Protocol of the Session on September 9, 2009

Rot-Grün hat die Neuverschuldung in die Höhe getrieben – trotz Wachstum. Was hätte man wohl heute von einer solchen Regierung zu erwarten?

(Zuruf von der SPD)

Die von der Landesregierung zu Beginn der Wahlperiode eingesetzte Hartmann-Kommission hat sich fundiert mit der Frage befasst, wo NordrheinWestfalen 2010 stehen würde, wenn der bis einschließlich 2005 verfolgte finanzpolitische Kurs fortgesetzt worden wäre. Selbst unter der keinesfalls pessimistischen Annahme eines jährlichen Wirtschaftswachstums von 2 % wäre das jährliche Defizit bis 2010 nach den Berechnungen der Experten auf rund 10 Milliarden € angestiegen.

Das nüchterne Fazit der Kommission zum finanzpolitischen Kurs vergangener Wahlperioden lautet – ich zitiere –: „Das Land NRW ist an die Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gekommen.“ Klar formuliert heißt dies: In einer historischen Wirtschaftskrise, wie wir sie aktuell antreffen, hätte die Politik von damals jede Grenze der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen gesprengt.

(Beifall von der CDU)

Ich bin daher froh, einer Regierung anzugehören, die Maß und Mitte hält. Wir haben verinnerlicht, dass eine Landesregierung immer nur Treuhänderin des ihr von den Bürgerinnen und Bürgern überantworteten Geldes ist.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Deshalb gilt es, Maß zu halten und sorgsam mit den Finanzen des Landes umzugehen. Danach handeln wir auch.

(Sören Link [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Unzweifelhaft kann sich ein Land wie NordrheinWestfalen den Folgen der Krise nicht entziehen. Gegen dramatisch einbrechende Steuereinnahmen und zwei Konjunkturpakete des Bundes mit einem Gesamtvolumen von 80 Milliarden € kann man in einer solchen Situation nicht ansparen. Es wäre auch ökonomisch falsch. Die Folge ist allerdings ein sprunghafter Anstieg der Nettoneuverschuldung des Landes in diesem und im kommenden Jahr gegenüber 2008.

Würde ein Land wie Nordrhein-Westfalen auf einen Schlag 5,5 Milliarden € im Haushalt streichen, um den 2008 mühsam erreichten Stand zu halten, ginge dies in ganz erheblichem Umfang auch zulasten von Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Eine Erosion dieser besonders zukunftsrelevanten Strukturen des Staates kann niemand ernsthaft wollen. Der Staat würde die Krise damit weiter verschärfen. Gerade in konjunkturell instabilen Zeiten muss daher von den öffentlichen Haushalten Planungssicherheit für die für unser Land zukünftig besonders wichtigen Bereiche ausgehen. Der Haushalt 2010 setzt die richtigen Zeichen, damit das Land gestärkt aus der Krise hervorgeht.

Wir erhöhen deshalb den Ansatz für das Kinderbildungsgesetz um weitere 81,5 Millionen €. 2007 haben wir 819 Millionen € für die Kitas ausgegeben. 2010 werden es fast 1,3 Milliarden € sein.

(Beifall von CDU und FDP)

So etwas, meine Damen und Herren, diffamiert die Opposition als Spargesetz.

Wir verbessern mit unserer Politik die Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Zahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige bauen wir in 2010 um 14.500 auf 100.500 Plätze aus. Damit steigern wir die Betreuungsquote in nur einer Legislaturperiode von 3 % – Ihr damaliger Stand – auf 22 %.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir schaffen mit dem Haushalt 2010 insgesamt 920 zusätzliche Lehrerstellen und weitere 39 Stellenäquivalente bei den Ersatzschulen. Bis zum Schuljahr 2010/2011 stellen wir damit in nur einer Legislaturperiode 7.874 zusätzliche Lehrerstellen für individuelle Förderungen, gegen Unterrichtsausfall sowie für den Ausbau von Ganztagsschulen bereit.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir etatisieren für 2010 zusätzliche 95 Millionen € für den Ausbau des Ganztagsschulbetriebs. Damit wird jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt auch Realschulen und Gymnasien zu gebundenen Ganztagsschulen umwandeln können.

Meine Damen und Herren, wir fördern die Innovationskraft unseres Landes. Im Haushalt 2010 liegt das Gesamtvolumen des Innovationsfonds bei 119,5 Millionen €. Davon sind 40 Millionen € für die Stärkung der Exzellenz in Wissenschaft, Forschung und Technologie bestimmt.

Wir gründen drei neue Fachhochschulen mit insgesamt 7.500 Studienplätzen, und zwar jeweils 2.500 in Hamm-Lippstadt und bei den Fachhochschulen Rhein-Waal in Kleve und Kamp-Lintfort sowie Westliches Ruhrgebiet in Mülheim und Bottrop.

Wir schaffen weitere 2.500 neue Studienplätze an acht bereits bestehenden Standorten.

Außerdem gründen wir in Bochum die bundesweit erste Fachhochschule für Gesundheitsberufe, den Gesundheitscampus Nordrhein-Westfalen mit 1.000 neuen Studienplätzen.

Wir werden in den Jahren 2011 bis 2015 den Hochschulpakt II umsetzen und dafür insgesamt 1,8 Milliarden € an Bundes- und Landesmitteln bereitstellen.

Wir haben bis 2015 ein Programmvolumen von insgesamt 5 Milliarden € vorgesehen, um den von Rot-Grün verursachten Sanierungsstau an unseren Hochschulen beschleunigt abzubauen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese konsequente Fortsetzung der Investitionen in politische Schwerpunkte ist das denkbar beste Konjunkturprogramm, das die Landesregierung auf den Weg bringen konnte. Damit sichern wir die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Wir gewährleisten Stabilität und stärken die Wachstums- und Innovationskraft unseres Landes. Sicherlich ist Stabilität nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles nichts.

Konjunkturstabilisierend wirkt sich aktuell auch die von uns bereits 2006 vorgenommene Umstellung des Referenzzeitraumes für das Gemeindefinanzierungsgesetz aus. Während die Steuereinnahmen 2009 deutlich zurückgehen, sind die an die Kommunen zu verteilenden Gelder in diesem Jahr sogar noch gestiegen. Erst 2010, also mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung, wirkt sich der Rückgang der Steuereinnahmen auch bei den Kommunen zu einem Teil aus. Er fällt gegenüber dem Rekordjahr 2009 mit minus 250 Millionen € bzw. minus 3,1 % jedoch sehr moderat aus. Mit insgesamt 7,72 Milliarden € überweist das Land den Kommunen inmitten einer historischen Rezession immerhin den zweithöchsten Finanzausgleichsbetrag in der Geschichte Nordrhein-Westfalens.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir leiten zudem bundesweit vorbildliche 84 % der Mittel aus dem Konjunkturpaket II an die Kommunen in Nordrhein-Westfalen weiter, um kommunale Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu fördern. Das sind 2,38 Milliarden €. Gleichzeitig beteiligt sich das Land am Eigenanteil der Kommunen mit 50 %. Die Kommunen haben nur einen Kofinanzierungsanteil von 12,5 %.

Auf ein bürokratisches Antragsverfahren haben wir bewusst verzichtet, damit die Mittel schnell konjunkturwirksam werden. Vor Ort weiß man schließlich am besten, wo Bedarf besteht. Deswegen entscheidet in Nordrhein-Westfalen jede Kommune über die Verwendung der Mittel im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst.

Und, meine Damen und Herren, der Erfolg gibt uns Recht: Per heute sind rund 3.515 Maßnahmen in der Planung bzw. bereits in der Durchführung mit

einem Gesamtvolumen von rund 1,29 Milliarden €. Das schafft Planungssicherheit und hilft, Arbeitsplätze vor allem im Handwerk und im Mittelstand zu sichern.

Aktuell sind damit rund 45 % der für NordrheinWestfalen vorgesehenen Mittel verplant. Vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ist dies ein ausgezeichnetes Ergebnis. Es beweist: Der nordrheinwestfälische Weg ist richtig und hat sicherlich Vorbildfunktion in der Bundesrepublik. Wir handeln, damit unser Land schnellstmöglich wieder auf Wachstumskurs kommt. Um mit Karl Schiller zu sprechen: Wenn man die Pferde richtig an die Tränke führt, dann saufen sie auch.

(Beifall von CDU und FDP)

Angesichts der historischen Rezession müssen wir einen kurz- und mittelfristig deutlichen Anstieg der Neuverschuldung akzeptieren. Dies heißt aber nicht, dass wir uns den Verlust jedes finanzpolitisch vertretbaren Maßes leisten können. Im Gegenteil: Wir müssen das Maß halten. Das ist auch der Unterschied zwischen der schwarz-gelben Landesregierung und Rot-Grün. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fordern alles Mögliche; nur ist das nicht bezahlbar ohne einen neuen, noch größeren Schuldenberg. Gerade jetzt muss die Politik aber darauf bedacht sein, dass die Neuverschuldung nur im unvermeidbaren Ausmaß steigt.

Im Vergleich zum Bund steht Nordrhein-Westfalen aktuell vergleichsweise gut da. Der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wird für das Jahr 2010 die Rekordneuverschuldung von 86 Milliarden € vorlegen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Regieren Sie da nicht mit?)

Gegenüber dem Ergebnis aus dem Jahr 2008 von 11,5 Milliarden € ist dies eine Verachtfachung der Neuverschuldung des Bundes.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum greifen Sie denn da dann nicht ein?)

Obwohl Nordrhein-Westfalen von der Wirtschaftskrise gleichermaßen betroffen ist, steigt hier die Verschuldung – ich setze es bewusst in Anführungsstriche – „nur“ um den Faktor 6.

Genauso zwingend, meine Damen und Herren, ist es nach der Krise, die Neuverschuldung wieder konsequent zurückzuführen. Bereits heute drücken uns Zinslasten von 4,6 Milliarden € jährlich. Sie sind das Ergebnis längst vergangener Freuden maßloser roter und rot-grüner Haushaltswirtschaft.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)

Das ist ein gewaltiger Sprengsatz, den Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zukünftigen Generationen unter den Sitz gelegt haben. Bis 2013 werden die Zinslasten, ohne dass die Landesregie

rung hierauf einen Einfluss hätte, auf voraussichtlich 5,9 Milliarden € anwachsen.

Wir sollten deshalb nicht den Fehler begehen, die zukünftig anfallenden Kosten steigender Staatsverschuldung zu gering zu achten und den Nutzen höherer Staatsausgaben zu hoch zu bewerten. Die Richterin am Bundesverfassungsgericht Professor Osterloh hat diesen Sachverhalt mit folgendem Bild trefflich beschrieben – ich darf sie zitieren –: Jeder einzelne Haushaltsanschlag ist in Wirklichkeit mit einem anteiligen Zinsaufschlag belastet. Man muss den Haushaltsplan also gleichsam wie eine Preisliste eines Händlers lesen, bei der die Mehrwertsteuer in den Einzelposten noch nicht berücksichtigt ist.

Aktuell, meine Damen und Herren, ist daher jeder Haushaltsansatz gedanklich mit einem Zinsaufschlag von knapp 9 % zu versehen. Das ist der Zinsausgabenanteil am gesamten Ausgabenvolumen unseres Landes.

So gesehen überweist das Land beispielsweise für jede 100 €, die es einem seiner Beschäftigten zahlt, zugleich 9 € Zinsen an eine Bank. Diese Zinslasten werden weiter steigen.

Hinzu kommt: Die Beschäftigten haben von diesem Anstieg bei den Zinsausgaben nichts. Diesen Aufwuchs frisst alleine der Kreditmarkt. Schon deswegen muss der ausgeglichene Haushalt unser strategisches Primärziel bleiben, damit irgendwann jeder Euro, der für das Personal ausgegeben wird, auch tatsächlich in den Portemonnaies der Beschäftigten landet.

Als wir 2005 angetreten sind, haben wir den Bürgerinnen und Bürgern eine realistische Perspektive für die Konsolidierung des damals mit 112,2 Milliarden € hochverschuldeten Landeshaushalts versprochen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben allen alles versprochen!)