Protocol of the Session on December 21, 2006

Sie sprachen davon, dass es diese wunderbaren Steuermehreinnahmen. Zu Recht ist die Frage gestellt worden, an welcher Stelle Sie etwas damit zu tun haben. Ich kann Ihnen sagen: Sie haben damit gar nichts zu tun.

(Christian Lindner [FDP]: Haben Sie denn etwas damit zu tun?)

Selbst in der konservativen „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ist gesagt worden, dass die technologischen Innovationen, insbesondere, was die Energieeinsparung betrifft, wichtig waren. Dazu habe ich in der Vergangenheit von Ihnen nichts gehört. Ganz andere haben dafür gesorgt, dass wir Rohstoffe einsparen und sorgsam mit den Rohstoffen umgehen. Unsere technologischen Entwicklungen waren so gut, dass sie weltweit exportiert werden. Das ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass die deutsche Wirtschaft im Augenblick auf den Weltmärkten so erfolgreich ist und dass wir so hohe Steuereinnahmen haben.

(Christian Lindner [FDP]: Das hängt vor al- lem mit der Weltwirtschaft zusammen!)

Es hängt auch mit der Weltwirtschaft zusammen. Aber wir können in der Weltwirtschaft nur erfolgreich sein, wenn wir technologisch etwas anzubieten haben. Die erwähnte konservative Zeitung sagt, dass von uns in großem Maße Umwelttechnologien angeboten werden. Dass Sie, Herr Lindner, sich trauen, das Wort Umwelt in den Mund zu nehmen – die FDP hat in der Vergangenheit mit dem Thema Umwelt überhaupt nichts zu tun gehabt; das muss man einmal so deutlich sagen –,

(Beifall von Barbara Steffens [GRÜNE])

ist schon bemerkenswert.

(Gisela Walsken [SPD]: Totalausfall!)

Ein Totalausfall, genau, Frau Walsken.

(Christian Lindner [FDP]: Wir haben schon Umweltpolitik gemacht, da gab es die Grü- nen noch gar nicht! – Gegenruf von Gisela Walsken [SPD]: Sie auch nicht!)

Interessant. Dass die Grünen so erfolgreich waren, ist schon auf bestimmte Dinge zurückzuführen.

„Versprochen – gebrochen“ wird auch im Haushalt 2007 deutlich. Der Haushalt 2007 ist eine Ansammlung von Pleiten und Pannen. Er ist unsozial; er ist ungerecht. Er ist vor allen Dingen nicht zukunftsfähig, weil unökologisch. Selbst Experten bescheinigen CDU und FDP bei den Anhörungen, dass Sie keine Konzepte haben und sie, die Experten, zum Teil wegen der Kurzfristigkeit noch nicht einmal zu dem, was vorgelegt worden ist, Stellung beziehen können.

Die zweite Ergänzungsvorlage wurde uns vorgelegt.

(Christian Lindner [FDP]: Mir ist schlecht!)

Was, Ihnen ist schlecht? Gehen Sie doch raus!

(Gisela Walsken [SPD]: Wir können auch Erste Hilfe leisten!)

Herr Lindner, Ihre Sprüche... – Beim Justizvollzug haben die Experten festgestellt: kein Konzept. Das gilt auch für die Verwaltungsstrukturreform: kein erkennbares Konzept. Ihre Personalpolitik ist schlichtweg eine Katastrophe.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

Das sagt zum Beispiel die Gewerkschaft der Polizei; das kann man heute in den Zeitungen lesen. Das sagen die Personalräte und die Steuergewerkschaft. Sie alle sagen: Ihre Personalpolitik ist schlichtweg katastrophal.

Herr Rüttgers weckt hohe Erwartungen. Allerdings ist er nicht das soziale Gewissen, auch wenn er verspricht, dass Änderungen bei Hartz IV kommen sollen. Nur: Leider passiert da überhaupt nichts. Die Forderungen, die er aufstellt, gehen vor allem zulasten der jungen Leute und der Familien mit Kindern. Das Land ist nicht sozialer, sondern unsozialer geworden. Statt sozialer Wohltaten geht immer mehr die Angst um, als Nächster betroffen zu sein. Die soziale Kälte in diesem Winter trifft alle mehr als die tatsächlichen Temperaturen.

Sie kürzen bei den Armen und Schwächeren, obwohl sie sowieso wenig haben. Auf der anderen Seite finanzieren Sie Vergangenheit, wie etwa bei den Landwirtschaftskammern oder beim Flughafenausbau. Das heißt, statt in die Zukunft zu investieren – Herr Klein hat gesagt, man muss in die Köpfe investieren –, tun Sie genau das Gegenteil und investieren rückschrittmäßig in veraltete Dinge. Sie fördern die Ministerialbürokratie bei

der Landwirtschaftskammer oder die Konkurrenz der einzelnen Flughäfen, indem Sie zum Beispiel Millionen in den Flughafen Münster/Osnabrück stecken.

Im Gegensatz dazu ist grüne Politik auf die Zukunft ausgerichtet. Der grüne Entwurf zum Haushalt ist solide, sozial gerecht und vor allem langfristig nachhaltig. Herr Klein, im Übrigen sind wir noch einmal deutlich unter dem geblieben, was Ihr Finanzminister als Konzept vorgeschlagen hat. Jeder der über 70 Vorschläge – im letzten Jahr waren es über 130 – ist gegenfinanziert.

(Christian Lindner [FDP]: Steinkohle!)

Genau, Steinkohle ist ein wichtiges Thema. – Wir müssen bei den Steinkohlesubventionen einsparen. Denn wir müssen bei den Regenerativen etwas tun und viel investieren. Das ist der entscheidende Punkt, Sie tun das nicht.

Sie fördern auch die Jugendlichen nicht. Sie tun nichts, um ihre Zukunftschancen zu erhöhen. Dazu ist im Gegensatz zu dem, was im Umweltbereich passiert, schon eine Menge gesagt worden. Es gilt also weiterhin: Rinder statt Kinder. Hierzu lauten die Stichworte: Landwirtschaftskammer und Landesjugendplan.

Der folgende Text, den die Kommune Rheine – ich komme aus dem Münsterland – verabschiedet hat, zeigt, wie Sie mit den Kommunen umgehen:

Das Land spart auf Kosten der Städte und Gemeinden. Trotz dieser deutlich verbesserten Finanzsituation, die es auch ermöglicht, den Schuldenanstieg des Landes zu bremsen, will die Landesregierung den Kommunen zusätzliche Konsolidierungsbeiträge auferlegen, die auch in unserer Stadt erhebliche negative Auswirkungen haben.

Genannt wird da zum Beispiel:

Die Beteiligung an der Grunderwerbsteuer mit 162 Millionen € wird gestrichen, die Beteiligung der Kommunen an der Krankenhausfinanzierung mit 110 Millionen € mehr als verdoppelt und die Förderung der Weiterbildungsträger um rund 18 Millionen € gekürzt.

Das ist Ihre Politik. Darüber regen sich, wie ich finde, zu Recht selbst Ihre eigenen Leute in den Kommunen auf.

Ich will noch einige Sachverständige aus den Anhörungen zu Wort kommen lassen. Dr. Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaft hat dargelegt:

Wir hatten uns kritisch positioniert, als es um die Diskussion der Mehrwertsteuer ging, waren gegen die Mehrwertsteuererhöhung und sind es nach wie vor. Wir fühlen uns auch bestätigt durch die Entwicklung, die Herr Gebhardt skizziert hat, was die wirtschaftliche Entwicklung und im Gefolge die Steuereinnahmen betrifft. Man hätte – das war die Argumentation – die Verschuldungsgrenzen, die Maastricht-Kriterien, auch eingehalten, hätte man nicht die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung zur Verfügung.

Genau das ist aber Ihre Politik. Sie beklagen sich in Berlin, rechnen aber all das mit ein. Ihre Entlastung des Haushalts kommt dadurch zustande, dass Sie die kleinen Leute durch die Mehrwertsteuererhöhung zusätzlich belasten. Das ist die Konsequenz dieser Politik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Frau Dr. Christiane Rühl vom Landkreistag NRW hat Folgendes ausgeführt:

Die Situation der Kommunalfinanzen ist nach wie vor prekär. Sie ist Ihnen allen hinlänglich bekannt. Ich verzichte deshalb an dieser Stelle darauf, die Zahlen im Einzelnen zu nennen. Wir haben leider keine Nettoverbesserung im GFG 2007 im Verhältnis zu 2006 zu verzeichnen.

Auch das ist eine ganz klare Positionierung.

Ernst Giesen, Städte- und Gemeindebund NRW, sagt:

Ich will darauf hinweisen, die kommunale Finanzsituation ist nach wie vor desolat. 197 Kommunen sind inzwischen in der Haushaltssicherung. Nur noch 7,5 % der Kommunen, das sind 32 Kommunen, haben einen ausgeglichenen Haushalt. Das spricht eigentlich Bände.

Oder zum Beispiel Michael Szentei-Heise von der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zum Spiel 77:

Bis jetzt war es so, dass die Mittel von der Lotterie-Gesellschaft direkt den Destinatären zugeflossen sind und diese in verschiedenen Kontexten die zufließenden Mittel als Eigenmittel deklarieren und einsetzen konnten. Die Absicht ist jetzt, diese Mittel in den Landeshaushalt aufzunehmen. Dies würde das komplett torpedieren und wegfallen lassen.

Auch das ist eine ganz klare Positionierung.

Als Letzten möchte ich Gerhard Stranz von den Waldorfkindergärten zitieren:

Zur Frage der Elternbeiträge möchte ich an einer anderen Stelle deutlich machen, dass es eine unsägliche Situation ist. Wenn es passiert, dass durch die Elternbeitragsregelung – wir haben in einem gemeinsamen Gespräch der Landesjugendämter von Fällen gehört, dass mehrere Eltern ihre Kinder abgemeldet haben – Kindern Bildungschancen vorenthalten werden, ist das eine Kindeswohlgefährdung.

Ich glaube, das spricht für sich und macht sehr deutlich, wie die Situation ist.

Ich möchte noch darauf eingehen, welche Mehreinnahmen wir hier erzielen können. Es ist einfach wichtig, dass wir nicht nur auf die Ausgabenseite schauen und dort reduzieren, sondern dass wir uns auch mit der Einnahmenseite beschäftigen. Herr Kaldenhoff, Vertreter der Deutschen Steuergewerkschaft, hat in der Anhörung sehr deutlich gemacht, dass dort Personal fehlt. Er sagt:

Wir müssen die Zahl der Betriebsprüfer, Umsatzsteuersonderprüfer und Lohnsteueraußenprüfer dringend aufstocken.

Genau das Gegenteil machen Sie. Sie kürzen in diesem Bereich weiter. Das heißt, genau bei dem Personal, das dafür sorgt, dass das Land mehr Steuereinnahmen hat und dass sich die Situation tatsächlich verbessern wird, kürzen Sie massiv. Das ist ganz deutlich geworden.

Alle Experten, die an der Anhörung teilgenommen haben – auch der Vertreter der Deutschen Steuergewerkschaft –, haben gesagt, dass sich die Steuereinnahmen durch jeden Prüfer, der zusätzlich eingesetzt wird, um 500.000 bis 1 Million € erhöhen. Es geht um die Steuern von Unternehmen, die dazu verpflichtet sind, sie zu zahlen. Die lassen Sie aber laufen und sorgen auf diese Weise nicht dafür, dass der Landeshaushalt entsprechend ausfinanziert wird. Das ist die reale Situation in diesem Land.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)