Protocol of the Session on September 9, 2009

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen hier im Hohen Hause eine Programmänderung ankündigen:

Die Johannes-Rau-Festspiele sind abgesagt. Der Kaufmann von Kleve ist abgesetzt. Die Masken sind kaputt, die Kostüme zerrissen, die Tünche verbraucht. Es wird nur noch ein Notspielplan restabgewickelt. Mehr geben Regisseur und Spielschar nicht mehr her.

Meine Damen und Herren – ich zitiere –: „Der Weg in die Staatskanzlei führt über die Rathäuser.“ – OTon Jürgen Rüttgers vor der Kommunalwahl – vor zehn Jahren! Dazu sage ich nur: Dank der Kommunalwahl kennt Ministerpräsident Rüttgers nicht nur den Hinweg, sondern auch den Rückweg – raus aus der Staatskanzlei.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Bielefeld verloren, Essen verloren, Köln verloren. Allein in diesen drei Städten werden 2 Millionen Menschen nicht mehr von der CDU regiert. Insgesamt haben Sie seit der letzten Wahl 400.000 Stimmen verloren.

Da trifft es sich gut, dass wir heute über die Bilanz Ihrer Regierung debattieren. Denn der Haushaltsentwurf 2010 ist nichts anderes als die mehr als ernüchternde Bilanz der schwarz-gelben Regierungszeit.

Ich will gar nicht so lange davon sprechen, wo Sie schlicht und einfach eine andere Politik machen, als wir Grüne es getan hätten. Sie haben nun einmal andere Ansätze und Vorstellungen. Sie vertreten halt die politische Ideologie von vorgestern.

(Lachen von der FDP – Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich will mich nicht lange damit aufhalten, dass Sie mutwillig die Umweltverwaltung zerstört haben. Damit haben Sie dem Schutz der Umwelt in Nordrhein-Westfalen schweren Schaden zugefügt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber für Sie ist Umweltschutz immer noch ein Störfaktor und nicht, wie es sich in modernen Zeiten gehört, ein Standortfaktor.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Und von Heimat zu sprechen und gleichzeitig den Staatswald zu verhökern, passt auch nicht zusammen.

Ich will auch nicht groß ausführen, meine Damen und Herren, dass Sie die Windenergie kaputt machen und lieber auf Kohle und Atom setzen. Sie machen eben lieber eine Energiepolitik, die Mensch und Natur aufs Spiel setzt und das Klima aufheizt. Dabei müssen wir mit dem Einsatz für Wind, für Sonne, Energieeffizienz und Gebäudesanierung Energiepolitik und Klimaschutz verbinden und können übrigens genau damit auch Hunderttausende neue Jobs schaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich will auch nicht darauf herumreiten, dass Sie lieber neue Straßen bauen, statt für mehr Busse und Bahnen zu sorgen. Sie machen lieber eine Verkehrspolitik, die auf Flughäfen und neue Straßen setzt statt auf klimaschonende Mobilität und personalintensiven öffentlichen Nahverkehr.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Alles Sprechblasen!)

Ich will auch nicht lange ausführen, dass Sie mit dem KiBiz die Qualität bei der Kinderbetreuung abbauen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie tun sich eben immer noch schwer, den Kindergarten als Bildungseinrichtung zu begreifen.

Nein, ich will mich auch nicht lange damit aufhalten, dass Sie die Schulen etwa mit Ihrem Turboabi noch undurchlässiger gemacht haben, als sie es ohnehin schon sind. Sie wollen partout an einem Schulsystem aus dem vorletzten Jahrhundert festhalten, das Kinder sortiert, aussortiert und auf Bildungsgänge festlegt, statt all ihre Talente zu fördern.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Minister Armin Laschet: Was ist denn das für ein Un- sinn?)

Ich will auch nicht groß anmerken, dass Sie mit Ihren allgemeinen Studiengebühren die Bildungsgerechtigkeit mit Füßen treten, statt mehr für die Studierenden und für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Sie wollen Universitäten für Besserverdienende statt für alle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will nur noch kurz erwähnen, wie massiv Sie in den Frauenhäusern beim Personal sparen. Ihre Frauenpolitik ist – siehe Herdprämie – im Wesentlichen eine für Ehefrauen von gutverdienenden Männern statt eine für alle Frauen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich will auch nicht ausführlich darauf eingehen, wie Sie die Kommunen unseres Landes systematisch um Milliarden betrogen haben, und zwar Jahr für Jahr.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie holen sich das notwendige Geld lieber bei den Städten und Gemeinden, statt den eigenen Haushalt strukturell zu sanieren.

Und es gehört zu Ihrer „Privat vor Staat“-Ideologie, die LEG an Heuschrecken zu verkaufen, statt wenigstens den vor Ort engagierten Unternehmen eine echte Chance zu geben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ihnen geht es um den kurzfristigen Verkaufserlös auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter. Es schert Sie auch nicht, dass letztlich doch wieder die Kommunen die Kosten für heruntergewirtschaftete Häuser und Wohnungen tragen müssen.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Nein, meine Damen und Herren, all das will ich heute gar nicht länger ausführen; das haben wir schon vielfach getan. Das ist Ihr politisches Programm, das ist Ihr politischer Wille, Ihre politische Einstellung. Das haben wir und viele Menschen seit 2005 häufig zu spüren bekommen. Das haben Sie oft auch explizit gegen den Sachverstand, der hier in Anhörungen vorgetragen worden ist, gnadenlos durchgezogen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das, Herr Ministerpräsident, steht unserer Vorstellung von gutem Regieren, von zukunftsgerichteter Politik diametral entgegen.

Auch in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit gilt für Sie immer noch – diese Einstellung haben Sie nicht korrigiert – „Privat vor Staat“. Obwohl Sie anders reden, sind Sie mit Rücksicht auf Ihren marktradikalen Koalitionspartner von diesem Regierungsgrundsatz noch immer nicht abgerückt. Ich bin Herrn Laumann dankbar, dass er das wenigstens ab und an in aller Deutlichkeit formuliert.

(Beifall von Gisela Walsken [SPD])

Sie sollten auf Heiner Geißler hören. Er rät ausdrücklich von der Wahl der FDP ab, weil sie aus der Krise nichts gelernt hat.

Meine Damen und Herren, der Wahlkampf treibt ja bizarre Blüten. Da warnt der Ministerpräsident im Verbund mit Horst Seehofer vor den Auswüchsen neoliberaler marktradikaler Politik. Am Freitag vor der Kommunalwahl sagten Sie, Herr Rüttgers, dem „Handelsblatt“: „Ein Streichkonzert bei den Sozialleistungen passt einfach nicht in diese Zeit.“ – Dazu sage ich nur: Ein Mann warnt vor sich selbst.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Erinnern Sie sich noch daran, dass Sie es waren, der die unabhängigen Beratungsstellen und Arbeitslosenzentren in NRW plattgemacht hat? Mit Ihrer marktradikalen Politik verspielen Sie die Zukunft, statt die Zukunftsthemen zu erkennen und anzupacken.

Zukunft ist jetzt. Ihre politischen Herzen schlagen anders als unsere. Das ist das eine.

Aber dann gibt es da noch ein paar Kernpunkte, bei denen Ihr Versagen nicht auf unterschiedliche politische Ansätze oder ein anderes politisches Programm zu schieben ist. Das sind die Punkte, bei denen Sie selbst, Herr Ministerpräsident, die Latte ganz hoch gelegt haben, nämlich Ihre drei zentralen Wahlversprechen von 2005. Sie haben versprochen: die Arbeitslosigkeit zu senken, eine Unterrichtsgarantie sowie kleinere Klassen und einen ausgeglichenen Haushalt.

Da wollen wir uns doch einmal Ihre politische Bilanz anschauen.

Noch ist die Arbeitslosigkeit zum Glück nicht auf dem Niveau von 2005. Aber weil Sie auf ein eigenes klimaschonendes und jobintensives Konjunkturprogramm verzichtet haben, wird die Zahl bis zur Landtagswahl wieder nah an 1 Million herankommen. Sie wollten Nordrhein-Westfalen an die Spitze bringen. Und wie sieht es aus? – NordrheinWestfalen im Jahr 2005: Platz neun aller Bundesländer bei der Arbeitslosigkeit. Und im August 2009: noch immer Platz neun für NRW, letzter unter den Flächenländern im Westen. Das, was sich verbessert hat, hat sich in allen anderen Bundesländern auch verbessert, und zum Teil sogar mehr als in Nordrhein-Westfalen. In wenigen Monaten wird noch deutlicher werden, dass Sie den Mund beim Thema Arbeitslosigkeit zu voll genommen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Gleiche gilt beim Thema Unterrichtsversorgung. Dazu bescherte uns der Sommer die obligatorische Provinzposse. Noch während der Ferien stritten sich SPD und CDU über Lehrerstellen. Noch vor Kurzem hingen vor der Zufahrt zum Landtagsgebäude Plakate von CDU und SPD. Das eine behauptete das Gegenteil vom anderen. Ein heftiger Streit um Zahlen. Wie viele Lehrerstellen fehlen?

Wie viele sind nicht besetzt? Wie viele Stunden fallen aus? – Selbst den Kennerinnen und Kennern der Landespolitik wurde es schwindlig.

Herr Dr. Rüttgers, Ihre Zahlen sind letztlich Schall und Rauch. Diese Zahlenhuberei interessiert die Menschen auch nicht. Schauen wir doch in die Schulen hinein, denn das, was da Tag für Tag los ist,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)