Eine Analyse über den Rechtsextremismus zeichnet ein umfassendes Bild über Ereignisse, Ursachen und Konsequenzen - und das geht nur gemeinsam mit der Polizei, verehrte Damen und Herren.
Wir fordern aus ganz eindeutigen Gründen daher auch keine Rassismusstudie. Demokratiefestigkeit und Rassismus sollten wir in diesem Zusammenhang voneinander trennen. Es ist sicherlich so, dass rechtsextreme Menschen gleichzeitig nationalistisch und rassistisch sind. Aber nicht jede Demokratin und nicht jeder Demokrat ist per se antirassistisch. Ich kann betonen, auf dem Boden des Rechtsstaates zu stehen, Toleranz und Respekt gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund zu üben und keine Vorurteile zu haben, ertappe mich dennoch dabei, eine Schublade zu öffnen, wie wir alle sie immer wieder öffnen.
Ein praxisbegleitendes Studium ist eine wichtige Unterstützung, um nicht als junger Mensch heftig von der Realität des oftmals stark belastenden Arbeitsalltags erfasst zu werden. Stellen wir uns einfach mal vor, dass jemand seinen Schichtdienst immer in demselben Problembezirk schiebt, provoziert wird, als Beamtin sexistisch angepöbelt wird, sich von jungen Menschen dumme Sprüche anhören muss und dann endlich einen Straftäter hinter Gitter bringt, der wenige Stunden später wieder freigelassen wird, und die gleiche Chose - entschuldigen Sie den lapidaren Ausdruck - geht von vorne los. Das frustriert sicherlich manchen und manche.
Demokratiefeindlichkeit hat verschiedene Ursachen. Gerade deshalb brauchen wir eine unabhängige wissenschaftliche Studie über Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit in der Polizei. Die Polizeiakademie und unser Innenminister unterstützen uns in diesem Punkt. Niedersachsen sollte für diese Studie Vorreiter sein und in Ermangelung eines starken Parts im Bundesinnenministerium eine gemeinsame Abstimmung zugunsten einer Studie unter den Bundesländern erwirken.
Bei Einstellung in den Polizeidienst gibt es seit März nicht nur die Regelüberprüfung beim Verfassungsschutz, sondern außerdem die Abfrage nach persönlichen Einstellungen und Haltungen in den jeweiligen regionalen Dienststellen. Jeder Verdachtspunkt werde ausführlich untersucht und
auch disziplinarisch verfolgt, wird betont, womit unserer Forderung unter Punkt 3 bereits weitgehend entsprochen worden ist.
Eine Studie kann aufzeigen, welche Maßnahmen und Ansätze zur Prävention rechtsextremistischer Tendenzen direkt in den Dienststellen und in der Ausbildung zu implementieren sind, welche Maßnahmen bereits greifen und verstärkt werden müssen.
Die Stärkung politischer und demokratischer Bildung bei Aus- und Weiterbildung aller niedersächsischen Beamtinnen und Beamten ist erklärte Aufgabe, die uns in der Akademie in Nienburg ausführlich vorgestellt wurde. Der Anspruch an demokratische Kompetenzen sind darüber hinaus aber auch soziale Kompetenzen: selbstreflektiert sein, teamfähig, partnerschaftlich, offen, man sollte Vertrauen haben, den Mut zum Widerspruch besitzen, zur Kritik und zur konstruktiven Auseinandersetzung. Das ist übrigens ein Anspruch an uns alle - auch im Hause, wie ich meine.
„Wissenschaftliche Studie“ heißt, Strukturen zu beleuchten, und „eine Fehlerkultur zulassen“ heißt, die Chance für mehr Stärke und für die Umkehr von Schwäche in Stärke zu eröffnen. Nur so werden wir besser. Ich beziehe die Legislative und Judikative ausdrücklich in diese formulierten Ansprüche mit ein.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Menge. - Von der FDP-Fraktion liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Marco Genthe vor. Bitte, Dr. Genthe!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Nach den diversen Vorkommnissen bei der US-amerikanischen Polizei ist auch unsere Polizei in den Fokus geraten. Das geschah oft zu Unrecht. Die US-amerikanische Polizei ist mit der unsrigen in vielerlei Hinsicht überhaupt nicht zu vergleichen. Das fängt schon mit der Ausbildung an. Während in den USA oft Ex-Soldaten in gerade mal 19 Wochen - im Durchschnitt 19 Wochen! - zu Polizisten ausgebildet werden, haben unsere Polizisten ein dreijähriges Bachelorstudium hinter sich. Das, meine Damen und Herren, ist eine völlig andere Qualität.
Auch was die Ausbildungsinhalte und die tatsächliche Praxis betrifft, verbieten sich solche Vergleiche. Gerade vor diesem Hintergrund geben uns die nun in mehreren Bundesländern aufgedeckten Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten sehr zu denken. Diese Vorkommnisse müssen lückenlos aufgeklärt werden, und die betreffenden Beamten müssen die strafrechtlichen und disziplinarischen Maßnahmen erwarten.
Meine Damen und Herren, ich bin daher sehr froh darüber, dass es bis heute keine Hinweise darauf gibt, dass auch niedersächsische Beamte irgendwie an diesen Vorkommnissen beteiligt waren. Dennoch müssen wir auch in Niedersachsen solche Vorfälle genau beobachten und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen. Insoweit begrüßen wir ausdrücklich, dass hier bereits bei der Einstellung, bei der Ausbildung, bei der Fortbildung und auch im Rahmen verschiedener Projekte gegengesteuert wird.
Dem nun von den Grünen vorgeschlagenen Lagebild stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Auch gegenüber einer Studie haben wir uns immer offen gezeigt. Hierbei ist mir aber eines ganz besonders wichtig. Eine solche Studie kann nur mit den Polizeibeamten funktionieren und nicht gegen sie. Zudem müssen wissenschaftlich anerkannte Instrumente eingesetzt werden, die einen objektiven Charakter haben und eine wirklich offene Studie ermöglichen.
Ob eine solche Studie tatsächlich mit allen Bundesländern umsetzbar ist, da bin ich angesichts unseres föderalen Systems allerdings eher skeptisch. Insoweit finde ich den Vorschlag des Innenministers aus Nordrhein-Westfalen, Herrn Reul, sehr interessant. Er schlägt eine Studie vor, die den Berufsalltag der Polizei unter die Lupe nimmt, aus der gegebenenfalls Erkenntnisse erwachsen, wie man den Berufsalltag so umorganisieren kann, um solche Vorfälle zu verhindern.
Kritisch, meine Damen und Herren, sehe ich die Forderung unter Nr. 6 des Antrages. Die unter RotGrün eingeführte Beschwerdestelle funktioniert tatsächlich nicht.
Sie genießt bei den Polizeibeamten kein Vertrauen und wird von ihnen daher so gut wie gar nicht angesprochen. Die FDP-Fraktion hat daher schon im Februar dieses Jahres einen ausdifferenzierten
Vorschlag für eine Vertrauensstelle für die Polizeibeamten vorgelegt. Der zuständige Ausschuss hatte im März beschlossen, die Landesregierung um eine Unterrichtung zu bitten. Diese ist bis heute leider nicht erfolgt, was ich sehr bedauere.
Meine Damen und Herren, unser Ansatz ist sehr viel breiter und bezieht sich nicht nur auf die Problematik extremistischer Tendenzen, aber ausdrücklich auch darauf. Entscheidend ist, dass unser Vorschlag einen Ansprechpartner vorsieht, der solche Hinweise auf Wunsch anonym entgegennehmen kann. Er soll keine Disziplinarbefugnis besitzen, sondern Sachverhalte aufnehmen, bewerten und dann einer Lösung zuführen.
Eine solche Stelle, meine Damen und Herren, die auch das Vertrauen unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten besitzt, ist der entscheidende Hebel, solche rechtsextremistischen Vorfälle aufzudecken und die Dinge schnellstmöglich zu beenden.
Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Karsten Becker zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Becker!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir dürfen Rassismus, Ausgrenzung und Rechtsextremismus natürlich niemals zulassen - an keiner Stelle! -, aber insbesondere nicht in so sensiblen Bereichen wie Bildung, Justiz oder Polizei.
Richtig ist aber auch, meine Damen und Herren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 19 verschiedenen Polizeien in der Bundesrepublik Deutschland nicht irgendwie vom Mond gefallen sind. Sie sind in unserer Gesellschaft sozialisiert worden, und sie bilden diese Sozialisierung natürlich auch in ihrer Organisation, in der Polizei, ab.
Meine Damen und Herren, Langzeituntersuchungen zu rechtsextremen und antidemokratischen Einstellungen in Deutschland wie die Leipziger Autoritarismus-Studie weisen nach, dass über 10 % der deutschen Bevölkerung über ein „ge
schlossenes rechtsextremes Weltbild“ verfügen. Weitere ca. 40 % gelten als empfänglich für „rechtsextreme Denkinhalte“.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass man auf dieser Grundlage eine Garantie für eine vollständige Abwesenheit rassistischer oder
rechtsextremer Haltungen in der niedersächsischen Polizei geben kann; auch wenn ich sicher bin, dass sich diese Zahlen in der Polizei so nicht widerspiegeln. Das zeigt übrigens auch der Anfang der Woche veröffentlichte Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wonach in dem über dreijährigen Erhebungszeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. März 2020 insgesamt 16 Verdachtsfälle bei über 25 000 Sicherheitskräften in unserem Land festgestellt worden sind. Wenn wir das Vorhandensein rechtsradikaler Werthaltungen in der niedersächsischen Landespolizei aber nicht vollständig ausschließen können, dann ist die bloße Betrachtung einzelner rechtsextremistischer Vorfälle nicht ausreichend und auch nur wenig geeignet für eine lösungsorientierte politische Bewertung.
Meine Damen und Herren, eine Bewertung, anhand derer man dann auch den Erfolg bzw. Misserfolg von Maßnahmen messen kann, muss sich vielmehr an dem Umgang der Organisation mit diesem Phänomenbereich ausrichten. Sie muss sich an der Frage ausrichten, ob sich die Polizei mit der Gefahr einer Ausprägung von Stereotypen im beruflichen Alltag auseinandersetzt und wie sie darauf in der Ablauforganisation reagiert. Und sie muss sich an der Frage ausrichten, ob sie im Hinblick auf ein Racial Profiling Risikokonstellationen in den polizeilichen Entscheidungsstrukturen untersucht und in der Aus- und Fortbildung thematisiert. Und sie muss sich an der Frage ausrichten, wie sie den gesellschaftlichen Pluralismus in der eigenen Organisation abbildet.
Und in diesen Punkten, meine Damen und Herren - das möchte ich ausdrücklich festhalten -, hat die niedersächsische Polizei nun in der Tat eine ganze Menge vorzuweisen. Ich meine, dass das auch unsere Anerkennung verdient. Anerkennung von außen erfährt die niedersächsische Polizei nämlich gegenwärtig bereits. Dr. Rafael Behr - ich vermute mal, den Innenpolitikern hier im Hause ist er bekannt -, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg, hat in der vergangenen Woche im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Hochschule der Polizei das Fortbildungskonzept der niedersächsischen Polizei „Polizeischutz für die Demokratie“ ausdrücklich als
beispielgebend für alle Polizeien in Deutschland gewürdigt. Ich finde, es ist nicht selbstverständlich, so herausgehoben zu werden. Dieses Fortbildungskonzept, meine Damen und Herren, ist bundesweit einzigartig. Es ist explizit darauf gerichtet, Polizistinnen und Polizisten davor zu schützen, von Rechtsextremisten vereinnahmt und instrumentalisiert zu werden. Frau Menge hat das Beispiel der Demokratiepaten gerade genannt. Es ist Bestandteil dieses Konzeptes und, wie ich denke, absolut beispielgebend. Ich will mich dem ausdrücklich anschließen.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen die bloße Aufzählung von Maßnahmen, die die niedersächsische Polizei in den vergangenen Jahren bereits zur Vermeidung von Diskriminierungen und zur Prävention von Alltagsstereotypen ergriffen hat, an dieser Stelle ersparen. Lassen Sie mich darum nur das Maßnahmenkonzept „Interkulturelle Kompetenz“ zur gezielten Vorbeugung von Vorurteilen und Rassismus herausgreifen. Im Rahmen dieses Konzepts, dessen Umsetzung bereits vor zehn Jahren begonnen hat, sind die Wissensvermittlung über unterschiedliche kulturelle Hintergründe in Aus- und Fortbildung intensiviert, die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt und der Anteil der eingestellten Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeidienst auf inzwischen fast 15 % pro Einstellungsjahrgang erhöht worden.
Meine Damen und Herren, dass sich mit dieser Entwicklung auch die Polizeiorganisation und die Werthaltung der in ihr arbeitenden Menschen verändert, liegt, so glaube ich, auf der Hand.
Meine Damen und Herren, all das, was die niedersächsische Polizei in den vergangenen Jahren zur Rechtsextremismusprävention auf die Beine gestellt hat, ist in der gegenwärtigen Debatte ein echtes und wohl auch ein einzigartiges Statement. Es ist in dieser von Pauschalvorwürfen eingetrübten Debatte, die wir gegenwärtig bundesweit führen, aber auch eine Botschaft von Menschen in der Polizeiorganisation, die uns an dieser Stelle zurufen: „So sind wir! Wir arbeiten an und in einer aufgeklärten Organisation, die die pluralistische Gesellschaftswirklichkeit in der Polizeiorganisation spiegelt, die die Freiheitsrechte schützt und die die Verschiedenheit von Menschen in Herkunft, Religion und Weltanschauung anerkennt und gewährleistet.“
Meine Damen und Herren, die Menschen in der Polizei haben das Recht, dass wir diesen Ruf ernst nehmen. Denn sie können mit großer Berechtigung für sich in Anspruch nehmen, das nicht nur als Phrase zu formulieren, sondern diesem Anspruch auch in der Wirklichkeit gerecht zu werden. Und damit, meine Damen und Herren, geht die niedersächsische Polizei nicht nur anderen Polizeiorganisationen, sondern - da bin ich sehr sicher - auch den meisten anderen Institutionen in unserer Gesellschaft voraus! Und dafür hat sie unser aller Anerkennung verdient.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. - Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort jetzt dem Abgeordneten Uwe Schünemann. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Polizei in Niedersachsen ist Verlass. Sie verrichtet einen ausgezeichneten Dienst. Sie schützt uns vor Verbrechen, vor Straftaten - und das vor dem Hintergrund immer schwieriger werdender Umstände.
Polizistinnen und Polizisten werden selber Opfer von Übergriffen, von Beleidigungen. Deshalb ist das Signal der Polizei an uns eindringlich, ihr optimale Rahmenbedingungen zu verschaffen.
Ich glaube, dass wir das in der Vergangenheit gerade in Niedersachsen durchaus getan haben. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben dies schon dargestellt.
Mit der Gründung der Polizeiakademie haben wir den theoretischen Teil intensiviert, aber gerade auch die praktische Ausbildung so ausgerichtet, dass man auf die schwierigen Situationen vorbereitet ist.