Protocol of the Session on December 10, 2020

Für die SPD-Fraktion darf ich noch einmal festhalten: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben - zumindest zunächst nicht. Wir müssen gucken, wie sich die Entwicklung dort weiter einstellt. Aber es war unser Ziel, dass dort keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es weiter mit der Mitbestimmung und der guten Arbeit? - Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch an unseren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dafür, dass er mit dem neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz durchgesetzt hat, dass Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie endlich verboten werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der CoronaPandemie und natürlich auch für das Thema „Gute Arbeit in Niedersachsen“!

Die Regierungsfraktionen SPD und CDU haben einen Entschließungsantrag in den Wirtschaftsausschuss eingebracht, der zum Ziel hat, das 100 Jahre alte Betriebsverfassungsgesetz an die Erfordernisse der neuen Zeit und an die Digitalisierung anzupassen. Wir wollen das Betriebsverfassungsgesetz weiterentwickeln. Wir wollen, dass die Transformation durch Globalisierung, Digitalisierung und die Energiewende eine Modernisierung der Mitbestimmung zur Folge hat.

(Glocke der Präsidentin)

Wir machen in diesem Entschließungsantrag konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Mitbestimmung

und die Betriebsräte sollen gestärkt werden. Weitere Rechte bei der Einführung Künstlicher Intelligenz und beim Datenschutz sollen die Folge sein.

Und Sie kommen langsam zum Schluss!

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Zusätzlich sollen der Arbeitnehmer- und Betriebsbegriff erweitert werden und auf neue Formen der globalen, digitalen Arbeit wie Clickwork erweitert werden, und ein Recht auf Nichterreichbarkeit der Arbeitnehmer soll eingeführt werden.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich respektiere selbstverständlich den Hinweis meiner Präsidentin. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ich glaube, ich konnte deutlich machen, dass das Thema Mitbestimmung der SPD am Herzen liegt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Es ist deutlich geworden. Danke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Abgeordnete Eva Viehoff. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Feiern wir also heute das Betriebsrätegesetz, dessen 100. Geburtstag sich allerdings schon am 4. Februar dieses Jahres jährte. Denn 1920 hat an ebendiesem Tag der Reichstag es verabschiedet.

2020!

Nein.

2020 war der 100. Geburtstag.

Sorry. Das wird hoffentlich nicht meiner Redezeit angerechnet.

Nein.

2020 feiern wir den 100. Geburtstag des 1920 beschlossenen Reichstagsgesetzes. Ich glaube, das habe ich deutlich gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und das ist ein Meilenstein für die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil es nämlich in der Grundlage das Recht einräumte und einräumt, Betriebsräte zu wählen, und damit auch die Grundlage für die Mitbestimmung legte.

Das heute gültige Betriebsverfassungsgesetz baute darauf auf. Es wurde 1952 verabschiedet, 1972

und 2001 reformiert und verbessert. Und trotzdem gilt - genauso wie die Arbeitswelt einem kontinuierlichen Wandel unterworfen ist -, dass sich die Mitbestimmung dynamisch entwickelt.

Deshalb glauben wir als Grüne und auch als Gewerkschaften, dass wir bei der Frage von Mitbestimmung heute noch deutlich Luft nach oben haben. Wir wollen das Betriebsverfassungsgesetz weiter verbessern und mehr Mitbestimmung für Betriebsräte möglich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir uns die aktuellen Zahlen an! Nur noch 41 % der Beschäftigten in privatwirtschaftlichen Betrieben ab fünf Beschäftigten können einen Betriebsrat wählen. Das war schon einmal besser. 1996 lag dieser Anteil im Westen bei 51 %. Und wie schon erwähnt worden ist, hat die Mitbestimmung deutliche Vorteile. Die Studien zeigen tatsächlich, dass sich die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten verbessern, dass die Arbeitsplätze sicherer sind. Sie sind familienfreundlicher, sie werden besser bezahlt - und vor allem gilt das für Frauen, die in solchen Betrieben deutlich bessere Einkommen erwirtschaften. Natürlich ist an der einen oder anderen Stelle bei den Vereinbarungen auch mehr Urlaub drin.

Die Mitbestimmung kommt dem ganzen Unternehmen zugute, und - auch das wurde schon erwähnt - mitbestimmte Unternehmen sind innovativer. Sie investieren mehr in die Qualifizierung der Beschäftigten, und sie sind deutlich krisenfester.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aktuell ist die Arbeitswelt in einem großen Wandel. Die Grundlagen der Mitbestimmung orientieren sich aber heute noch an der analogen Arbeitswelt. Für die moderne Arbeitswelt brauchen wir dringend einen Relaunch der Mitbestimmung; denn mit starken Personal- und Betriebsräten können die Risiken minimiert und gleichzeitig die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden.

Dazu gehört ein echtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht bei der Weiterbildung und der Qualifizierung von Personal. Bei der Digitalisierung der Arbeitswelt ist es auch wichtig, dass der betriebliche Schutz der Persönlichkeitsrechte nicht zu kurz kommt.

Ein Einsatz von Software und Künstlicher Intelligenz mit Auswirkungen auf die Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Beschäftigten darf nicht ohne den Betriebsrat erfolgen, und es darf nicht

sein, dass optimal vernetzte Prozesse Beschäftigte optimal überwachen, was z. B. im Jahr 2017 bei Amazon in Winsen herausgekommen ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Digitalisierung führt zu mehr entgrenzter Arbeit und damit auch zu psychischen Belastungen und gesundheitlichen Gefährdungen. Deshalb muss die Mitbestimmung bei Themen wie Erreichbarkeit, Menge der Arbeit und beim mobilen Arbeiten gestärkt werden. Dies zeigt, dass das Betriebsverfassungsgesetz deutlich novelliert und modernisiert werden muss.

Eines ist heute schon klar: Bei den aktuellen Herausforderungen - digitale Transformation, Energiewende und zunehmende Globalisierung - sind Unternehmen mit Betriebsräten besser gewappnet, ihre Aufgaben erfolgreich zu bewältigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch trotz dieser guten Ergebnisse für Betriebe mit Personal- oder Betriebsräten gibt es auch 100 Jahre nach der Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes immer noch Arbeitgeber, die von der Mitbestimmung nicht überzeugt sind. Immer wieder gibt es Versuche, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern.

Wir alle müssen gemeinsam - auch hier als Arbeitgeber im Landtag - auch nach hundert Jahren Mitbestimmung für mehr Mitbestimmung einstehen, damit noch mehr Betriebe in Niedersachsen so erfolgreich wirtschaften wie die Betriebe, die schon lange erkannt haben, welcher Segen die Mitbestimmung ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Viehoff. - Für die CDUFraktion liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten Eike Holsten vor. Bitte, Herr Kollege Holsten!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Historie ist schon etwas gesagt worden. Daher von mir nur einige Sätze zur Einordnung.

Das hundertjährige Jubiläum des Betriebsrätegesetzes markiert die Gründung der Sozialpartnerschaft in Deutschland. Die betriebliche Mitbestim

mung ist dabei auch eine zutiefst christliche Idee, geht sie doch zurück auf die katholische Soziallehre, in deren Tradition bis heute viele von uns Christdemokraten stehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir verdanken einem der politischen Väter des Betriebsrätegesetzes, Heinrich Brauns, seines Zeichens katholischer Pfarrer, langjähriger Reichsarbeitsminister und Zentrumspolitiker, nicht nur die Betriebsverfassung, sondern mit der Arbeitslosenversicherung und den Arbeitsgerichten zwei weitere maßgebliche Säulen unseres heutigen sozialen Staates. Das Betriebsrätegesetz steht also exemplarisch für die positiven Dinge, die in den Jahren der Weimarer Republik angestoßen wurden und bis heute nachwirken. Dies ist ein Zeugnis für den festen Willen der Menschen, die Wirtschaft durch demokratische Mitbestimmung der Beschäftigten auf Augenhöhe mit den Unternehmen voranzubringen.

Meine Damen und Herren, in einer umfangreichen aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung kann man nachlesen, welche positiven Effekte diese Mitbestimmung auf den Erfolg von Unternehmen hat. Angeführt sind mehr Produktivität, höhere Löhne, steigende Renditen, mehr ökologische Investitionen, schrittweise Innovation, Weiterbildung, duale Ausbildung, weniger Personalfluktuation, weniger Arbeitskräftemangel, dafür mehr familienfreundliche Praktiken und flexible Arbeitszeitmodelle.

Dazu auch gerne unter dem Titel der Aktuellen Stunde eine aktuelle Drucksache des Bundestages, die ich zitieren mag: