Meine Damen und Herren, den Schulen in freier Trägerschaft werden wir ein verlässlicher Partner sein. Mit dem In-Kraft-Treten der ersatzschulfinanzrechtlichen Vorschriften des Schulgesetzes zum 1. Januar 2006 wird das alte Niveau der Ersatzschulförderung für die Zukunft wieder festgeschrieben.
Die weitreichende Freiheit der Schulen in neuer Selbstverantwortung wird zur Ausbildung besonderer Profile und Schwerpunkte führen. Meine Damen und Herren, dadurch bekommen wir die Vielfalt, die unser Schulwesen in NordrheinWestfalen braucht, um auch im internationalen Vergleich wieder Spitze zu werden.
Unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen, meine Damen und Herren, sollen auch international Spitze sein. Wir werden baldmöglichst ein Hochschulfreiheitsgesetz vorlegen. Freiheit und Wettbewerb werden die Leitmotive dieses Gesetzes sein. Die Hochschulen bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, werden jedoch keine staatlichen Anstalten mehr sein.
Die Landesregierung wird es den Hochschulen ermöglichen, Studienentgelte bis zu einer Obergrenze von 500 € pro Semester zu erheben. Die zusätzlichen Einnahmen verbleiben ausschließlich an den Hochschulen.
Wer Studienentgelte bezahlt, muss allerdings auch gute Studienbedingungen vorfinden. Die Angebote der Hochschulen müssen es jedem Studenten ermöglichen, sein Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. Wir werden dafür sorgen, dass niemand in Nordrhein-Westfalen vom Studium abgehalten wird. Deshalb können neben der Berücksichtigung sozialer Aspekte die Studienentgelte nachgelagert entrichtet werden.
Meine Damen und Herren, nordrhein-westfälische Hochschulen, die am nationalen Exzellenzwettbewerb mit Erfolg teilnehmen, werden die vorgesehene Kofinanzierung aus dem Landeshaushalt erhalten.
Den Beitrag des Landes Nordrhein-Westfalen zu dem gleichfalls unlängst beschlossenen nationalen Pakt für Forschung werden wir ebenfalls sicherstellen.
Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen noch internationaler werden, um im globalen Wettbewerb besser bestehen und um für Nordrhein-Westfalen die besten Köpfe gewinnen zu können. Technologischer Fortschritt kann nur mit gut ausgebildeten, kreativen Köpfen entstehen.
In einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft sollten die öffentlichen und privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung wenigstens 3 % des Bruttoinlandsprodukts betragen. Wir betrachten es als eine vordringliche Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen; auch hier wissen wir, wie schwer das ist.
Nordrhein-Westfalens F+E-Quote liegt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mit 1,8 % seit Jahren unterhalb des Bundesdurchschnitts. Vor allem im privaten Sektor - und da liegt der Hauptgrund - müssen hier erhebliche Anstrengungen unternommen werden.
Aufgaben und Ziele des neuen Innovationsministeriums sind klar: Lehre und Forschung in Nordrhein-Westfalen auf ein exzellentes Niveau zu heben, den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erheblich zu intensivieren und die technologische Entwicklung in unserem Land zu fördern. Auch dabei verabschieden wir uns von Regelungsfantasien, die von der staatlichen Planbarkeit der Zukunft ausgehen. Technologische Fortschritte und Revolutionen sind nicht, meine Damen und Herren, das Ergebnis von F+ERichtlinien staatlicher Innovationsbüros. Sie werden eingeleitet von neugierigen und kreativen Menschen und wagemutigen Unternehmern, die sich die Freiheit zu etwas Neuem genommen haben.
Zukunft kann man nicht planen, sondern Zukunft muss man möglich machen. Wir werden in den Dialog mit den überregionalen Forschungsorganisationen eintreten, um die Ansiedlung weiterer Forschungseinrichtungen in Nordrhein- Westfalen zu erreichen.
Die Forschungsförderung wird konzentriert und zielt auf die Stärkung von Stärken ab. Fördermittel werden wir wettbewerblich und zeitlich befristet vergeben. Ihre Vergabe erfolgt durch Experten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.
Wir wollen die Innovationspolitik auf Felder konzentrieren, auf denen unser Land besonders leistungsfähig ist, damit Wachstum und neue Arbeitsplätze gezielt und nachhaltig entstehen. Und zu den Stärken zählen die Felder Life Sciences, Zukunftsenergien, Nano- und Mikrotechnologien, neue Materialien und Werkstoffe, Nachrichtentechnik, Ernährungswirtschaft.
Die Landesregierung wird zur nachhaltigen Förderung von Exzellenz in Wissenschaft und Forschung einen landesweiten Innovationsfonds auflegen, der sich aus Privatisierungserlösen speist.
Über die Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit Nordrhein- Westfalens werden wir jährlich einen Bericht vorlegen.
So entsteht mehr Wissen. Und durch mehr Wissen und mehr Arbeit entstehen dann auch Innovationen, und Nordrhein-Westfalen wird ein Hightechland.
Meine Damen und Herren, die dritte große Herausforderung neben Globalisierung und Wissensgesellschaft ist die demographische Entwicklung. Unsere Gesellschaft verändert sich. Wir werden weniger sein. Unsere Gesellschaft wird älter, aber auch vielfältiger und bunter. Es wird in unserem Land künftig sehr viel mehr alte Menschen, mehr Frauen als Männer und mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben. Das hat nicht nur Folgen für die Sozialsysteme. Auch das Zusammenleben der Generationen wird sich wandeln.
Die Politik darf die Herausforderungen der demographischen Entwicklung nicht länger ignorieren. Wir stellen uns diesen Herausforderungen und wollen den Prozess aktiv gestalten, seine Chancen nutzen und seine Risiken minimieren. Der Zusammenhalt der Generationen und das Gelingen der Integration sind für die Zukunft unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren, entscheidend.
Ich habe deshalb ein Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration gebildet. Unser Ziel ist eine neue Kultur der Verantwortung nach den Prinzipien der sozialen Ordnungspolitik.
Dabei geht es uns um Gerechtigkeit und Teilhabe für alle Generationen, um gleiche Chancen für Männer und Frauen, um gleiche Chancen für Einheimische und Zugewanderte, um neue Perspektiven für Junge und Alte sowie um den Abbau von Ausgrenzung und Diskriminierung.
Wir wollen die Familien stärken. Familien sind das sichere Band, das die Generationen zusammenhält. Sie sichern unsere Zukunft. Die Bindung und die Zuwendung in einer intakten Familie geben den Menschen Halt. Hier erhalten Kinder die wichtigste Prägung für ihr weiteres Leben. Hier erfahren ältere Menschen Begleitung und Unterstützung. Die Familie ist und bleibt die verlässlichste Lebensform.
Aber von den Familien wird in steigendem Maße Flexibilität und Mobilität in der Gestaltung des Alltags erwartet, und sie werden damit häufig überfordert. Die Folge ist: Immer mehr Menschen verzichten auf Kinder. Wir müssen die Rahmenbedingungen für Familien so verbessern, dass die Menschen wieder mehr Mut haben, ihre Kinderwünsche zu verwirklichen.
Ein Land ohne Kinder hat keine Zukunft. Kinder sind das Allerwichtigste. Kinder sind eine emotionale Bereicherung. Kinder sind die Garanten für eine stabile wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Ein familienfreundliches und kinderreiches Land ist ein Land, in dem man sich wohl fühlt.
Kinder brauchen Aufmerksamkeit. Sie müssen gefördert und auch gefordert werden. Viele Kinder sind heute aber sich selbst überlassen. Ihnen fehlen Anregung und Anleitung. Das trifft oft Kinder, deren Eltern dauerhaft von Sozialhilfe abhängig sind. Ihr Lebensunterhalt ist gesichert, aber ihre Lebenschancen drohen zu verderben. Wir können uns Gleichgültigkeit nicht leisten. Wir müssen deshalb mehr tun und auch neue Wege gehen.
Wir wollen Tageseinrichtungen für Kinder zu Familienzentren weiterentwickeln. Aufgrund des Rückgangs der Kinderzahl werden bis zum Ende dieses Jahrzehnts rund 3.000 Gruppen in den 9.500 Kindertageseinrichtungen unseres Landes frei. Wir wollen die Schließung von Kindergärten, wo immer möglich, vermeiden. Wir wollen, dass sie deshalb neue Aufgaben übernehmen. Nach Auffassung der Landesregierung gibt es bis 2012 einen Bedarf von rund 50.000 Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren und einen Bedarf von weiteren 20.000 Plätzen bei Tagesmüttern und vätern.
Wir werden durch eine Änderung des Gesetzes über die Tageseinrichtungen für Kinder die Kommunen in die Lage versetzen, ein entsprechendes Angebot in den frei werdenden Kindergartengruppen zu schaffen. Wir werden die Kommunen von möglichst vielen Bau- und Betriebsstandards befreien. Damit schaffen wir Schritt für Schritt eine Steigerung der Betreuung der unter Dreijährigen von heute 2,8 auf 20 %. Das ist unser Ziel, das setzen wir um.
Die Kindergärten sollen Knotenpunkte in einem neuen Netzwerk werden, das Familien umfassend berät und unterstützt. Neben ihrem Auftrag als Einrichtungen zur Erziehung und Betreuung von unter dreijährigen Kindern, Kindergartenkindern und schulpflichtigen Kindern sollen Familienzentren einen klaren Bildungsauftrag bekommen, zu Vermittlungsagenturen für Tagesmütter und -väter werden, zu Zentren der vorschulischen Sprachförderung, zu schulvorbereitenden Einrichtungen für schulpflichtige, aber nicht schulreife Kinder.
Mit Tagesmüttern und -vätern, Familienzentren und Ganztagsschulen, meine Damen und Herren, wollen wir dann Schritt für Schritt ein lückenloses, bedarfsgerechtes und verlässliches Dreisäulenmodell der Kinderbetreuung aufbauen, das hohen pädagogischen Ansprüchen genügt. Wir wollen nicht zulassen, dass Kinder in einen Teufelskreis geraten, der sie nach unten zieht. Wir werden die Chancen für Bildung und Integration deutlich verbessern.
Wir werden bei der Verbesserung der Betreuung auch die Wirtschaft nicht aus ihrer Pflicht entlassen. Die Devise „Lieber kinderlos als arbeitslos“ darf nirgendwo mehr gelten, meine Damen und Herren.
Die Zukunft, die wir wollen, bietet Frauen wie Männern gleiche Entwicklungschancen. Sie stützt sich auf die Kompetenzen beider Geschlechter. Erwerbsarbeit und Familie sind keine unvereinbaren Gegensätze.
Die Kompetenzen von Frauen müssen stärker als bisher genutzt werden. Wir haben heute in unserem Land viele hervorragend ausgebildete Frauen. Ihre Qualifikation und Motivation muss besser genutzt werden. Zurzeit werden mehr als die Hälfte der Mädchen in nur zehn Berufen ausgebildet. Die Frauenerwerbsquote ist in unserem Land unterdurchschnittlich. Das soll sich ändern.
Wir wollen eine Kinder- und Jugendpolitik, die hilft, statt im Stich zu lassen. Immer mehr Kinder wachsen ohne Geschwister auf. Und vor allem in den Städten wachsen sie häufig in einem wenig kinderfreundlichen Umfeld auf. Hier ist die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit mit ihren Angeboten ein wichtiger Partner. Sie bietet den Heranwachsenden die Möglichkeit, andere Kinder kennen zu lernen, mit ihnen zu spielen und zu lernen.
Uns ist der Schutz der Kinder vor Armut, Gewalt und Ausgrenzung sehr, sehr wichtig. Damit meine ich den Jugendmedienschutz ebenso wie gewaltpräventive Maßnahmen, aber auch die konsequente Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität.
Die Landesregierung strebt mit einer Bundesratsinitiative an, dass Kinder unter 14 Jahren nicht mehr in die Grundsicherung fallen. Der Kindergeldanspruch beträgt zurzeit 154 €, die Grundsicherung 207 €. Diese Diskrepanz kann ausgeglichen werden, indem das Kindergeld um 53 € erhöht wird. Das hätte den großen arbeitsmarktpolitischen Vorteil, dass mehrköpfige Bedarfsgemeinschaften durch eigene Arbeit früher vollständig aus der Grundsicherung herauskommen als bisher. Vor allen Dingen hätte das den großen Vorteil, dass der für mich große Skandal, dass in Deutschland über 1 Million Kinder in der Grundsicherung sind, beseitigt würde.