Protocol of the Session on October 30, 2020

(Beifall bei der FDP)

Was Sie tun, ist übrigens aus meiner Sicht auch unter Pandemiegesichtspunkten nicht wirklich verantwortungsvoll, weil Sie die Menschen aus der Gastronomie in den privaten Bereich verdrängen. Es ist doch ein Irrglaube, zu meinen, dass die Menschen nicht mehr das Bedürfnis haben, sich zu treffen. Natürlich wird es Treffen geben. Die versuchen Sie zu regulieren. Aber die Regulierungskraft ist im privaten Bereich naturgemäß eingeschränkt. Niemand will einen Polizeistaat, der da eingreift.

Statt es den Profis in der Gastronomie zu überlassen, die mit vernünftigen Hygienekonzepten Sicherheit ermöglichen, machen Sie die Gastronomie pauschal dicht und verdrängen die Menschen in andere Bereiche, in denen dann möglicherweise die von Ihnen immer wieder angeführten Hotspots entstehen. Sie sagen ja immer: Es ist insbesondere der private Bereich, der das Infektionsgeschehen treibt. - Das ist eine Politik, die wir nicht verstehen, die wir für inkonsequent halten.

(Beifall bei der FDP)

Das lässt sich - um ein Beispiel aus dem kulturellen Bereich zu nehmen - auf die Museen übertragen. Mir ist immer noch ein Rätsel, warum die schließen müssen. Die Museen, die ich besuche, haben Hygienekonzepte und sind meist relativ leer. Da ist es möglich, Abstand zu halten. Mit verantwortungsvollen Besuchern und verantwortungsvollen Betreibern ist das möglich. Auch hier stellt sich doch die Frage: Warum werden die Museen jetzt eigentlich pauschal geschlossen? Warum erbringt man nicht die Differenzierungsleistung, die man in den letzten Wochen und Monaten immer eingefordert hat?

Herr Ministerpräsident, ich finde es wirklich verwunderlich und auch ein bisschen enttäuschend, dass Sie dazu einfach nichts sagen. Sie haben in Ihren Regierungserklärungen zu diesen Fragenstellungen, die sich auch auf viele weitere Beispiele herunterbrechen lassen, schlicht nichts gesagt. Sie haben eine Regierungserklärung gehalten wie im März, als wenn man vor einer neuen Herausforderung stünde, von der man gar nicht wüsste, was sie genau bedeutet. Man hat den Eindruck, der Kompetenz- und Erfahrungsgewinn der letzten Wochen und Monate ist an Ihnen spurlos vorübergegangen. Denn sonst hätten Sie doch den Gastronomen eine Antwort auf die Frage geben müssen, warum es genau sie trifft, obwohl sie Hygienekonzepte haben. Dazu haben Sie keine Auskunft gegeben. Ich hoffe, Sie werden das noch nachholen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist doch für all jene frustrierend, die sich auf Sie verlassen haben, die sich nämlich darauf verlassen haben, dass sie agieren können, wenn sie investieren und Hygienemaßnahmen aufbauen, und dass das, was Sie ihnen sagen, stimmt: dass dann ein sicherer Besuch ihrer Einrichtungen möglich ist. - Da verlangen Sie jetzt sehr viel von den betroffenen Menschen.

Gucken wir nun in einen Bereich, in dem die öffentliche Hand Verantwortung trägt: in den öffentlichen Bereich, in die Schülerbeförderung. Was ist denn da passiert? Es ist doch absurd, in den Schulen Kohorten zu bilden und zu versuchen, die Klassen voneinander zu trennen, wenn doch alle Schüler gemeinsam in einen Bus gepresst werden und da dem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Und gleichzeitig sagt man, man soll Kontakte verhindern!

(Beifall bei der FDP)

Was tut denn der Staat auf seiner Seite, um Verantwortung wahrzunehmen, wie Sie es gleichzeitig von anderen Menschen erwarten, die massiv betroffen sind?

Das führt dazu, dass Vertrauen schwindet, dass die Menschen es nicht verstehen. Sie erklären aus meiner Sicht auch nicht hinreichend, was da eigentlich passiert. Das führt dazu, dass man die benötigte Mitarbeit in der Pandemiebewältigung nicht auf Dauer sichern kann. Denn diese Mitarbeit kann der Staat nicht anordnen. Die Gesellschaft kann die Pandemie nur gemeinsam, in wechselseitigem Vertrauen, bewältigen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dem Anspruch auf Differenzierung müssen Sie bei jeder einzelnen Maßnahme gerecht werden. Das ist nicht nur aus Akzeptanzgründen - ich glaube, das ist mit das stärkste Argument -, sondern auch von Verfassung wegen erforderlich. Sie haben die Verhältnismäßigkeit angesprochen. Jede einzelne Maßnahme muss verhältnismäßig sein.

Wir haben es erlebt: Die Gerichte sind anfangs Ihrer Argumentation gefolgt, dass es sich um eine große neue Herausforderung handelt und niemand genau weiß, wie man damit umgehen muss. Aber jetzt argumentieren die Gerichte wie wir: Wir wissen jetzt mehr über das Geschehen. Also muss die Regierung jetzt bei jedem Instrument genau begründen, warum es zur Pandemiebewältigung beiträgt.

Sie haben da schon erhebliche und gravierende Schlappen erlitten, und zwar mit Ansage. Wir haben immer wieder angemahnt, die Maßnahmen besser zu begründen.

Das Beherbergungsverbot ist von den Gerichten - das muss man sich einmal klarmachen, Herr Ministerpräsident, was die Qualität der von der Kollegin so geschätzten Rechtsetzung durch die Landesregierung angeht - wegen Unbestimmtheit aufgehoben worden. Das heißt, die Landesregierung war nicht einmal in der Lage, zu sagen, wer genau unter dieses Beherbergungsverbot fällt. Der Normadressat, der Bürger, konnte das gar nicht erkennen. Was für Recht setzen Sie da bitte?

Aber das Beherbergungsverbot war auch noch ungeeignet. Die Gerichte haben gesagt: Es ist überhaupt nicht nachgewiesen, dass es irgendeinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leistet.

Das Gleiche ist jetzt mit der Sperrstunde passiert.

Die Begründungsanforderungen bestehen weiter. Die werden Sie auch nicht mit einem pauschalen Hinweis auf einen Gesundheitsnotstand aushebeln können.

Herr Ministerpräsident, es geht uns nicht darum, recht zu behalten. Es geht uns nicht um eine Bühne für die Opposition. Es geht uns um verlässliche, für den Bürger nachvollziehbare Regelungen. Jeder da draußen soll wissen, was Sache ist. Jeder soll wissen, dass die Regelungen der Verfassung entsprechen und verhältnismäßig sind und dass mit ihnen die Pandemie tatsächlich bewältigt werden kann.

Es geht nicht um politische Eitelkeiten. Aber kommen Sie doch bitte endlich Ihrer Verantwortung nach und begründen Sie Ihre Verordnungen! Schreiben Sie doch einmal, welche Hintergründe die einzelnen Regelungen haben! Dann kann man sie vielleicht auch einmal nachvollziehen und ihnen das Vertrauen entgegenbringen, dass sie tatsächlich verhältnismäßig sind. So, wie es jetzt läuft, ist das nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, es ist bemerkenswert, dass Sie, nachdem Sie monatelang gesagt haben, die Landesregierung sei zuständig, eine Beteiligung des Parlaments sei nicht vorgesehen und das alles sei so in Ordnung

(Zuruf: Das hat niemand gesagt!)

- doch, das hat der Ministerpräsident immer wieder gesagt -, heute zum ersten Mal gesagt haben, Sie könnten sich vorstellen, dass, wie dies der Bundestagspräsident ausgeführt hat, der Bundestag tätig werde, um die Ermächtigungsgrundlage zu stützen. - So allmählich wird Ihnen offensichtlich mulmig. Jetzt, da Ihnen die Gerichte die Dinge wegschlagen, da Sie nicht zu einer vernünftigen Begründung in der Lage sind, rufen Sie die Parlamente um Hilfe. Wir sind gern bereit, diese Hilfe und Unterstützung zu leisten.

(Widerspruch bei der SPD)

Dann geht es aber auch darum, hier im Niedersächsischen Landtag nicht nur darüber zu beraten, sondern auch Entscheidungen zu treffen. Wir müssen den Landtag in die Verantwortung bringen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir müssen auch bereit sein, selbst Verantwortung zu übernehmen. Deshalb bin ich der Landtagspräsidentin dankbar, die in einem Interview gegenüber der HAZ deutlich gemacht hat, dass es nötig ist, mehr zu bekommen. Diese Diskussion müssen wir weiter sehr intensiv führen. Wir sind in Gesprächen, unseres Erachtens muss es aber tatsächlich zu einer Entscheidungsgewalt des Parlaments kommen. Beratung ist gut und wichtig. Das alles ist richtig. Das können wir auch noch intensiver machen. Aber der eigentliche Druck auf die Landesregierung, sich am Ende verfassungsgemäß zu verhalten, entsteht erst, wenn das Parlament mit in die Rechtsetzung eingebunden ist.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich weiß, was der Kollege Toepffer gleich sagen wird. Er wird - die Kollegin Modder hat das auch schon getan - sagen: Herr Birkner, das alles ist schön und gut. Aber Sie sagen ja nicht, was Sie wollen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Deshalb sage ich Ihnen das noch einmal. Meine Redezeit läuft ab, und dem will ich vorbeugen.

(Zuruf von Wiard Siebels [SPD])

Abgesehen von den über 80 Initiativen, Herr Kollege, die wir in den letzten Wochen und Monaten zur Pandemiebewältigung eingebracht haben und die ich zur Lektüre empfehle - dann werden Sie sehen, was wir im Konkreten vorschlagen -, ist es nach

unserer Auffassung dringend erforderlich, endlich eine nachhaltige Strategie zustande zu bringen. Was ist Ihre Antwort auf den Fall, dass es - hoffentlich - gelingt, die Infektionsdynamik zu brechen und die Infektionszahlen zu senken, und dann im Januar die Kontakte der Menschen wieder zunehmen und die Infektionszahlen vielleicht wieder steigen. Gehen wir dann in einen dritten Lockdown? Wenn das ein weiteres Mal passiert, gehen wir dann in einen vierten Lockdown? Was sind die Antworten der Landesregierung hierauf?

Ich will Ihnen sagen, wo Ihre Versäumnisse in den letzten Wochen und Monaten liegen.

(Wiard Siebels [SPD]: Einen konkre- ten Vorschlag machen!)

Gucken Sie sich unsere Vorschläge, Herr Kollege, zu den Schulen und zur Schülerbeförderung an. Wir haben das vor Wochen eingebracht, damit Sie sich um das Thema kümmern. Sie haben aber nichts gemacht! Allein die Kostenfrage war entscheidend. Sie haben gesagt: Oh Gott, oh Gott! Das wird zu teuer

Das Gleiche gilt für die Lüftungsthematik in den Schulen. Die Frage der Belüftung in den Schulen, die Sorge, dass Schulen ein unsicherer Ort sein könnten, haben wir hier vor Monaten angesprochen.

(Glocke der Präsidentin)

Wir haben gefordert, die Diskussion darüber zu führen. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden haben Sie gesagt: Wir lassen lieber die Finger davon. Das könnte zu teuer werden. - Aus unserer Sicht ist es unverantwortlich, so in ein Herbstschuljahr zu gehen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Man hat den Eindruck, dass in der Sommerpause in Sachen digitaler Bildung nichts passiert ist. Man hat den Eindruck, dass man nicht gesagt hat: Wir müssen uns jetzt schon einmal für den Worst Case vorbereiten, der hoffentlich zu vermeiden ist - wir sind sofort dabei -, damit man notfalls, wenn alle Stricke reißen, wechseln kann.

Die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Herr Kollege Siebels, haben wir angemahnt. Wir haben sie wiederholt gefordert. Der Ministerpräsident hat mit den anderen Ministerpräsidenten im April gesagt, dass man 5 Personen pro 20 000 Einwohner braucht. Wir haben mal gefragt, wie

viele es heute sind. Zwei Personen sind es heute bei den niedersächsischen Gesundheitsämtern.

Die Landesregierung hat nicht das getan, was man im Bund versprochen hatte, nämlich schon frühzeitig und nicht erst jetzt Interventionsteams zu gründen, die zur Unterstützung eingesetzt werden. Sie haben schlichtweg nichts getan. Und vor diesem Hintergrund beklagen Sie, dass die Gesundheitsämter nicht in der Lage sind, die Infektionsketten nachzuvollziehen. Das ist doch kein Wunder, wenn man sie nicht entsprechend ausstattet und aufstellt.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das haben wir Ihnen vorhergesagt.

Ein weiterer Punkt betrifft die Teststrategie. Seit Wochen und Monaten fordern wir eine Teststrategie.