Protocol of the Session on December 9, 2020

Statt nun endlich eine zukunftsgerichtete Verkehrspolitik zu entwickeln, tricksen Sie mit angeblichen Finanzspritzen für Rad, Bahn und ÖPNV. Denn beim genauen Hinsehen erweisen sich diese vermeintlich zusätzlichen Finanzmittel als Luftnummer.

Die tiefe Kluft zwischen Versprechungen und Umsetzungen war schon in diesem Jahr deutlich erkennbar. Mittel werden offenbar zweckentfremdet. Während beim Um- und Ausbau der Landesstraßen im September mit zusätzlichen 7,4 Millionen Euro mehr als die vorgesehenen 19 Millionen Euro ausgegeben waren, ist bei dem Neubau und der Sanierung von Radwegen nur gut die Hälfte der 19 Millionen Euro genutzt worden, aber nicht mehr. Das Geld für die Radwege wird also gar nicht vollständig verbaut, sondern ganz offensichtlich in den Straßenbau verschoben.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Frechheit!)

Es ist das eine, die Mittel im Haushalt zu erhöhen, aber das andere, diese dann wirklich für Radwege und eine CO2-arme Mobilität einzusetzen.

Meine Damen und Herren, was proaktives Handeln dieser Landesregierung bei der Reaktivierung von Bahnstrecken in Niedersachsen angeht, kann ich nur sagen: Fehlanzeige und kein Plan!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Althusmann, hören Sie endlich damit auf, den Bund beim Neubau von ökologisch und ökonomisch unsinnigen Autobahnneubauten in Niedersachsen zu unterstützen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ja- wohl!)

Im Namen der Klimakrise fordern wir Sie auf: Stoppen Sie den Straßenbauwahnsinn,

(Zurufe von der CDU)

und beerdigen Sie die Pläne für die A 33, die A 20 und die A 39,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die allesamt Milliardengräber für Steuergelder sind! Alle drei Projekte verteuern sich nun nochmals um insgesamt rund 520 Millionen Euro. Das hat eine

Anfrage bei der Bundesregierung ergeben. Das Geld, meine Damen und Herren, wird aber dringend an anderen Stellen benötigt.

Auch drei Jahre nach ihrem Regierungsstart weigern sich SPD und CDU immer noch, das 365Euro-Ticket für Auszubildende, junge Menschen in Freiwilligendiensten und Schülerinnen und Schüler einzuführen.

Herr Minister, aufgrund des öffentlichen Drucks kommen Sie jetzt zwar mit einem Jugend-FreizeitTicket um die Ecke. Dieses Ticket geht aber völlig am eigentlichen Bedarf der jungen Menschen vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Lars Alt [FDP] - Volker Bajus [GRÜNE]: So ist es!)

Das ist nichts Halbes und auch nichts Ganzes.

Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit spielen in dieser Koalition keine Rolle. Denn auch die kostenlose Schülerbeförderung für alle bleibt in dieser Legislaturperiode auf der Strecke.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Und das, obwohl sie versprochen wurde!)

Auch unser Vorschlag für eine Mobilitätsprämie wurde ohne ernsthafte Beratung von Ihnen einfach vom Tisch gefegt, obwohl er eine Investition in eine zukunftsorientierte Mobilität und ein Beitrag für mehr Klimaschutz ist.

Die Liste der verpassten Chancen für eine Mobilitätswende ist noch viel länger. So wollen Sie auch von einem ÖPNV-Zukunftsplan nichts wissen. Die Krise im ÖPNV nehmen Sie offenbar vor lauter Asphaltträumereien nicht in Gänze und in ihrer Tragweite wahr.

Meine Damen und Herren, auch in der Wirtschaftspolitik vermissen wir verantwortungsvolles Handeln im Sinne der Gesamtbevölkerung. Während die TUI nun das dritte Mal in Folge Finanzhilfe in Höhe von jetzt 1,8 Milliarden Euro erhält - für ein Geschäftsmodell, das in der heutigen Zeit offensichtlich so nicht mehr funktioniert -, kommen die kleinen und mittleren Betriebe zunehmend ins kurze Gras, von den Soloselbstständigen einmal ganz zu schweigen.

Uns erreichte in den vergangenen Wochen eine Fülle von Zuschriften verzweifelter Unternehmerinnen und Unternehmer, die voller Sorge und Verzweiflung schrieben, dass die Novemberhilfen, aber auch die Überbrückungshilfen im zweiten

Lockdown nicht einmal im Ansatz ihre laufenden Kosten decken würden.

Jetzt erfahren wir auch noch, dass eine abschließende Auszahlung erst im Januar erfolgen soll, während der Teil-Lockdown weiterläuft.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Un- fassbar!)

Meine Damen und Herren, lange, bürokratische Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern zur Auszahlung von Corona-Hilfen prägen das Bild - statt pragmatischer und unbürokratischer Hilfe in der Not.

Wirtschaftspolitik bedeutet aber auch mehr als nur Hilfen in der aktuellen Krise. Wir brauchen jetzt ein sozial-ökologisches Konjunktur- und Investitionsprogramm auch für die Zeit nach der Krise. Vorschläge dazu haben wir Ihnen reichlich gemacht.

Darüber hinaus brauchen wir progressive Denkanstöße, damit sich unsere Wirtschaft zukunftssicher aufstellen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die notwendige sozial-ökologische Ausrichtung der Wirtschaftspolitik wird aber nur dann gelingen, wenn Unternehmen künftig auch alle Auswirkungen ihres unternehmerischen Handelns in den Unternehmensbilanzen abbilden. Dafür ist die Gemeinwohlökonomie ein wichtiger Baustein. Deshalb wollen wir diese Projekte als Pilotprojekte in Niedersachsen fördern und sie zu einem Erfolgsmodell machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der regionale Handel, das Handwerk und andere kleine und mittelständische Betriebe brauchen die Unterstützung der Landespolitik. Breitbandausbau und Mobilfunkausbau gehen im ländlichen Raum immer noch sehr schleppend voran. Herr Minister Althusmann, hier haben Sie deutlich mehr versprochen, als Sie bisher einlösen konnten. Wir laufen damit Gefahr, dass gerade Menschen und Betriebe in den ländlichen Räumen zu den Verlierern der Digitalisierung gehören werden.

Der regionale Handel braucht die Unterstützung der Landespolitik mit ganzheitlichen Konzepten. Zusätzliche Sonntagsöffnungen sind dabei kein Instrument, um den Handel zu stärken.

Seit mehr als zwölf Jahren haben wir nun mit dem Breitbandkompetenzzentrum in Osterholz-Scharmbeck einen fachlich qualifizierten und verlässlichen

Partner für das Land und die Kommunen. Es gab parteiübergreifend viel Lob für die gute Arbeit der 15 dort beschäftigten Fachleute, die die Kommunen in den vielen Jahren gekonnt durch den Förderdschungel der Breitbandversorgung geführt haben.

Jetzt steht die Fortführung der erfolgreichen Zusammenarbeit auf der Kippe, da das Wirtschaftsministerium diese wichtige Dienstleistung europaweit ausschreiben will. Wir teilen die Sorgen der Kommunen, dass eine europaweite Ausschreibung dazu führen kann, dass unqualifizierte Billiganbieter den Zuschlag bekommen. Herr Minister Althusmann, wir fordern Sie auf, diese Überlegungen zu den Akten zu legen und deren Folgen für die Qualität und Verlässlichkeit zu überdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fördern Sie das Breitbandkompetenzzentrum auch über 2021 hinaus, und zerstören Sie nicht in Niedersachsen aufgebaute Strukturen!

Insgesamt bleibt festzuhalten: Eine echte Mobilitätswende in Niedersachsen bleibt weiter auf der Strecke, in der Wirtschaftspolitik fehlen SPD und CDU die notwendige Weitsicht über die Krise hinaus, und bei der Digitalisierung zeigt die Praxis, dass der Fortschritt weit hinter den Ankündigungen und Versprechungen des Wirtschaftsministers zurückbleibt.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Vielleicht stim- men sie unserem Änderungsantrag ja noch zu!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Vom Kollegen Frank Henning liegt eine Meldung zu einer Kurzintervention vor.

(Jörg Bode [FDP]: Er hat doch noch Redezeit!)

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu dieser Kurzintervention gemeldet, um eines klarzustellen:

Der Kollege Schulz-Hendel hat den Wirtschaftsminister aufgefordert, den Lückenschluss der A 33

Nord, die durch meinen Wahlkreis führt, nicht weiterzuverfolgen,

(Volker Bajus [GRÜNE]: Das hat er gut gemacht!)

und ihn im Gegenteil aufgefordert, den Bund nicht bei den weiteren Planungen zu unterstützen.