Protocol of the Session on December 9, 2020

In Ihrem eigenen Klimagesetzentwurf stehen praktischerweise auch so gut wie gar keine Maßnahmen - bloß Klimaziele; auf diesen liegt Ihr Fokus. Und die sind dann auch noch völlig veraltet.

(Marcus Bosse [SPD]: Es gibt doch ein Maßnahmenprogramm! - Gegen- ruf von Christian Meyer [GRÜNE]: Weit unter Paris!)

- Dazu komme ich auch gleich noch, Herr Kollege, keine Sorge!

Während Sie hier drei Jahre lang gar nichts gemacht haben, ist unser verbleibendes Klimabudget weiter rasant zusammengeschrumpft.

(Widerspruch von Jörg Hillmer [CDU])

Das heißt logischerweise, dass wir die Klimaziele deutlich nach vorne ziehen müssen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ja!)

Die bündnisgrüne Partei hat das erkannt und sich bei ihrem letzten Parteitag zum Klimaziel 2035 genauso wie zum 1,5-Grad-Ziel bekannt. Damit hören wir auf die lauten Warnungen der Wissenschaft.

Und ja, dieses Ziel ist extrem ambitioniert; das stimmt. Doch wenn wir die Klimakrise auf ein beherrschbares Maß begrenzen wollen, ist das der zu wählende Pfad, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit unserem Änderungsantrag, den wir eingebracht haben, tragen wir diesem Parteitagsbeschluss Rechnung und stellen uns auch als grüne Landtagsfraktion hinter das Ziel der Klimaneutralität bis 2035.

Sie stattdessen bleiben bei der Zielzahl 2050. Damit wollen Sie ein Gesetz beschließen, das bereits jetzt völlig überholt ist. Das wissen Sie selbst.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist überholt mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel, aber nicht nur das - auch mit Blick auf die EU. Sie wissen doch selbst, dass die EU gerade die Klimaziele anschärft und damit auch für Deutschland und

Niedersachsen deutlich höhere Klimaziele fällig werden.

(Unruhe)

Herr Kollege Hillmer und Herr Kollege Bäumer, die CDU-Fraktion hat noch ausreichend Restredezeit. Die sollten Sie dann zum Einsatz bringen und nicht untereinander diskutieren. Das stört die Rednerin.

Bitte, Frau Kollegin, fahren Sie fort!

Ich bin sehr gespannt, was von der CDU-Fraktion kommt.

Doch statt sich als Küsten- und Energiewendeland zum Klimaschutz zu bekennen und eine Vorreiterposition anzustreben, machen Sie weiter mit Ihrer bewährten Vogel-Strauß-Taktik - also einfach Kopf in den Sand! Damit werden Sie Ihrer Verantwortung definitiv nicht gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Im Gesetzentwurf steht kaum etwas drin. Das geben Sie auch selbst regelmäßig zu. Dann hieß es auch heute wieder vom Kollegen: Das Maßnahmenprogramm, das kommt, das ist klasse! - Das haben Sie ja gerade erst vorgestellt; schön! Und siehe da: Sie erzählen etwas von 1 Milliarde Euro für den Klimaschutz, aber der allergrößte Teil davon sind bereits bestehende, laufende Programme und nichts Neues. Sie rechnen sich letztlich 1 Milliarde Euro schön und tun so, als würden Sie richtig in den Klimaschutz einsteigen.

Ein Förderprogramm für Solarstromspeicher allein reicht aber nicht aus, um die Klimakrise abzuwenden, liebe SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dieser Schönrechnerei werden Sie nicht einmal Ihren eigenen, völlig überholten Klimazielen gerecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 12. Dezember wird der Klimavertrag von Paris fünf Jahre alt. Sie aber haben offensichtlich kein Geburtstagsgeschenk vorbereitet. Nach drei Jahren gelingt Ihnen hier nicht mehr als die schlichte Übertragung bundesgesetzlicher Regelungen in ein Landesklimagesetz. Alles Weitere blenden Sie komplett aus. Das ist wirklich ernüchternd.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Byl. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Birkner. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zur Verfassungsänderung sagen, dass wir ihr in der Form, wie sie vom GBD vorgeschlagen wird und in der Ausschussempfehlung enthalten ist, als FDP-Fraktion zustimmen können.

Wir selbst haben nach intensiver Diskussion einen verfassungsändernden Vorschlag zur Aufnahme eines Staatsziels gemacht. Trotz der Bedenken, die mit Blick auf die natürlichen Lebensgrundlagen, die ohnehin schon Gegenstand eines Staatsziels sind, geäußert wurden, halten wir es für richtig und vertretbar, hier eine Ausdifferenzierung vorzunehmen, weil der Klimaschutz eine herausragende und generationenübergreifende Bedeutung hat.

All die Probleme, die sich daraus ergeben, werden sicherlich mit der Zeit herausgearbeitet werden. Dafür wird es dann Lösungen geben; es ist schon darauf hingewiesen worden. Das war auch bei anderen Staatszielen der Fall, wo sich solche Dinge ausdifferenziert haben. Wir halten diesen Weg also für richtig und werden diesen Gesetzentwurf in diesem Punkt unterstützen.

Was aber nicht geht, Frau Byl, ist, das Vorhaben der regierungstragenden Fraktionen als „besonders lustig“ zu bezeichnen und selbst einen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung vorzulegen, der von Sachverständigen - aus meiner Sicht sehr nachvollziehbar - als verfassungswidrig bewertet wurde.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD - Wi- derspruch von Imke Byl [GRÜNE])

Der Vorrang, den Sie darin vorsehen, verstößt schlicht gegen Artikel 31 des Grundgesetzes. Lesen Sie sich die Stellungnahmen durch!

Ich halte es auch für politisch höchstgefährlich, was Sie da tun. Sie heben ein politisches Ziel hervor und sagen: Das ist absolut. - Wenn man das im Rahmen der Klimapolitik tut, landet man bei einer Art Klimaabsolutismus, weil sich alles der Klimapolitik zu unterwerfen hat. Was aber Klimapolitik ist, bestimmen dann im Zweifelsfall - nach Ihrer Vorstellung - Sie.

Das ist mit meinem Verfassungsverständnis nicht zu vereinbaren. Denn es gibt unterschiedliche Interessen, die immer wieder aufs Neue gegeneinander abgewogen werden müssen. Dabei kann ein Staatsziel eine Leitlinie geben, an der sich nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch deren gewählte Vertreterinnen und Vertreter sowie die Regierungen zu orientieren haben. Aber das bedeutet nicht, dass andere Ziele automatisch zurückzutreten haben. Vielmehr halten wir es für den richtigen Weg, das abzuwägen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Klimaschutzgesetz selbst ist - wie die Kollegin Byl meines Erachtens zu Recht gesagt hat - ein Gesetz, das sich in erster Linie an die Landesregierung richtet. Es besagt, dass ein Maßnahmenprogramm erstellt werden soll und so weiter, und so fort. Da fragt man sich in der Tat: Warum habt ihr das nicht schon längst gemacht? - Dafür braucht man nicht ein Gesetzgebungsverfahren abzuwarten, das bekanntermaßen auch sehr lange gedauert hat.

Einen Punkt, über den wir vorhin schon kurz sprechen konnten, sehen wir aber besonders kritisch, Herr Minister, nämlich die bilanzielle Deckung des Energiebedarfs in Niedersachsen durch erneuerbare Energien bis zum Jahr 2040, die hier als Ziel angegeben ist Mir ist schon klar, dass da „bilanziell“ steht. Nur kenne ich auch die politischen Äußerungen von Ihnen wie auch die des Herrn Ministerpräsidenten. Sie wurden in den letzten Wochen und Monaten nicht müde, den Vorrang für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu proklamieren.

Sie konnten den Energiebedarf vorhin leider nur für das Jahr 2035 beziffern. Eigentlich würde ich erwarten, Sie könnten mir den Energiebedarf von 2040 sagen, denn darüber reden wir in dem Gesetz ja. Als den Energiebedarf für 2035 haben Sie 218 000 TWh genannt. 2050 soll nur die Salzgitter AG per Wasserstoff betrieben werden. Alleine für dieses Werk werden dann rund 19 000 TWh benötigt. Wo soll dieser Strom denn tatsächlich herkommen?

(Zustimmung bei der FDP - Julia Wil- lie Hamburg [GRÜNE]: Genau! Das muss man erstmal haben!)

Wenn Sie suggerieren - und so verstehe ich Ihre Politik -, im Wesentlichen müssten wir alles tun, um so viele erneuerbare Energien wie möglich in

Niedersachsen zu haben, ist das am Ende energiepolitische Kleinstaaterei. Wir bewegen uns in einem europäischen Energiebinnenmarkt, und den müssen wir doch als Bezugsrahmen nehmen. Das tut dieses Gesetz eben nicht, sondern das Land Niedersachsen ist der Bezugsrahmen, mit sehr, sehr weitgehenden Ausbauzielen, die dann - darauf haben Sie vorhin zu Recht schon hingewiesen - in konkreten Konflikten in Niedersachsen sichtbar werden. Und dann ist nicht mal gewährleistet, dass ein Windkraftrad an diesem Ort auch die effizienteste Form der Energieerzeugung ist, sondern es steht nur da, weil es aufgrund eines solchen Gesetzes politisch gewollt ist.

Deshalb sagen wir: Mit dieser Regelung und mit dieser politischen Haltung, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder deutlich wurde, ist dieses Gesetz für uns am Ende nicht tragbar, weil es eben nicht die Einbindung in einen Emissionshandel, nicht - und das wäre das mindeste - die Einbindung in ein bundesweites Konzept vorsieht und nicht irgendwie die Einbindung in ein europäisches Konzept vorsieht. Deshalb halten wir das Gesetz am Ende für kontraproduktiv, wenn es darum geht, ein Instrument zu haben, um den Ausbau der erneuerbaren Energien in Niedersachsen weiter voranzubringen.

Ein Landesgesetz ist hier der falsche Weg. Im Prinzip kommt es am Ende auf den europäischen Binnenmarkt und nach unserer Auffassung auf ein - darüber sprachen wir eben schon einmal - funktionierendes Emissionshandelssystem an, in dessen Rahmen das Ziel dann auch effizient realisierbar ist.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Birkner. - Auf Ihren Redebeitrag gibt es eine Kurzintervention der Kollegin Frau Byl nach § 77 der Landtagsgeschäftsordnung. Bitte, Frau Byl! Die Regeln sind Ihnen bekannt: 90 Sekunden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte nur die Chance nutzen, den sehr geehrten Kollegen Birkner mit seinen Sorgen etwas zu beruhigen.

Viele der Stellungnahmen, die wir in der Anhörung im Ausschuss gehört haben, waren tatsächlich

auch gegenüber unserem Vorschlag zur Änderung Landesverfassung sehr differenziert. Denn es muss doch um das Ziel gehen, dass sich dann, wenn man die Verfassung ändert, auch in der Realität etwas ändert - das ist ja unsere Idee dahinter!

Dieser Vorbehalt, dieser Klimavorrang, soll dann die Grundlage von politischen Entscheidungen in der Landespolitik bilden. Das heißt natürlich nicht, dass dieser abschließend ist und die einzige Ermessensgrundlage beinhaltet! Und bei einer Landesverfassung ist natürlich klar, dass im Folgenden genau ausdifferenziert werden muss, wie das Ganze - ab welchem Schwellenwert usw. - funktioniert. Das ist genauso wie bei allen anderen Verfassungsteilen, die ja auch nicht absolutistisch alleine für sich stehen, sondern immer mit den anderen Teilen der Verfassung abgewogen werden.