Protocol of the Session on November 4, 2009

Meine Damen und Herren! Ich will diese Erklärung, die ich auszugsweise zitiert habe, um einen Hinweis ergänzen, den in Erinnerung zu rufen in der aktuel

len Situation wichtig ist: Unter der Verantwortung von General Motors hat es nicht nur einen, es hat bereits mehrere Restrukturierungspläne gegeben. Einer trägt den Titel „Viability Plan 2“. Dieser „Viability Plan 2“ sieht unter der Überschrift „Drei Werke – Alternativmodell“ vor, dass Bochum weitergeführt wird.

Ich will des Weiteren darauf hinweisen, dass der von der Bundesregierung geleistete Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden € zurückgezahlt werden muss. Da gibt es einen nordrheinwestfälischen Anteil von 150 Millionen €. Diese Rückzahlung hat zur Folge, dass GM die Möglichkeit hat, die Treuhandanteile wieder auszulösen.

Meine Damen und Herren, ich will folgende Bewertung dazu abgeben: Ich halte das Verhalten von General Motors in dieser Frage für inakzeptabel.

(Allgemeiner Beifall)

Das Verhalten der Konzernleitung in Detroit über jetzt so lange Zeit hat natürlich Auswirkungen auf die Menschen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Händler von Opel. U und das nicht nur in Deutschland. Es hat Auswirkungen auf ihre Familien. Es hat Auswirkungen auf ihr persönliches Umfeld. Es hat Auswirkungen auf die Standortkommunen. Es führt zu Angst, zu Unsicherheit und zu Ratlosigkeit.

Die Konzernleitung von General Motors hat – auch daran darf man erinnern – in den letzten Monaten mehrfach erklärt, man wolle mit Magna jetzt zu einem Abschluss kommen. Sie war in die Verhandlungen einbezogen und konnte mitreden. Es ist darüber geredet worden, dass General Motors auch weiterhin eine Verantwortung durch Anteile von 35 % am neuen Opel-Konzern in Europa haben würde.

Alles das, werte Kolleginnen und Kollegen, führt mich dazu, dass ich das Verhalten der Führung von General Motors als unseriös, menschenverachtend und rücksichtslos klassifiziere.

(Allgemeiner Beifall)

Das, was da zu besichtigen ist, ist für mich das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus, meine Damen und Herren.

Hier wurden Entscheidungen getroffen ohne Rücksichtnahme auf die Menschen. Und hier wurde über lange, lange Zeit ein Eindruck erweckt, der Hoffnungen zur Folge haben musste und dazu geführt hat, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opel nicht nur in Deutschland bereiterklärt haben, auf Geld und ihnen zustehende Gehaltsanteile zu verzichten, um ihr Werk, um ihre Werke zu retten. Dann aber wurde plötzlich, sozusagen in den letzten Minuten erklärt: Alles, was wir gesagt haben, stimmt nicht mehr. Wir machen es jetzt anders!

Meine Damen und Herren, mir ist es an diesem Morgen hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen ganz wichtig zu sagen, dass die Landesregierung auch weiterhin an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opel steht.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich kann nur hoffen, dass das, was angekündigt worden ist und was ich eben zitiert habe, nicht wieder Wochen und Monate dauert. Jeder weiß: Mit jedem Tag, der vergeht, werden die finanzielle Lage und die Lage im Wettbewerb für Opel schwieriger. Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten unseren Beitrag dazu leisten, dass es noch eine Chance gibt.

Meine Damen und Herren, es bleibt bei dem, was wir bereits in anderen Verhandlungen gesagt haben: Für uns sind Lösungen nur akzeptabel, die davon ausgehen, dass es keine Werksschließungen gibt, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt, und dass es beim notwendigen Abbau von Arbeitsplätzen sozialverträglich zugeht.

(Beifall von CDU, SPD und FDP sowie Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich werde heute noch Gespräche sowohl mit dem Betriebsrat als auch mit der IG Metall führen. Ich werde morgen in Bochum sein und hoffe, dass es uns gelingt, zumindest deutlich zu machen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opel nicht alleine dastehen.

Meine Damen und Herren, wir haben heute über die aktuelle politische Lage diskutiert und werden weiter darüber diskutieren. Wir haben über die Koalitionsverhandlungen in Berlin, den Koalitionsvertrag und die Auswirkungen auf unser Land NordrheinWestfalen diskutiert. Es ist nicht meine Aufgabe, andere Beiträge zu klassifizieren, aber ich habe zum Teil Schwierigkeiten mit der Art, wie diskutiert worden ist, und zwar deshalb, weil ich finde, dass wir alle ein Interesse daran haben müssen, dass solche Debatten kein Beitrag zu Politik- und Parteiverdrossenheit sind. Dass wir unterschiedlicher Meinung sind, ist klar. Dass man Sachverhalte unterschiedlich bewerten kann – je nachdem, von welchem Zeitpunkt und von welcher Seite aus man das betrachtet –, ist auch klar. Das wissen wir. Das gehört zum politischen Geschäft.

Aber ist es wirklich zu viel verlangt, von den schriftlich vorliegenden Texten auszugehen, statt hier dauernd Behauptungen aufzustellen, die nun wirklich mit dem schriftlichen Text nichts zu tun haben?

(Beifall von CDU und FDP)

Da behauptet Frau Kraft, dass Strom, Wasser, Gas und Mobilität teurer werden. Meine Damen und Herren, ich lese Ihnen die entsprechende Passage einmal vor. Es geht um die Zeilen 299 bis 302. Dort steht:

Wir streben Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter insbesondere bei der Umsatzsteuer an, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen. Aufgaben der Daseinsvorsorge sollen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich belastet werden.

(Minister Andreas Krautscheid: Hört, hört!)

Frau Kraft, wie kommen Sie zu der Behauptung, dass aufgrund dieser Vereinbarung irgendetwas teurer wird? Wie kommen Sie dazu? Haben Sie es wirklich nötig, die Wahrheit so zu verdrehen, um hier überhaupt noch einen kleinen Punkt machen zu können?

(Beifall von CDU und FDP)

Wer zum Wahlprogramm der Linken schweigt, meine Damen und Herren, der hat wahrlich keinen Anlass, sich hier und heute aufzuregen, Frau Kraft.

(Beifall von CDU und FDP)

Dies ist eine merkwürdige Debatte, wenn zuerst eine Aktuelle Stunde stattfindet, wir jetzt erneut darüber diskutieren und später noch einmal Debatten kommen, in denen man versucht, ein Ergebnis herbeizuführen. Ich glaube, wer noch nicht einmal in der Lage ist, eine Tagesordnung für den Landtag so aufzustellen, dass man wirklich miteinander debattieren kann, der sollte sich auch nicht mit Koalitionsverträgen beschäftigen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das hätten Sie alles verhindern können! – Ralf Jäger [SPD]: Das entscheidet das Parlament!)

Wenn dann noch der für solche Dinge inzwischen landesweit bekannte Abgeordnete Jäger sagt, 2010 gebe es nur steuerliche Entlastungen ausschließlich für Unternehmen, packt man sich wirklich an den Kopf, meine Damen und Herren. Wie sehr muss man eigentlich parteipolitisch im Kopf schon abgedriftet sein, wenn man einfach das Gegenteil von der Wahrheit behauptet und glaubt, das würde nicht auffallen, meine Damen und Herren?

(Beifall von CDU und FDP)

Selbst wenn es so wäre – es ist aber nicht so –, möchte ich dazu Folgendes vortragen:

Wenn sich gelegentlich Teile dieses Hauses nicht nur um die Verteilungsseite des Bruttosozialproduktes, sondern auch um die Entstehungsseite dieses Bruttosozialproduktes kümmern würden, dann müssten sie meine Auffassung teilen, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass der Investitionsstandort Deutschland für Unternehmen in Deutschland wie auch für ausländische Investoren attraktiver gemacht wird. Dies gelingt mit dieser Unternehmensteuerreform.

Zitat Ende. Peer Steinbrück vor dem Deutschen Bundestag am 25. Mai 2007.

(Beifall von CDU und FDP)

Wer die Wirklichkeit durch die parteipolitische Brille verzerrt, meine Damen und Herren, der stolpert, der ist in den letzten Monaten bei allen Wahlen gestolpert, und der wird auch im Mai nächsten Jahres stolpern und auf die Nase fallen. Und das mit Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Koalitionsverhandlungen haben in einem schwierigen ökonomischen Umfeld stattgefunden. Die größte Weltwirtschaftskrise seit Menschengedenken ist noch nicht zu Ende. Und für jeden ist es ungeheuer schwierig, Vorhersagen zu treffen, die über eine lange Zeit, über ein Jahr oder noch länger, Gültigkeit beanspruchen können.

Wer sich nur einmal in Erinnerung ruft, wie die Vorhersagen vor sechs Monaten gewesen sind, und heute die Meldungen etwa zum Arbeitsmarkt liest, der weiß: Gott sei Dank ist es nicht so schlimm gekommen, wie wir es damals alle gemeinsam befürchtet haben.

Wenn ich nur Überschriften von heute herausgreife! Eine Zeitung titelt: Arbeitsmarkt vor harten Zeiten. – Eine andere Zeitung meldet: Deutschland hat 2010 die Nase vorn. – Da geht es um das Wachstum. Alleine diese beiden Überschriften zeigen, wie schwer es ist, eine stringente Politik zu formulieren, eine Politik, die versucht, in dieser Krise Kurs zu halten, Arbeitsplätze zu sichern, Unternehmensstandorte zu erhalten und den Menschen das Gefühl zu geben, dass sich Anstrengungen, die von allen abgefordert werden müssen, lohnen und dass man sich darauf verlassen kann, dass es dabei gerecht zugeht und jeder etwas davon hat, wenn er Anstrengungen erbringt.

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir bei den Koalitionsverhandlungen gesagt: Es ist wichtig und zentral, den Versuch zu unternehmen, den Motor wieder zum Laufen zu bringen oder – wie jemand es früher einmal formuliert hat – die Pferde wieder ans Saufen zu kriegen, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, dass es Wachstum gibt, und das übrigens nicht nur wegen der öffentlichen Haushalte, die alle angespannt sind: sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene, als auf kommunaler Ebene. Sich hier hinzustellen und zu sagen: „Es ist nur im Land schwierig, und alles andere sollt ihr lösen“, das ist einfach unehrlich. Jeder, der so etwas behauptet, weiß das, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben gemeinsam die Auffassung vertreten – eigentlich kann man, meine ich, wenn man ganz pragmatisch, ganz realistisch an die Sache herangeht, keine andere Politik machen –, dass es jetzt

wichtig ist, Wachstum zu unterstützen, etwas zu tun, damit es einen Wachstumsschub gibt, wissend, dass das natürlich nicht alle Probleme löst.

Das haben wir doch auch 2005 gehabt, als wir hier in Nordrhein-Westfalen angefangen haben. Damals musste Wachstum doch auch erst einmal angeschoben werden, es mussten Haushalte konsolidiert werden, es musste in Zukunft investiert werden.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was ist dabei herausgekommen? Heiße Luft! – Un- ruhe von der SPD)

Übrigens, da haben Sie die drei Elemente, die hier erfolgreich waren – ich bin fest davon überzeugt, sie werden auch auf Bundesebene erfolgreich sein –: Wachstumsimpulse schaffen, konsolidieren und in die Zukunft investieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Hätten Sie das gemacht, dann wären Sie im Jahr 2005 nicht so jämmerlich abgewählt und bei dieser Bundestagswahl nicht so abgestraft worden.

Deshalb haben Andreas Pinkwart und ich vor den Verhandlungen gesagt, was unsere Ziele sind: Es muss zusätzliche Impulse für mehr Wachstum geben, weil man nur mit mehr Wachstum gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Wir müssen, damit jeder das Gefühl hat, dass es gerecht zugeht, die Anstrengungen zum sozialen Ausgleich verstärken. Und es ist auch wichtig, dass jede staatliche Ebene, also auch die kommunale Ebene, davon profitiert.

Die erste Frage war: Wie bekommt man einen solchen Wachstumsimpuls? Die Antwort, die wir gegeben haben, war: Jawohl, wir wollen steuerliche Entlastung.