Wenn Kinder ohne Lehrerin oder Lehrer in der Klasse sitzen, was von dieser Landesregierung offiziell als Unterricht bezeichnet wird, sind dann Eltern, Schülerinnen und Schüler zufrieden mit der Situation an den Schulen? Ist das die Unterrichtsversorgung, die Sie meinten? Wenn das Abitur nur noch mit regelmäßiger Nachhilfe geschafft wird, ist das die individuelle Förderung, die Sie meinen? Wenn Eltern ihre Kinder zuhauf nicht auf die gewünschte Gesamtschule schicken dürfen und wenn die nicht mehr gewählte Hauptschule nebenan mit Kantinen ausgestattet wird, aber die neue Gesamtschule blockiert wird – geschweige denn ein Ganztagsangebot bekommt –, wenn Kinder keine Zeit mehr für das Kindsein haben, sind Eltern sowie Schülerinnen und Schüler dann mit der Situation an unseren Schulen zufrieden? Ich frage Sie das in allem Ernst. Gleichen Sie doch Ihre Zahlen einmal mit der Wahrnehmung der Menschen vor Ort ab!
Lieber Herr Stahl, Ihre Erregung beim Thema „Schule“ kann ich verstehen. Sie merken letztlich wohl, dass Sie einen Kampf führen, den Sie längst verloren haben.
Überlegen Sie aber einmal Folgendes: Wenn der Sohn eines Kfz-Mechanikers heute den gleichen Lebensstandard wie sein Vater erreichen will, muss er für das Gleiche einen höherwertigen Abschluss machen. Weil das aus Sicht der Eltern ganz einfach nachvollziehbar ist, wollen sie die offenen Bildungsgänge. Darum wollen sie eine Perspektive auf die gymnasiale Oberstufe und gymnasiale Bildung.
Deswegen müssen Sie Ihre Blockade aufgeben, damit mehr Kinder und Jugendliche gute Schulabschlüsse machen können. So simpel ist das. Setzen Sie sich damit doch einfach einmal auseinander.
Glauben Sie mir: All diese Eltern, Schülerinnen und Schüler, die vielen Lehrerinnen und Lehrer sind nicht mit der Situation an den Schulen zufrieden. Und die können das am besten beurteilen.
Die vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sorgen sich zu Recht um die Attraktivität ihrer Gemeinden, wenn es vor Ort nur noch Hauptschulen gibt. Sie sorgen sich deshalb, weil diese Landesregierung jede flexible Lösung, bei zurückgehenden Schülerzahlen vor Ort ein vollständiges Bildungsangebot aufrechtzuerhalten, blockiert. Das ist ein Problem. Das muss anders werden.
Also, meine Damen und Herren, lautet mein Fazit für den Bereich Schule: Sie haben auch an der Stelle den Mund zu voll genommen. Es gibt in Nordrhein-Westfalen weder eine Unterrichtsgarantie noch gibt es kleinere Klassen; von innovativer Schulentwicklung ganz zu schweigen. Diese Schulpolitik ist und bleibt die Achillesferse des Ministerpräsidenten mit Blick auf den Wahlkampf im nächsten Jahr.
Was ist 2010? – Der Entwurf Ihres Haushalts weist schon jetzt die größte geplante Nettoneuverschuldung aller bisherigen Haushaltsentwürfe in der Geschichte dieses Landes aus. Wenn im November die neuen Zahlen vorliegen – nach der Bundestagswahl, nach dem Auslaufen der Kurzarbeit und dem Ende der Abwrack-Show –, ist die weitaus größte Nettoneuverschuldung aller Zeiten auch Fakt in diesem Haushalt – das prophezeie ich Ihnen –, und das, Herr Dr. Linssen, obwohl Sie 3 Milliarden € mehr als beim bisherigen Neuverschuldungsrekord zur Verfügung haben.
Finanzminister Linssen wird unter Ministerpräsident Rüttgers zum Schuldenrekordminister. Nichts haben Sie saniert. 131 Milliarden € Verschuldung im Jahr 2010 sind das Minimum. Das ist noch ein Negativrekord. Das sind über 20 Milliarden € mehr als bei Ihrem Regierungsantritt. Trotzdem tun Sie so, als hätten Sie saniert, meine Damen und Herren.
Sie schieben das auf die Krise. Das weiß ich, das wissen alle. Das würde ich an Ihrer Stelle wahrscheinlich auch probieren. Aber – Krise hin oder her –: Ehrliche Kaufleute schauen am Ende der Bilanz auf die Einnahmen und die Ausgaben. Das mache ich jetzt auch:
Die Einnahmen sind im Anfang Ihrer Regierungszeit noch mehr als Ihre Ausgaben explodiert. Das war Ihr Glück. Ihre sogenannte Haushaltskonsolidierung haben Sie vor allem der Mehrwertsteuererhöhung der Bundesregierung zu verdanken. Das muss man auch noch einmal sagen. Sie geißeln, dass das passiert ist, haben das Geld aber im Grunde genommen eingestrichen. Wie hätten Sie ausgesehen, wenn es diese Mehrwertsteuererhöhung nicht
Herr Ministerpräsident Rüttgers, das ist Ihre Bilanz. Sie selbst haben vor der Wahl die Latte so hoch gehängt. Das hat nichts mehr mit unterschiedlichen Politikansätzen oder -programmen zu tun. Diese Latte haben Sie ganz alleine selbst gerissen. Diese Regierung hat schon in guten Zeiten schlecht regiert, in Zeiten der Krise sind Sie mit Ihrem Latein völlig am Ende, meine Damen und Herren.
Das ist der Grund dafür, warum Sie Muffensausen vor dem 9. Mai 2010 haben. Sie wissen nämlich spätestens seit der Kommunalwahl, dass Sie von Ihren eigenen Ansprüchen längst eingeholt worden sind: Haushalt mit Rekordschulden! Wachsende Unzufriedenheit in den Schulen! Wenn nun auch noch die Arbeitslosigkeit steigt, dann: Staatskanzlei adieu!
Die Kommunalwahl war schon einmal ein kleiner Vorgeschmack. Vollmundig hat Ihr General am Wahlabend verkündet: Wahlziel 40 % puls x erreicht! Alles gut! – Geworden sind es gerade einmal 38,6 %. 400.000 Menschen weniger als noch vor fünf Jahren vertrauen der CDU. – Das wird knapp.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie angesichts dessen einen Absturz um 4,8 % als gutes Ergebnis darstellen, frage ich Sie: Glauben Sie eigentlich, die Menschen sind dumm, Herr Ministerpräsident? Sehen so Sieger aus, meine Damen und Herren?
Es war am Wahlabend offenkundig, dass Sie bei diesem Ergebnis mit Ihrer geplanten Kommunikationslinie ins Schleudern geraten sind. Erst haben Sie die anderen Länder mit größeren CDU-Verlusten ins Feld geführt. Als das nicht gezogen hat, haben Sie noch Ihren eigenen Leuten vor Ort schlechten, inhaltsleeren Wahlkampf vorgeworfen. Herr Rüttgers, Sie können doch nicht allen Ernstes Ihren Leuten vor Ort vorwerfen, dass ihr Wahlkampf inhaltsleer ist, wo die doch genau nur das tun, was ihnen die Bundesvorsitzende vorgibt und vorexerziert:
Es kommt noch etwas hinzu: Ich glaube, mit diesem Gestänker an Ihrer Basis wollten Sie davon ablenken, dass der Wahlkampf ganz wesentlich mit Ihnen und Ihrer Politik, den Planungen Ihrer Partei und Ihres Generalsekretärs zu tun hat. Der Wüst hat
doch – ich habe das alles nicht vergessen – ganze Handbücher bis hin zu Styling- und Schminktipps in Umlauf gebracht. Das hat aber offensichtlich alles nichts genutzt.
Und Sie? – Sind Sie nicht vor Ort aufgetreten, Herr Dr. Rüttgers, alleine viermal in Mönchengladbach – so habe ich es gelesen –, um dafür zu sorgen, dass ein Kollege gewählt wird? – Es hat aber nichts genutzt.
Meine Damen und Herren, merkt Generalsekretär Wüst eigentlich nicht, dass seine KraftilantiAlbernheiten nicht ziehen? Statt sich endlich von dieser Halbstarken-Nummer im Nadelstreifen zu verabschieden, wird es immer geschmackloser, meine Damen und Herren.
Herr Dr. Rüttgers, dieser Generalsekretär ist nicht vom Himmel gefallen, sondern den haben Sie ausgesucht. Ich behaupte: Nichts von dem, was der tut, hat der nicht vorher mit Ihnen abgesprochen. Also sind das auch Ihre Plakate, die diese Beleidigungen zeigen.
Meine Damen und Herren, natürlich freue ich mich über unser eigenes gutes Wahlergebnis. Wir konnten mit Inhalten punkten, mit Klima, Bildung und Gerechtigkeit. Durch konsequente, beharrliche und sachorientierte Arbeit haben unsere Leute vor Ort die Menschen überzeugt.
Mein persönliches Fazit der Kommunalwahl: Das rechte Lager hat verloren. Das linke Lager hat verloren. Das grüne Lager hat gewonnen. Darauf ruht sich meine Fraktion aber nicht aus, sondern wir machen genauso weiter wie bisher, weil wir wissen, dass darin die Zukunft liegt, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, dass das Rennen für die Bundestagswahl und erst recht für die Landtagswahl im Mai noch nicht gelaufen ist, merkt man nicht nur an der Diskussion über die Ergebnisse der
Kommunalwahl oder daran, dass sich der Ministerpräsident bei der Interpretation der Ergebnisse verheddert, sondern vor allen Dingen daran, wie er rechts außen auf Stimmenfang geht.