin. Wo Freiheit und Selbstbestimmung draufsteht, ist Gängelung und Misstrauen drin. Wo Wettbewerb draufsteht, ist Lobbypolitik alten Stils drin. Denn da, wo Wettbewerb wirklich Sinn macht, zum Beispiel im Energiesektor, kneifen Sie oder stützen mit Ihrer Politik das Oligopol der Stromkonzerne.
Ihre Regierungserklärung ist das Gegenteil von Zukunft und Aufbruch. Der Kurs der neuen Landesregierung heißt: Schluss mit ökologischer Innovation, zurück zu den technologischen Dinosauriern. Klimaschutz ist Luxus. Abbau von Bürgerrechten und Sicherheit durch Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Mehr Bildung für wenige. Wer aus dem falschen Milieu kommt, hat eben Pech gehabt.
Meine Damen und Herren, diese Politik missachtet alles, was für die Zukunft unseres Landes wichtig ist. Ihre Politik ist gekennzeichnet durch Rückschritt, Seitschritt, Zickzack - nur kein Fortschritt!
In der Innenpolitik herrschen Stillstand und Mutlosigkeit. Eine richtungweisende Polizeistrukturreform, wie sie alle anderen Bundesländer bereits umgesetzt haben, opfern Sie den Lobbyinteressen Ihrer Landräte.
Die Reform des öffentlichen Dienstes bleibt liegen. Die Ergebnisse der Bull-Kommission verschwinden in der Schublade. So verhindern Sie die langfristige Handlungsfähigkeit unserer Verwaltung. Hinsichtlich der finanziellen Sanierung des Haushaltes ist das ein wichtiger Punkt, den Sie aufgreifen müssten, damit Sie das Ziel der Haushaltskonsolidierung auch nur ansatzweise erreichen können.
Gerade die FDP, die sich hier gerne als „Tempo! Tempo!“-Partei darstellt, steht mit beiden Füßen auf der Bremse.
Aber bei Ihnen hören wir nur wohlfeile Absichtserklärungen und Prüfaufträge. Ansonsten ist da, wo Bürokratieabbau draufsteht, der Abbau von Sozial- und Umweltstandards drin.
Und: Soll der Verweis auf das Vetorecht der SPD bei der Reform der Mittelebene die Totenglöckchen läuten, eh es so richtig angefangen hat? - Wer jetzt die Posten der Regierungspräsidenten noch neu besetzen will, zementiert den Status quo.
Meine Damen und Herren, bei der Verwaltungsstrukturreform kommt es mir vor, als wollten die Koalitionäre eine neue olympische Disziplin einführen: die Meisterschaft im Zurückrudern. Da haben Sie gute Medaillenchancen; denn Sie scheinen schneller zurück als andere nach vorn rudern zu können.