Protocol of the Session on March 22, 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der kürzlich veröffentlichte Bericht des IPCC zeichnet für unseren Planeten ein düsteres Bild. Reißen wir das 1,5Grad-Ziel, droht eine durch Kipppunkteffekte außer Kontrolle geratene Klimakatastrophe. Damit verbunden ist u. a. ein massiver Anstieg des Meeresspiegels, der Niedersachsens Küsten bedroht.

Wir, die wir als Landtagsabgeordnete in der Verantwortung für das Handeln unseres Landes stehen, können das keinesfalls ignorieren. Wir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung

setzen, um dem rasant voranschreitenden Klimawandel auch nur ansatzweise adäquat begegnen zu können. Einer der wichtigsten Hebel ist dabei die Energiewende: Umstellung des Energieverbrauchs auf Strom auf der einen Seite und Umstellung auf eine klimaneutrale Stromproduktion mit Erneuerbaren auf der anderen Seite.

Wir wollen alle möglichen Potenziale nutzen, doch zwei Energieerzeugungsarten sind für uns dabei besonders zentral: Windenergie und Solarenergie. Beide wollen und werden wir in dieser Legislatur mit aller Kraft voranbringen.

Bei der Solarenergie müssen wir dabei wahrlich - um das Wording unseres Ministers zu benutzen - einen … - nein, ich sage es nicht - zünden; denn das Ausbauziel der Solarenergie ist im Vergleich mit der Windenergie mehr als doppelt so hoch und der Ausbaustand um mehr als das Zehnfache geringer. Aufpassen jetzt, weil das wichtig ist! Das Rekordausbaujahr 2014 wollen wir zukünftig jährlich um mehr als das Sechsfache übertreffen.

Die Herausforderung des Solarausbaus ist zudem umso größer, da rund 80 % des Ausbaus auf bereits versiegelten Flächen stattfinden soll. Dies ist in der ersten Linie die Nutzung von Dächern, aber wir werden auch Wandflächen vertikal solarisieren und Parkplätze in großem Stil mit PV überdachen müssen.

Die durchschnittliche PV-Anlagengröße betrug in den vergangenen beiden Jahren in Niedersachsen nur 15 kWp. Um unser Ziel zu erreichen, müssen wir dementsprechend jährlich 250 000 Personen im Land davon überzeugen, auf ihren Immobilien Solaranlagen in entsprechender Größe anzubringen. Dies ist wahrlich eine Herkulesaufgabe. Der Bund liefert hierzu zwar bereits einen wichtigen Baustein, indem er die Streichung der Mehrwertsteuer auf Solarenergieanlagen und Speicher veranlasst hat - das ist auch ein guter Kaufanreiz -, aber nun müssen auch wir in Niedersachen unsere Bausteine hinzufügen.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen der CDU, da Sie gerade nicht wirklich aufpassen,

(Jörn Schepelmann [CDU]: Von we- gen!)

möchte ich an dieser Stelle einmal sagen: Ich erwarte hierbei volle Kooperation, und ich wünsche mir ganz eindringlich von Ihnen, dass wir - - -

(Unruhe)

Moment! Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten. Die Rednerin hat das Wort. Ich bitte um ein wenig mehr Ruhe und Disziplin. - Danke schön.

Ich wünsche mir ganz in dem Sinne, wie wir im Ausschuss gemeinsam gestartet sind, dass Sie uns mit gutem Rat zur Seite stehen und wir gemeinsam auf eine fruchtbare Kooperation und auf Know-howAustausch setzen.

(Zustimmung bei der SPD)

Alles andere ist nach den Ergebnissen von Montag absolut ausgeschlossen. Alles andere würde allem entgegenstehen, was wir jetzt brauchen; denn der Klimawandel wird auf politische Spielchen keine Rücksicht nehmen. Wir sitzen in einem Boot, und das Wasser steigt verdammt schnell. Wir wissen das, und Sie wissen das, nur Sie da rechts wissen es nicht, Sie haben es nicht verstanden. Ich mache mir auch keine Hoffnungen, dass sich das noch ändert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Insofern: Lassen Sie uns zusammenarbeiten!

Es gilt, auf 0,5 % der Landesfläche Freiflächen-PV unter Berücksichtigung der Interessen von Landwirtschaft und Naturschutz zu realisieren. Die Frage ist nicht, ob wir die 15 GW Freiflächen-PV realisieren wollen, sondern die Frage ist nur, wo und wie schnellstmöglich. Diese Frage wird u. a. im Rahmen der Taskforce Energiewende zu beraten und zu beantworten sein, eben da, wo zukünftig Expertinnen sitzen, die uns hoffentlich in einem positiven Sinne voranbringen.

Die notwendige Solaroffensive ist ohne Zweifel eine gewaltige Herausforderung für uns alle gemeinsam. Es ist eben aber auch eine gewaltige wirtschaftspolitische Chance.

Mit der Bereitstellung von günstigem Solarstrom helfen wir Menschen und ihren Betrieben. Wir verschaffen landwirtschaftlichen Betrieben ein weiteres Standbein, indem wir Landwirtinnen bei der Umsetzung von innovativen Agri-PV-Projekten unterstützen. Wir helfen der Wasserwirtschaft bei der Bereitstellung von kühlem Wasser insbesondere im Sommer, indem wir prüfen, inwieweit wir auf den Stauseen Floating-PV installieren können.

Wir stärken unser gemeinsames Know-how, indem wir das ISFH, das Institut für Solarenergieforschung, bei seiner wichtigen Forschung auch finanziell unterstützen. Wir bekämpfen den Fachkräftemangel durch forcierte Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote. Und last, but not least: Wir wollen Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Effizienztechnologie wieder verstärkt in Niedersachsen produzieren.

So verringern wir Abhängigkeiten, und so schaffen wir nachhaltige Arbeitsplätze und eine prosperierende grüne Wirtschaft für dieses Land.

Frau Kollenrott, ich darf Sie kurz unterbrechen: Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Mohrmann zu?

Aber klar.

(Carina Hermann [CDU]: So macht man das, Frau Osigus!)

Bitte, Herr Dr. Mohrmann!

Sehr geehrte Frau Kollenrott, herzlichen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage.

Sie haben gerade dargestellt, in welcher Form und wie schnell Sie beim Ausbau der erneuerbaren Energien sozusagen Gas geben wollen. Denken Sie dabei in der gleichen Geschwindigkeit den Ausbau von Netzkapazitäten und Speicherkapazitäten mit?

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Frau Kollenrott!

Herr Mohrmann, danke für die Frage.

Das ist natürlich völlig richtig: Das Netz muss mit den erneuerbaren Energien, die wir ausbauen, mitwachsen. Deswegen habe ich mich gerade mit den Übertragungsnetzbetreibern und den Verteilnetzbetreibern getroffen, um dezidiert - denn heute wird ja auch der neue Netzentwicklungsplan veröffentlicht - noch einmal darüber zu sprechen, wie wir dem Thema beikommen. Und ja: Es wird neue Querverbindungen geben müssen.

Ich finde es total wichtig, dass Sie jetzt schon beweisen, dass Sie dabei an unserer Seite sein wollen. Sie sind nach wie vor herzlich eingeladen, es auch weiterhin zu sein. Ich hoffe sehr auf Zusammenarbeit.

Ja, das Netz muss mitwachsen, keine Frage!

(Beifall bei den GRÜNEN - Sebastian Lechner [CDU]: Und die Speicher!)

- Hier kam gerade noch ein Zwischenruf. Ja, auch die Speicher brauchen wir dringend. Da müssen wir zu einem Auskommen zwischen erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten kommen und der Frage nach Nachhaltigkeit und möglicherweise Auseinandersetzungen mit dem Naturschutz. Wir dürfen dabei nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern müssen dabei gemeinsam vorankommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Letzter Satz, weil die Zeit läuft: Manchmal - das wird Sie jetzt wundern - hat auch Christian Lindner recht. Er sagte einst: „Probleme sind nur dornige Chancen“. In diesem Sinne: Packen wir die Solar-Offensive mit aller Kraft gemeinsam an, und münzen wir sie um in einen essenziellen Baustein unseres bald klimaneutralen Landes!

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollenrott. - Der nächste Redner ist Herr Schledde von der AfD-Fraktion. Bitte schön!

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Solaroffensive - Ausbau vervielfachen, Innovation und Produktion stärken“ - an Komik nicht mehr zu überbieten. Die nächste Materialschlacht bahnt sich hier an.

Von 2011 bis 2017 sank Deutschlands Rang in der Photovoltaikindustrie. Der Weltmarktführerstatus wurde an China abgegeben. Das war jedoch mal ganz anders. Deutsche Unternehmen wie Qcells, Solarworld oder Centrotherm bewiesen sich als Weltmarktführer für Photovoltaik.

95 % der in Deutschland aktuell verbauten Solaranlagen beziehen wir aus China. Warum wanderte die Photovoltaikindustrie ab? - Weil China auf niedrigere Löhne, geringere Energie- und Produktionskosten setzt und außerdem auf wichtige Rohstoffe direkten Zugriff hat. Welche Produktionen und Innovationen wollen Sie also in Deutschland stärken? Warum sollte ausgerechnet Ihnen dies ernsthaft gelingen?

Deutschland hat mit seiner Entscheidung für den Ausstieg sowohl aus der Kernenergie als auch der Kohleenergie einen Sonderweg eingeschlagen und ist damit ziemlich allein auf der Welt. Dadurch wurden technische Innovationen bei der Fusionstechnik, der Geothermie oder in sicheren Alternativen der Kernenergie stark behindert. Niemals war der Wahlslogan „Grün wirkt“ zutreffender als heute.

Die Diskussion zu einer nachhaltigen Entwicklung ist von drei Strategien geprägt: Konsistenz - Kreislaufwirtschaft, Müllvermeidung -, Suffizienz - Aufwandsreduzierung - und Effizienz - optimale Ausnutzung von Material und Energie. Keine dieser Strategien kommt beim exzessiven Ausbau von Wind- und Photovoltaik zum Tragen. Sie treten mit dem massiven Ausbau sogenannter erneuerbarer Energien sogar in direkte Konkurrenz zum Wohnungsbau.

Verschiedene Faktoren machen das wirtschaftliche Umfeld für Wind und Photovoltaik zukünftig extrem unübersichtlich: Fachkräftemangel, stark steigende Herstellungs- und Montagekosten, steigende Wartungs- und Entsorgungskosten, zunehmender Widerstand aus der Bevölkerung, Rohstoffkosten. Ein Kernkraftwerk benötigt ca. 1 ha Fläche zur Erzeugung von 1 GW. - Übrigens: Ein Kernkraftwerk ist regelbar. - Photovoltaik benötigt zur Erzeugung von 1 GW eine Fläche von ca. 1 000 ha - - nicht regelbar, nur temporärer Strom, genauso wie bei der Windenergie.

Die durchschnittliche Auslastung der Windenergieanlagen in Niedersachsen beträgt ca. 20 %, die Auslastung von Photovoltaik 11 %.

Und wer dachte, dass Materialschlachten ein Zeichen des 20 Jahrhunderts waren, wird im 21. Jahrhundert eines Besseren belehrt - allerdings mit einer anderen Zielsetzung: Unter enormem Rohstoffeinsatz wird eine unsichere und ineffiziente Energieversorgung in den nächsten Jahren ausgebaut.