Protocol of the Session on December 10, 2020

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Alt. - Nun hat sich der fraktionslose Kollege Stefan Wirtz zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich konnte meine Rede nicht zerreißen. Ich hätte das aber erwartet; denn auch

dieser Antrag von SPD und CDU listet einiges auf: neue Veranstaltungsformate, Projektfördergelder behalten, Neustart, Rückkehr Wirtschaftshilfe. Das ist alles zu spät oder zu früh, es ist nicht in der Zeit. Der Antrag ist vom 3. November, und selbst wenn er von Montag gewesen wäre, wäre er heute, am Donnerstag, vielleicht nicht mehr up to date.

Das Einzige, was man festhalten kann, ist, dass die Kulturszene - die Mitarbeiter dort, vor allen Dingen die systemrelevanten - vielleicht doch in eine Art Kurzarbeiterstatus aufgenommen werden sollten. Denn wie stellen Sie sicher, dass von diesen Maßnahmen, diesen riesigen Töpfen, die noch verdoppelt werden, die ausgeschüttet werden, das Geld auch da ankommt, wo es hingehört, wo es sein muss, nämlich bei denjenigen an der Basis, die für die Räder, die rollen sollen, sorgen, die eigentlich den Betrieb am Laufen halten? Wie kommen die zu dem Geld, dass sie in dem nächsten Monat zum Leben brauchen? - Ich habe schon von der Novemberhilfe gesprochen, die erst im Januar kommt.

Sie haben die Clubs erwähnt. Clubs sind vor allen Dingen das eine: ein paar Bierchen zu lauter Musik. - Gut, für altgediente CSU-ler nennt man das Autofahren.

(Zurufe von der CDU)

Wir nennen diese Clubs aber immer noch Vergnügungsstätten und nicht so sehr Kulturstätten. Die Definition ist schwierig. Ganz dogmatisch kann es nicht gehen. Herr Toepffer hat es auch erwähnt. Das Autofahren war ein schönes Stichwort. Herr Toepffer, wenn Sie Blaulicht sehen, dann müssen Sie Platz machen. Das wird vielleicht auch noch kommen. Das vielleicht noch zu Ihrer kleinen Ansprache mit dem Blinken vom Vormittag.

Herr Toepffer, Sie haben beklagt, dass heute gar nichts von der Haushaltsdebatte gestern Nachmittag berichtet wurde. Nun ja, es ist schon arg selbstbezogen, was wir hier tun. Dadurch finden Sie auch keinen Rückhalt und kein Interesse in der breiten Bevölkerung.

In diesen dunkelsten Tagen in einem ziemlich dunklen Jahr, wo wir versuchen, die Ziellinie 2021 zu erreichen, möchte ich Ihnen aber auch etwas wünschen. Wir wollen in eine neue Realität. Wir müssen feststellen: Für manche ist es nur noch Shoppen und fein Essen. Das geht dieses Jahr nicht.

Vielleicht in diesem Sinne: neue Weihnachten oder ein helleres neues Jahr, auch von meiner Seite.

Danke sehr.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordne- ten)

Danke, Herr Kollege Wirtz. - Für die SPD-Fraktion hat sich die Kollegin Hanna Naber zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Moment kann niemand vorhersagen, wann das kulturelle Leben wieder ganz normal laufen wird, also ohne Maske, Abstand oder Plexiglaswände, mit Hunderten Besucherinnen und Besuchern gleichzeitig. Das ist nicht nur für uns „Konsumentinnen und Konsumenten“ bedrückend, sondern vor allem für die Kulturschaffenden, eben weil wir nicht absehen können, wie lange uns das Virus und die damit verbundenen Einschränkungen begleiten werden, müssen wir vorsorgen. Wir brauchen beizeiten einen Stufenplan Kultur: Wann kann was unter welchen Bedingungen stattfinden? - Wir müssen auch darüber hinaus Sicherheit vermitteln, wo wir es denn können. Deswegen fordern wir die Zusage ein, dass schon bewilligte Fördergelder nicht zurückgezahlt werden müssen. Die wenigsten Projekte konnten dieses Jahr so umgesetzt werden, wie geplant. Trotzdem haben die Kulturschaffenden Geld investiert. Es wäre unverantwortlich, dieses Geld nun zurückzufordern und damit zwangsläufig die finanzielle Not der Kreativen in Niedersachsen weiter zu verschärfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern außerdem Sicherheit für die Kommunen ein. Im zweiten Nachtragshaushalt haben wir explizit einen Rettungsschirm für niedersächsische Kommunen beschlossen. Und das ist gut so! Kultur ist aber immer noch eine freiwillige Leistung der Kommunen, und diese haben oft keine andere Wahl, als an Kultureinrichtungen zu sparen. Das trifft natürlich wieder zuerst die finanzschwächeren Kommunen und torpediert damit die Idee von gleichen Chancen auf kulturelle Teilhabe.

Ich denke, ich muss hier nicht wiederholen, was wir zuletzt am Dienstag ausführlich besprochen haben. Inzwischen sollte allen bekannt sein, dass kulturelle Teilhabe kein Selbstzweck ist, sondern den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert. Ge

rade im Flächenland Niedersachsen ist es deswegen besonders wichtig, kulturelle Angebote in der Breite zu ermöglichen. Mit unserem Antrag wollen wir dafür sorgen, dass Menschen auch in Zukunft nicht nur hier in Hannover, in Braunschweig oder Oldenburg von kulturellen Angeboten profitieren können, sondern eben auch in Neuenhaus, Bad Bevensen oder Duderstadt.

Im Übrigen möchte ich ganz deutlich unterstützen, was der Kanzler in spe, Olaf Scholz, am Wochenende angekündigt hat.

(Beifall bei der SPD)

Wer in der zweiten Jahreshälfte 2021 kulturelle Veranstaltungen haben möchte, muss jetzt dafür Vorsorge treffen. Ein Schutzschirm für Veranstaltungen ist genau die Art von vorausschauender Politik, die wir brauchen. Lassen Sie uns das gleiche Prinzip auch hier in Niedersachsen umsetzen und schon jetzt planen, wie wir der Kultur im kommenden Jahr den Rücken stärken können!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an der Zeit, unser Verständnis von Kultur zu überdenken. Der Kollege von der FDP hat das auch schon eingefordert. Nicht nur die Festivalszene hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Auch Clubs und Kneipen arbeiten Hand in Hand mit lokalen Kulturschaffenden zusammen. Denken Sie beispielsweise an plattdeutsche Poetry Slams, die von Kneipen organisiert und mit Preisen gesponsert werden! Solche Angebote können je nach Ausgestaltung durchaus als kommerziell bezeichnet werden. Wir plädieren daher dafür, die Förderungen für Soloselbstständige und Freischaffende in kulturnahen Berufen auch auf kommerzielle Angebote dieser Art auszuweiten.

Es bleibt viel zu tun, aber einen Teilerfolg kann ich schon heute verkünden. Eine wichtige Forderung der SPD Niedersachsen ist es ja, die Kulturszene grundsätzlich besser sozial abzusichern. Wir wollen die Kreativität und Energie schließlich in künstlerischen Projekten sehen und nicht in der akribischen Suche nach Fördermöglichkeiten und Gelegenheitsjobs.

Wir haben versprochen, dass wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, die Sozialversicherungssysteme zu überarbeiten. Es ist weder zeitgemäß noch gerecht, Soloselbstständige und Freiberuflerinnen und Freiberufler durch das Raster fallen zu lassen. Wir sehen ja, dass zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Monaten Sicherheit und Stabilität aus eben diesen Ver

sicherungen ziehen konnten. Das gilt im Übrigen nicht nur für gesellschaftliche, sondern auch für individuelle Krisensituationen.

Gemeinsam mit meinem schon zitierten und gelobten Bundestagskollegen Dennis Rohde ist es gelungen, den Stein für dieses Vorhaben ins Rollen zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesverband Freie Darstellende Künste und das ensemble-netzwerk erhalten 900 000 Euro, um konkrete Lösungen zu erarbeiten. Die Expertinnen und Experten sind gut vernetzt und können ihr Know-how so einbringen, dass es am Ende die Situation von Kulturschaffenden wirklich verbessert. Das ist ein wirklicher Erfolg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus konnten im Bundeshaushalt noch einmal 9,2 Millionen Euro mehr für die Künstlersozialkasse veranschlagt werden. Damit können die Beiträge im kommenden Jahr stabil bleiben, obwohl dieses Jahr pandemiebedingt deutlich weniger Veranstaltungen stattfinden konnten.

„Bund und Land - Hand in Hand“ - so muss es weitergehen für die Kultur. Und weil das vermutlich unser letzter Plenartag vor den Feiertagen ist, lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Karl Lehmann, dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz: „Weihnachten offenbart die Temperaturen im Umgang der Menschen untereinander.“ In diesem Sinne: Halten wir Abstand, aber halten wir zusammen! Ich wünsche besinnliche Festtage, und bleiben Sie bitte alle gesund!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Naber. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Thümler zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil Frau Naber das Thema gerade angesprochen hat: Es wird keine Rückforderungen von bewilligten Mitteln aus dem Kulturbereich geben, weil die Mittel ja genau dazu beitragen sollen, dass die Künstlerinnen und Künstler bzw. die Veranstaltungsstät

ten es nicht noch schwerer haben, als sie es ohnehin schon haben - und jede Rückforderung könnte im Grunde genommen das Aus für eine Einrichtung bedeuten.

Der zweite Punkt ist, dass die weiteren Bewilligungen von Maßnahmen aus dem Programm „Niedersachsen dreht auf“ in dieser Woche bzw. in der kommenden Woche weiter fortgesetzt werden und soweit möglich noch in diesem Jahr beschieden werden. Ansonsten noch im Januar; wir haben ja bis Ende Februar Zeit, die Sachen weiterzumachen.

Das ist übrigens auch der Kernpunkt. Sie brauchen kein Konzept einzufordern, wie die Kultur revitalisiert werden kann. Dieses Konzept haben wir mit „Niedersachsen dreht auf“ vorgelegt, in das wir explizit geschrieben haben, dass Kultureinrichtungen bis Februar beantragen können und die Veranstaltungen dann bis Ende 2021 durchgeführt werden müssen. Das ist beispielgebend in

Deutschland; andere Länder machen das so nicht. Das ist aber genau der Punkt. Wir sagen, 2021 kann man in den besseren Jahreszeiten wahrscheinlich wieder spielen und dementsprechend auch Kunst und Kultur sehen.

Dritte Bemerkung. Der fiktive Unternehmerlohn, über den wir hier schon mehrfach gesprochen haben, ist etwas, was ich persönlich ausdrücklich unterstütze und auch schon mehrfach bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier hinterlegt habe. Der Bund hat sich jetzt an dieser Stelle bewegt. Die Novemberhilfe ist das eine, die Dezemberhilfe wird das andere sein. Das reicht aber am Ende nicht aus.

Deswegen ist der Hinweis, den Frau Naber gerade in der Frage gegeben hat, wie wir eigentlich mit der sozialen Absicherung von Soloselbstständigen, Künstlerinnen und Künstlern und vielen anderen Menschen, die damit zu tun haben, umgehen, eine der entscheidenden Fragen der Zukunft, die wir eben auch gemeinsam beantworten müssen. Natürlich ist in einem Solidarsystem klar: Wer nichts in die Kasse einzahlt, kann auch nichts rauskriegen. Das ist ja das Problem. Deswegen muss es einen Weg geben.

Wir haben auch mit Künstlerinnen und Künstlern in Niedersachsen besprochen, wie man diesen Weg gehen kann. Das ist aber nicht trivial, weil es natürlich Geld kosten wird, das aufgebracht werden muss. Aber auf der anderen Seite muss man es Künstlerinnen und Künstlern vielleicht auch zumuten, dass sie an dieser Stelle selbst weiter Beiträge

in diese Kasse einbezahlen, um dann entsprechend Geld herauszubekommen. Die Pandemie lehrt es. Ich glaube, dass wir auch da noch viele Gespräche vor uns haben. Das ist aber auch gut, damit wir auch im Gespräch sind.

Wir führen derzeit - ich glaube, das kann man für fast alle hier im Haus sagen - sehr viele Gespräche, nicht nur mit Künstlerinnen und Künstlern, sondern mit vielen Betroffenen in der Gastronomie und in vielen anderen Bereichen, die sich teilweise auch überschneiden und überdecken. Es ist gut, dass wir dicht bei den Menschen sind und zuhören, was sie zu sagen haben, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das tun wir.

Das ist übrigens auch der Unterschied zu BadenWürttemberg. Dort hat man erst einmal mit viel Geld einen fiktiven Unternehmerlohn auf den Weg gebracht, aber mittlerweile kommen die Rückführungsbescheide; Geld muss wieder zurückbezahlt werden. Das wollten wir den Menschen in Niedersachsen ersparen, weil es natürlich zusätzlichen Frust bedeutet, wenn Sie erst Geld bekommen, das Sie ausgeben, und anschließend jemand vom Amt kommt und das Geld wieder zurückholen will. Das macht keinen Sinn, meine Damen und Herren.

Es mag hier vielleicht etwas nüchtern-norddeutsch zugegangen sein, aber am Ende sind wir dichter bei den Menschen. Und das ist gut so.

Ich danke Ihnen herzlich für die Zusammenarbeit und wünsche Ihnen einen frohen Advent und ein frohes Weihnachtsfest.

Bleiben Sie gesund! Bis ins nächste Jahr!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister Thümler.