Protocol of the Session on March 24, 2010

Ich würde gerne ein paar Worte zu Herrn Moron sagen: Sie haben – Gott sei Dank in sehr ruhigem Ton – vorgetragen, dass eigentlich das Beste das wäre, was der Professor in der Anhörung gesagt hat: Freiwillig keine Schulden mehr machen! – Meine Damen und Herren, man hat gemeint, 40 Jahre so verfahren zu müssen, obwohl wir sogar den Artikel 115 im Grundgesetz haben, nach dem man nur dann über die Verfassungsgrenze hinausgehen darf, wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Das hat nichts genutzt.

Ich habe Ihren Worten entnommen, dass Sie es doch für richtig halten -vielleicht sind wir uns deswegen sogar einig –, die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Trotzdem lese ich hin und wieder, dass – wie es Herr Groth gerade auch wieder gesagt hat – die Landeseinnahmen nicht in dem Maße gegeben sind, wie man sie brauchte. Dieser Einwand gegen eine Schuldenbremse ist dann schon genereller Natur. Aber auch ein solcher Einwand hilft nicht, weil der neue Artikel 109 in der Verfassung gilt, in dem steht: Die Schuldenbremse gilt ab 2020 auch für die Länder. – Wir hätten allerdings durch eigene Initiativen die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass wir Ausnahmetatbestände für kon

junkturell schwierige Zeiten selber formulieren könnten und dass wir nicht Gefahr laufen, bis 2020 mit einem verfassungswidrige Artikel zu leben. Sie haben erklärt, Sie möchten gerne.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Aber es gibt auch keine Eile!)

Zur Eile komme ich gleich.

Sie haben hier wiederholt erklärt, wir hätten den höchsten Schuldenstand zu verantworten. Dazu will ich Ihnen noch einmal sagen: Das ist ein wohlfeiles Argument. Selbst wenn Sie wie wir die Nettoneuverschuldung von 6,7 Milliarden €, die Sie ständig in den Jahren 2003, 2004 und 2005 gemacht haben, im Jahre 2006 auf 3,2 Milliarden € sowie anschließend auf 1,8 Milliarden € und 1,1 Milliarden € heruntergebracht haben – das bedeutet einen ausgeglichenen Haushalt unter Berücksichtigung der Reserven, die wir 2008 gebildet haben – und im Jahre 2008 1,1 Milliarden € neue Schulden machen mussten – das ist übrigens die niedrigste Nettoneuverschuldung seit Langem –, erhöhen diese den Schuldenstand. Insofern ist es ein wohlfeiles Argument zu sagen, dass wir Rekordschulden gemacht haben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Es geht um 23 Milliarden € in Ihrer Regierungszeit!)

Es geht um Nettoneuverschuldung. Deshalb kann man dieses Argument nicht benutzen.

Sie haben gefragt, wie wir denn konsolidieren wollen. Wir haben Ihnen – das hätten Sie nie gemacht – vor der Wahl einen Nachhaltigkeitsbericht für die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Dort stehen ganz klar die Regeln, nach denen wir den Haushalt konsolidieren wollen. Sie können nicht bis zum Jahre 2020 irgendeine langfristige Planung vorsehen. Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung, die mit schwarzer Brille aufgesetzt worden ist – wie immer. Wir sind sehr vorsichtig. Die kennen Sie. Sie kennen aber auch die Grundsätze. Einen hat der Kollege Weisbrich vorgetragen: Nach dem Nachhaltigkeitsbericht, der eine Steigerung der Einnahmen von durchschnittlich 2,5 % bis zum Jahre 2020 annimmt, müssen Sie die Ausgaben steigern bei durchschnittlich 1,02 %. Dann bekommen Sie dieses Delta von 5,5 Milliarden € struktureller Verschuldung weg.

Das steht alles in diesem Bericht. Dort steht auch, dass Sie eine wachstumsorientierte Politik machen müssen, weil Sie nicht so viel sparen können, wie Sie durch mangelndes Wachstum verlieren.

(Frank Sichau [SPD]: Nur Wachstum nützt auch nichts!)

Dort steht auch, dass Sie nur – wie wir es seit 2006 gemacht haben – in prioritäre Bereiche investieren und andere Bereiche demgegenüber vernachlässigen müssen. Wer Prioritäten bildet, der muss auch Posterioritäten bilden. Das ist alles gängig. Aber Sie brauchen Ihr Argument gerade so, wie es die Situa

tion verlangt, in der Sie sich befinden. Sie wollen diese Schuldenbremse nicht akzeptieren.

Spielräume! Lieber Herr Moron, Sie haben über Spielräume gesprochen. Schauen Sie sich einmal unsere Verfassung und dort alleine den Artikel 4 an, mit dem wir auf die im Grundgesetz für die Bundesrepublik festgelegten Grundrechte verweisen. Natürlich verweisen wir darauf. Das ist übliche Praxis in der Verfassungsterminologie. Vor dem Hintergrund zieht das eben auch nicht.

Nein, Sie haben ganz etwas anderes vor. Sie haben die Belastung der Kommunen vorgeschoben.

(Gisela Walsken [SPD]: Vorgeschoben? Hal- lihallo!)

Das ist, weil Sie ein zweites Thema brauchen. Sie wollen das Bildungsthema zum Wahlkampfthema machen. Sonst haben Sie überhaupt nichts auf der Pfanne. Jetzt versuchen Sie, die kommunalen Schwierigkeiten zum Wahlkampfthema zu machen. Auch das wird Ihnen nicht gelingen.

(Gisela Walsken [SPD]: Das wird Wahlkampf- thema, ob Sie wollen oder nicht!)

Diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen sind so aktiv in Richtung Berlin unterwegs, dass Sie auch bei diesem Thema keine Schnitte kriegen werden. Sie bekommen das Thema eben nicht hoch, versuchen es aber an jeder Ecke, sogar hier bei der Verfassungsänderung.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD)

Sie wissen ganz genau, dass wir kein Junktim zwischen der Schuldenbremse und der angesprochenen Mindestausstattung der Kommunen bilden können.

Herr Moron, Sie selber haben den Versuch der Grünen schon als sehr kritisch dargestellt, wie die das formuliert haben. Wir haben eben bei uns in Nordrhein-Westfalen ein Verfassungsgebot, das heißt: Der Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung steht unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. – Das Dilemma hat jeder Gesetzgeber, egal ob er dem DBB und dem DGB mehr für Gehälter geben will, mehr für Beamtenbesoldung oder mehr für die Kommunen oder für die Zukunft der Bildung und Hochschulen investieren will. Das bleibt dem Gesetzgeber überlassen. Das Argument, das Sie vorgeführt haben, ist zu billig.

(Beifall von Christian Möbius [CDU])

Ich würde gerne zu Ihrem Argument für eine Schuldenbremse in der nächsten Legislaturperiode kommen und Ihnen vorführen, wie Sie der Regierung den mangelnden Dialog mit der Opposition vorwerfen:

Das Thema Schuldenbremse ist sehr alt. Erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als seien Sie über

rascht worden und hätten in dieser Legislaturperiode leider nicht mehr die Zeit gehabt, aber selbstverständlich gerne in der kommenden Legislaturperiode konstruktiv mitarbeiten würden. Herr Moron, Sie haben sich sogar noch als Berater angeboten.

(Gisela Walsken [SPD]: Aber selbst haben Sie sich alle Zeit der Welt genommen!)

Frau Walsken, hören Sie einmal zu, damit Sie die Genesis, die für die Öffentlichkeit vielleicht interessant ist, mitbekommen:

Im November 2007 habe ich meine Überlegungen zur Schuldenbremse, das sogenannten LinssenKonzept, in die Verhandlungen eingebracht und auch in Berlin vorgelegt. Das habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden dieses Landtags diskutiert. Das war im November 2007.

Im Jahr 2008 hat es einen Stillstand in der Diskussion gegeben, weil viele glaubten, die Schuldenbremse werde nicht mehr kommen. Im Herbst 2008 war sie fast gescheitert. Dann kamen die Konjunkturprogramme und die Einsicht, dass wir so nicht mehr weitermachen können. Im Frühjahr 2009 ist das sehr schnell zum positiven Ende gekommen.

Ich habe dann am 19. März 2009 den gesamten Landtag mit einem Anschreiben an die Präsidentin über die in Berlin beschlossenen Eckpunkte der Reform informiert.

Am 19. Mai 2009 haben die Fraktionen von CDU und FDP ihren Antrag „Schuldenbremse für eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte umsetzen“ vorgelegt. Das ist schon lange her. Sie konnten sich wunderbar darauf vorbereiten

Schon am 27. Mai 2009 ist dieser Antrag hier im Plenum debattiert worden. Damals konnte man aufgrund der Äußerungen des Abgeordneten Körfges schon vermuten, dass die SPD der Schuldenbremse nicht zustimmen würde. Zu diesem sehr frühen Zeitpunkt, am 27. Mai 2009, machten Sie die erste Absetzbewegung von der Schuldenbremse, Herr Körfges. Ich will mir ersparen, das hier ausführlicher vorzutragen.

Am deutlichsten wird dann allerdings die Fraktionsvorsitzende der SPD, Frau Kraft. Hier im Plenum erklärt sie am 9. September 2009 – ich darf Ihnen das vortragen –:

Meine Damen und Herren, der Finanzminister will die Schuldenbremse in die Verfassung setzen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie die Schuldenbremse in die Landesverfassung setzen und wir gleichzeitig alle wissen, dass das Land keine eigenen Steuereinnahmen in erklecklichem Umfang hat und diese auch nicht nach oben schrauben kann und Sie die Steuern und die Einnahmen senken wollen, dann erklären

Sie den Menschen einmal, wie wir in der Bildung mit Siebenmeilenstiefeln vorangehen sollen. Das passt doch nicht zusammen, und das wissen die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Fraktionsvorsitzende der SPD hat immer klar gesagt: Ich brauche Geld für all die Ziele, die ich habe. – Das wird auch jetzt bei Ihrem Wahlprogramm deutlich. 27 Milliarden € wollen Sie bis zum Jahre 2015 zusätzlich ausgeben.

(Gisela Walsken [SPD]: 30!)

Daher passt Ihnen die Schuldenbremse nicht; denn sie würde Sie daran hindern, solche leeren Versprechungen zu machen.

(Beifall von der CDU)

Am 3. Dezember 2009 haben wir den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vorgelegt.

Kurz danach haben wir einen Entschließungsantrag der SPD im Haushalts- und Finanzausschuss diskutiert. Auch dort stellte Herr Körfges einen Zusammenhang mit den Kommunen her und behauptete, es fehle eine seriöse mittel- und langfristige Finanzplanung. Dazu habe ich etwas gesagt. Die mittelfristige Finanzplanung liegt Ihnen vor, ebenso der Nachhaltigkeitsbericht mit der Langfristperspektive.

Außerdem geht es nicht um die Gesamtverschuldung, sondern um die Nettoneuverschuldung bis zum Jahre 2020. Meine Damen und Herren, diese Koalition hat in drei Jahren die Nettoneuverschuldung von 6,7 Milliarden € unter SPD und Grünen auf 1,1 Milliarden € reduziert. Dann werden wir es doch wohl bis zum Jahre 2020 schaffen. Seien Sie doch nicht so kleinmütig. Strengen Sie sich doch bitte einmal an und zeigen Sie den Leuten, dass Sie auch solide wirtschaften können.

(Beifall von der CDU)

Am 10. Dezember 2009 haben wir im Haushalts- und Finanzausschuss eine Diskussion zu unserem Antrag zur Schuldenbremse geführt.

Ich habe mir auch noch einmal herausgesucht, was Frau Kraft am 13. Dezember 2009 in „Westpol“ gesagt hat. Los ging es mit der Behauptung, was hier ablaufe, sei eine reine Showveranstaltung. Man müsse einen Kassensturz vornehmen.

(Beifall von Gisela Walsken [SPD] und Horst Becker [GRÜNE])

Wir haben doch den Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Sie kennen alle Zahlen. Einen Kassensturz brauchen Sie nicht. Es ist alles im Haushalt enthalten. Anders als Sie haben wir nicht irgendwo ir

gendetwas versteckt. Wir haben keine Schulden ausgelagert.