Gerade erleben wir auf der Bundesebene, dass Union und FDP die Länder durch diese verunglückten Steuerentlastungen ausrauben,
die den Ländern die Mittel deutlich spürbar entziehen, dass nicht in Bildung im notwendigen Umfang investiert werden kann. Ihre Zeit ist abgelaufen; da können Sie noch so laut schreien.
(Ralf Witzel [FDP]: Bald erleben Sie eine kognitive Dissonanz! – Horst Becker [GRÜ- NE]: Ideologischer Schreihals!)
Sie müssen endlich Abschied nehmen von Ihren kruden Begabungsvorstellungen und zur Kenntnis nehmen, dass sich Kinder in ihrer Vielfalt nicht beim Lernen behindern, sondern dass alle Kinder in der gemeinsamen Schule vom individualisierten Unterricht profitieren und ihre Potenziale vollständig entfalten können.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Studie von Prof. Klemm zur Situation der Förderschulen hinweisen. Kinder, die einen besonderen Förderbedarf beim Lernen haben, können viel effektiver im gemeinsamen Unterricht miteinander lernen; sie haben dort die besseren Lern- und Entwicklungsfortschritte. Auch Kinder ohne Förderbedarf profitieren vom gemeinsamen Unterricht,
indem sie höhere soziale Kompetenzen entwickeln, ohne dass sich ihre fachbezogenen Leistungen von anderen Klassen unterscheiden. Wir müssen endlich Schluss machen mit dem deutschen Sonderweg. Das fordert schließlich auch die UN-Menschenrechtskonvention.
Die Bertelsmann Stiftung führt in ihrem Positionspapier zur Inklusion im Schulsystem deswegen folgerichtig aus:
Eine inklusive Schule ist eine Schule, die allen Kindern zugänglich ist und jedes Kind – unabhängig von seiner sozialen Herkunft, seiner möglichen Behinderung oder seines Migrationshintergrundes – in heterogenen Lerngruppen optimal individuell fördert. Die Bertelsmann Stiftung, die sich für Integration und Teilhabe in Deutschland stark macht, befürwortet die Entwicklung inklusiver Schulen aus drei Gründen:
c. Schließlich verbessert die inklusive Schule auch die Teilhabechancen von Kindern aus sozial schwachen und Zuwandererfamilien,
All das wird von der Landesregierung negiert. Sie verwenden die knappen Ressourcen dazu, um die massiven Risse im überholten gegliederten Schulsystem zu übertünchen.
Wie Eltern in NRW das sehen, zeigt sich in den konkreten Elternbefragungen, die auf kommunaler Ebene stattfinden. Diese Woche kamen die Kölner Ergebnisse auf den Tisch. Die dürften Ihnen, Frau Ministerin, auch nicht verborgen geblieben sein.
66 % der Eltern sind der Meinung, dass man in den Schulen eher bessere Chancen für alle Kinder erreicht, wenn die Kinder länger gemeinsam lernen.
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass eine deutliche Zweidrittelmehrheit der Eltern eine Weiterentwicklung der bestehenden Schulstruktur
in Richtung eines längeren gemeinsamen Lernens befürwortet und dem gegliederten Schulsystem kritisch gegenübersteht. 72 % der Eltern können sich für ihr Kind einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen gut oder sehr gut vorstellen.
Mit einer Dreiviertelmehrheit stehen die Eltern dem gemeinsamen Unterricht also positiv gegenüber. Natürlich müssen die Förderbedingungen stimmen. Deshalb haben wir konsequenterweise für diesen Haushalt die Bereitstellung von 1.250 Sonderpädagoginnen für den gemeinsamen Unterricht beantragt, damit der notwendige Inklusionsplan greifen kann und das gemeinsame Lernen mit Ressourcen unterfüttert wird.
Eltern müssen das Recht ihrer Kinder auf gemeinsamen Unterricht durchsetzen können und den Förderort ohne Restriktion in diesem Land wählen. Da brauchen wir auch kein Rumschwiemeln der Ministerin, der jedes Zugeständnis zum Elternwillen aus der Nase gezogen werden muss, sondern wir brauchen entschlossenes Handeln.
Neben unserer jährlichen Forderung, 10 % der Lehrkräfte an Förderschulen zum gemeinsamen Unterricht zu transferieren, haben wir einen Plan der Landesregierung, der deutlich anders aussieht. Sie schaffen in diesem Haushalt 25 Stellen für integrative Gruppen. Bei diesem Tempo, Frau Ministerin, brauchen Sie 500 Jahre für die Umsetzung der UNKonvention für Menschen mit Behinderungen.
Ihre Politik ist als halbherzig entlarvt. Ihre Kehrtwende ist nur ein Lippenbekenntnis. Noch enttäuschender ist es, dass es bei CDU und FDP nicht zu einem konsequenten Umsteuern reicht.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hält an ihrer ideologischen Politik für den Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems fest. Dadurch werden die weiterhin knappen Ressourcen fehlgesteuert. Die kleinen Hauptschulen werden künstlich am Leben gehalten,
obwohl sie für Schülerinnen und Lehrkräfte keinen Bildungsmehrwert bringen können. Das kostet das Land ca. 1.000 Stellen zusätzlich, die sinnvoller und gemeinsam mit allen anderen Stellen in eine Schule des gemeinsamen Lernens einfließen könnten – mit leistungsfördernden Milieus für alle Schülerinnen und Schüler.
Das ist dann auch für die Kommunen besser, die dadurch ihre Schulstandorte sichern können. Aber Stellenbesetzung – das haben wir vorhin gehört – ist, glaube ich, ein Wort, das Sie, Frau Ministerin, im Augenblick selbst nicht gerne hören. Es erinnert doch wahrhaftig an die peinliche Notbremse, die Sie vor einigen Tagen ziehen mussten, als die in Masse laufenden Stellenausschreibungen gestoppt wurden. Ob das richtig ist, was die Kollegin Pieper-von Heiden eben unterstellt hat, dass der Regierungspräsident seine Amtsführung für parteipolitische Unternehmungen missbraucht habe, das werden wir Sie offiziell noch einmal fragen. Das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung.
Dass es aber Rechenprobleme zwischen den Bezirksregierungen und dem Ministerium gibt, ist deutlich. Doch warum bekommt eigentlich nur Herr Büssow einen Berater, warum nicht Frau ThomannStahl? Sie hat nämlich die Stellen in Grund- und Hauptschulen auch auf Null gesetzt. Wie sieht es denn da mit Amtsmissbrauch aus? Wollen wir darüber auch einmal reden, Frau Pieper-von Heiden? So intensiv haben Sie die Statistiken offensichtlich nicht gelesen.
Jetzt wird das Chaos perfekt, wenn man sich den dilettantischen Versuch der vorzeitigen Stellenbesetzungen anschaut. Da werden doch tatsächlich den Absolventen, die noch nicht einmal das zweite Staatsexamen haben – es geht um die Unterrichtsbefähigung, den guten Unterricht –, vorher Einstellungszusagen gegeben. Das zweite Staatsexamen wird dadurch unterlaufen. Ich halte das für eine bedenkliche Entwicklung. Es muss uns auch um die Qualität von Unterricht gehen. Wir dürfen uns nicht nur auf einer quantitativen Ebene mit der Frage von Unterrichtsausfall beschäftigen, sondern es geht darum, was wirklich im Unterricht passiert. Manchmal wäre es besser – ich sage das sehr provozierend –, dass eine Stunde nicht gegeben wird, als dass Lernfreude von Menschen vereitelt wird, die für Unterricht nicht geeignet sind.
Wir haben außerdem noch zu konstatieren, dass Sie massiv gegen die Gesamtschulen im Land vorgehen. Wir kennen Ihre Tricks, mit denen Sie ver
Schülerinnen und Schüler der neu errichteten Gesamtschulen in Bonn, Hemer und Bad Salzuflen sollen auf gebundenen Ganztag verzichten. Es ist quasi eine Strafexpedition für die angeblich frühere Bevorzugung von Gesamtschulen.
Aber Sie haben offensichtlich auch im Kabinett nicht eindrücklich genug dargelegt, wie Sie das begründen. Der Ministerpräsident ist zurzeit auf seiner Landesvatertour. Dabei ist er auch im schönen Städtchen Lohmar gewesen. Auf die Einlassung eines Teilnehmers, warum manchen Schulen verboten wird, den Ganztag einzuführen, antwortete der Ministerpräsident, das sei nicht in Ordnung, man möge ihm doch bitte schreiben, wo das passiere, er würde sich dann persönlich darum kümmern. Frau Ministerin, würden Sie ihm mal erklären, dass Sie den Gesamtschulen den Ganztag bei Neugründungen verwehren, auch wenn die Eltern es ausdrücklich wollen?
Würden Sie dem Ministerpräsidenten auch erklären, dass die Eltern dafür bestraft werden, dass sie ihre Kinder nicht an einer Hauptschule, sondern an einer Gesamtschule anmelden? War er etwa gar nicht für das Ganztagsschulverbot verantwortlich? Wer hat das Ganze denn auf den Weg gebracht? Ich glaube, darüber werden wir uns noch intensiver austauschen müssen.