Protocol of the Session on May 17, 2006

Sie waren deutlich weniger, ja.

Zurück zur Schule! Ich habe mich gefragt: War das echte Begeisterung über diesen Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion? Nein, das kann ich mir bei dem Chaos, das Sie hier angerichtet haben, beim besten Willen nicht vorstellen. Das waren nun wirklich echte Chaostage in Düsseldorf. Da kann glatt der schwarze Block von den Schwarzen hier im Landtag noch was lernen, meine Damen und Herren.

Nein, Ihr Applaus war eher ein Klatschen im Walde. Sie wollen nur das Grummeln, Ihre Uneinigkeit und den Ärger in Ihrer vermeintlichen Kuschelkoalition übertünchen, insbesondere den Ärger der CDU über den Unsinn, den sie wegen der FDP mitmachen muss. Da wedelt der Schwanz mit Hund, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Herr Stahl den öffentlichen Streit, die öffentliche Auseinandersetzung, die wir bisweilen hatten – jawohl –, kritisiert, dann frage ich mich: Was passiert denn hier in den Hinterzimmern? Zum Teil ist deutlich geworden, dass es bei Ihnen unter dem Teppich gar nicht so wunderbar aussieht, meine Damen und Herren. Das wissen Sie, das wissen wir, und das merken auch die Bürgerinnen und Bürger: Diese FDP geht der CDU ganz gewaltig auf die Nerven. Das können wir natürlich sehr gut verstehen. Aber es hilft nichts: Selbst gewähltes Schicksal, liebe Kolleginnen und Kollegen – da müssen Sie durch!

Während Sie sich hier gefeiert und bejubelt haben, habe ich mich gefragt, wie es wohl den Menschen gegangen ist, die Ihnen zugeguckt haben, den Menschen, denen Sie die Unterstützung zusammengestrichen haben. Hätten Sie auch ge

klatscht – ich meine das ganz ernst –, wenn Sie den Betroffenen dabei hätten ins Gesicht schauen müssen: den Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern, von denen manche entlassen werden mussten – andere verzichten auf Einkommen, damit die Beratungsarbeit überhaupt weiter gehen kann –, den Engagierten in der Eine-Welt-Arbeit – die FDP hätte da gejubelt, da bin ich mir sicher, aber die Christen sind da ja doch ein bisschen anders drauf –, all den Ehrenamtlichen, denen Sie die finanzielle Basis entziehen?

(Dietmar Brockes [FDP]: Ehrenamtliche?)

Ja. Sie haben es noch nicht verstanden. Es gibt Strukturen, die ein Netz von Ehrenamtlichen nach sich ziehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Brockes, so ist das in der freien sozialen Arbeit.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Bezeichnender Zwischenruf, Herr Brockes. Ich erkläre es Ihnen gerne ausführlicher. Die meisten wissen es. Deswegen bekommen Sie jetzt keine öffentliche Nachhilfestunde.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Rüdi- ger Sagel [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wie geht es den Eltern, die sich demnächst keine Kindertagesstätte oder keine Bustickets für ihre Kinder mehr leisten können? Ihr Beklatschen der Einzelpläne war zynisch. Denn Ihre Politik kürzt bei der Zukunft und verschleudert die Mittel für Projekte der Vergangenheit – und das gegen alle Versprechungen, die Sie vor der Wahl gemacht haben. Versprochen – gebrochen! Herr Lindner, ich weiß, dass Ihnen das weh tut.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Angesichts dieser Tatsache, Herr Ministerpräsident, angesichts der unzähligen gebrochenen Versprechen frage ich Sie: Wie kommen Sie zu Ihrer nun wirklich absurden Aussagen im „Handelsblatt“ vom 6. März? Ich zitiere:

„Die Beobachter unserer Politik sind darüber erstaunt, dass wir genau das abarbeiten, was wir vor der Wahl gesagt haben. Dass das eine Überraschung sein kann, verblüfft mich. Das zeigt, dass Politik ein Glaubwürdigkeitsdefizit abarbeiten muss.“

Sie arbeiten also all das ab, was Sie vor der Wahl gesagt haben? Glauben Sie das wirklich? Wissen Sie, was die Menschen bis weit in Ihre Partei hinein darüber denken?

Ein paar Zitate! Frau Kraft hat auch schon einige genannt. Die „WAZ“ vom 6. April schreibt:

„CDU-Basis wehrt sich gegen Rüttgers Sparkurs

Dinslakens CDU-Fraktionschef Heinz Wensing besorgte 250 Unterschriften. Er argumentiert: Die Koalition habe versprochen, die Lage der Kindergärten zu verbessern. Ministerpräsident Rüttgers begehe Wortbruch, wenn die Sparpläne beschlossen würden. In zwei Dutzend Städten von Aachen bis Wuppertal verabschiedete die CDU Resolutionen gegen die Sparpläne.“

In meiner Heimatstadt Solingen übrigens auch.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: So sieht es aus!)

Laut „Rheinischer Post“ vom 24. März skandierten die Anhänger des Deutschen Beamtenbundes bei einer Großdemonstration – Zitat –: „Regiert Ihr schon oder lügt Ihr noch?“

In der Stellungnahme zum Landeshaushalt schreibt der Beamtenbund – Zitat –:

„Gemessen an den Aussagen zur Landtagswahl 2005 ist dieser Landeshaushalt ein glatter Wortbruch, den die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes weder hinnehmen noch vergessen werden.“

Die freie Wohlfahrtspflege schreibt in ihrer Stellungnahme zum Landeshaushalt – ich zitiere –:

„Verschiedene Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit belegen, dass sich Mitglieder von Landesregierung und Koalition nicht mehr an das gebunden fühlen, was sie vor Jahresfrist noch als Opposition gesagt oder gefordert haben.“

In der „Frankfurter Rundschau“ vom 22. Februar heißt es:

„Volkshochschulen und katholische Bildungseinrichtungen haben dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) Wortbruch vorgeworfen. Obwohl die Christdemokraten im Wahlkampf versprochen hätten, die Mittel für Weiterbildung wieder zu erhöhen, werde im Haushaltsentwurf 2006 der Rotstift angesetzt, kritisierten am Dienstag Sprecher der Landesorganisation für Weiterbildung in Düsseldorf. Leidtragende seien vor allem Schulabbrecher, Analphabeten und Ausländer.“

(Beifall von den GRÜNEN – Rüdiger Sagel [GRÜNE]: So sieht’s aus!)

So sieht es aus, Herr Rüttgers: keine Beiträge der Opposition, sondern Verbände und Institutionen,

die Ihnen das abgenommen haben, was Sie vor der Wahl gesagt haben, und die sich von Ihnen zu Recht belogen und betrogen fühlen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihr Wahlkampf war auf falschen Versprechungen aufgebaut, die Ihnen jetzt auf die Füße fallen – zu Recht. Sie haben die Menschen getäuscht, wissentlich.

Aber all das, all diese mehr als berechtigte Kritik, all diese Vorwürfe, all diese getäuschten und enttäuschten Menschen scheinen Sie völlig kalt zu lassen. Das halte ich für das Schlimmste dabei. Genauso kalt wie Hunderttausende von Unterschriften gegen die Kürzungen beim Landesjugendplan!

(Zuruf von der CDU: Die von Ihnen stam- men!)

Die von mir stammen? Ja, du liebe Zeit, wir haben doch eben gehört, dass da auch CDUFraktionsleute Unterschriften im Sinne der Sache gesammelt haben,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

genauso wie vor zwei Jahren auch Leute von uns Unterschriften gesammelt haben, weil sie wollten, dass wir unsere Entscheidung korrigieren. Ja, und wir haben das getan. Wir waren lernfähig. Wir waren lernfähig und haben das getan, meine Damen und Herren!

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von der CDU: Ihr Haushaltsvorbehalt!)

Wir haben es gesetzlich verankert – Punkt, aus, Ende!

(Widerspruch von CDU und FDP – Zuruf von der CDU: Der Haushaltsvorbehalt, den Sie verankert haben, wird umgesetzt!)

Wie sagte Ihr Ministerpräsident im Jahre 2004 als Oppositionsführer? „Wer bei Kindern und Jugendlichen kürzt, spart konzeptionslos, weil er an der Zukunft des Landes spart.“

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das war richtig. Damals haben wir genau deswegen, weil das richtig war und weil wir das ebenfalls so gefunden haben, das Jugendförderungsgesetz gemeinsam mit Ihnen beschlossen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Weil dies Ihr eklatantester Wortbruch ist und weil es ein Skandal ist, dass diese erfolgreiche Volksinitiative, obwohl sie ein zweites Mal erfolgreich

ist, bei Ihnen auf Granit beißt, verlangen wir hier und heute von Ihnen, dass Sie in diesem Punkt in namentlicher Abstimmung Farbe bekennen, und zwar jede und jeder Einzelne von Ihnen aus den Regierungsfraktionen!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)