Protocol of the Session on September 15, 2020

Des Weiteren fordern wir die Landesregierung auf, das Infektionsschutzgesetz über den Bundesrat so weit anzupassen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr zulässig ist und dass es den Kommunen hier keine freie Hand mehr gibt - weil so etwas strikt verboten gehört.

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter Bothe. - Für die CDUFraktion spricht nun Kollegin Petra Joumaah.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Bothe, als Mitglied des Sozialausschusses, das durchaus regelmäßig an den Sitzungen teilnimmt, sollten Sie unseren sozialpolitischen Sprecher Volker Meyer gut genug kennen, um nicht nur beurteilen zu können, dass er ein hochsozialer Mensch ist, sondern dass ihm insbesondere das Wohl der Kinder ganz besonders am Herzen liegt. Diese Bemerkung eben war völlig überflüssig.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, worum geht es in dem vorliegenden Antrag der AfD? - Es geht zum einen um das eben zitierte Informationsschreiben einiger Gesundheitsämter, in dem Eltern zu einer häuslichen Isolierung ihrer Kinder für die Zeit der angeordneten Quarantäne aufgefordert wurden, und zum anderen um den Hinweis, bei Zuwiderhandlung drohe schlimmstenfalls, die Betroffenen für den Zeitraum der Quarantäne in einer geeigneten geschlossenen Abteilung unterzubringen.

Dieses Anschreiben ist ein Musteranschreiben von der Webseite des Robert Koch-Instituts, welches unsere Gesundheitsämter wohl häufig verwenden.

Da das Infektionsschutzgesetz gleichermaßen für alle gilt - ob Erwachsene oder Kinder -, gelten natürlich auch die Quarantänemaßnahmen erst einmal grundsätzlich für jeden. Ich bin aber schon der

Meinung, dass man diese Musterbescheide an Eltern von zu isolierenden Kindern durchaus als misslich bezeichnen kann. Man hätte da vielleicht etwas differenzierter anschreiben sollen, um die betroffenen Eltern nicht unnötig zu beunruhigen.

Ich möchte im Übrigen darauf hinweisen, verehrter Herr Bothe, dass wir hier von einigen wenigen Fällen sprechen.

Frau Kollegin Joumaah, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Henze?

Vielen Dank für das Gestatten der Zusatzfrage.

Ich bin ja als Abgeordneter in der Region Hannover beheimatet und habe in diesem Fall zu erreichen versucht, dass die Region Hannover mir dieses Musterschreiben zur Verfügung stellt. Das wurde mir verweigert. Ich musste über den Regionspräsidenten Akteneinsicht nehmen, um den gesamten Schriftverkehr überhaupt sehen zu können - als Abgeordneter einer, ich sage einmal, etwas niederen Legislatur.

Würden Sie Ihre Frage bitte stellen?

Meine Frage: Wie bewerten Sie es, dass Abgeordneten keine Auskunft gegeben wird, auch wenn es reine Musterschreiben sind?

Ich kann das nicht bewerten, aber ich kann Ihnen sagen, dass mir, wenn ich als Abgeordnete irgendwelche Anfragen hatte, diese immer beantwortet wurden. Versuchen Sie es auf der Website des Robert Koch-Instituts!

Ich fahre fort. Die überwiegende Mehrheit unserer für den Infektionsschutz zuständigen Gesundheitsämter hat bereits seit Beginn der Pandemie differenziert je nach Alter der Betroffenen agiert und Schutzmaßnahmen individuell abgestimmt. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamts wird während des Erstgesprächs mit den Betroffenen stets individuell geklärt, was von den gesetzlichen Vorgaben im Einzelfall während der Quarantäne umsetzbar ist.

Dabei spielen die unterschiedlichsten Faktoren eine Rolle, angefangen allein schon bei gegebenen räumlichen Wohnverhältnissen. In Bezug auf die Kita-Kinder wird die Situation selbstverständlich an dieser Stelle auch alters- und entwicklungsgerecht betrachtet. Es geht also keineswegs darum, Kinder bzw. Kleinkinder einfach komplett von ihren Eltern und Geschwistern zu trennen, sondern wo möglich und vertretbar Alternativen im täglichen Umgang miteinander zu finden, das Verhalten in Quarantänehaushalten so anzupassen, dass möglichst wenig Ansteckungsgefahr besteht.

Im Übrigen -und auch das wissen Sie - rufen die Beschäftigten des Gesundheitsamts alle unter Quarantäne stehenden Personen während der Quarantänezeit an, sodass in dieser individuellen Beratung jederzeit die Möglichkeit besteht, anstehende Probleme zu erörtern und gemeinsam Lösungen zu finden. Es bleibt also festzuhalten, dass es in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Willen des Gesetzgebers und der tatsächlich möglichen Umsetzung gibt.

Vor diesem Hintergrund können wir meiner Meinung nach feststellen, dass eine kindgerechte Quarantäne innerhalb der Familie, soweit irgend möglich, von allen Beteiligten nicht nur gewünscht, sondern auch ermöglicht wird.

Meine Damen und Herren, im vorliegenden Antrag wird gefordert, einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen, der „Zwangsentnahmen in jedem Falle ausschließt“. Sie wissen genau: Das ist nicht möglich.

Bei schwerwiegenden Ausnahmezuständen -

wenn bei einem Corona-Verdachtsfall eine akute Kindeswohlgefährdung droht - müssen Gesundheitsämter und Familiengerichte natürlich die Möglichkeit haben, Kinder in Obhut zu nehmen oder zu geben.

Abschließend noch eine Bemerkung zu der in Ihrem Antrag erwähnten Stellenanzeige der Diakonie Michaelshoven: Dieses Angebot wurde Anfang April geschaffen, auf Bitte des Kölner Jugendamts. Die Fachkraft, die gesucht wird, soll Kinder oder Jugendliche betreuen, die aufgrund häuslicher Gewalt oder vergleichbarer familiärer Umstände in eine betreute Wohngruppe aufgenommen werden sollen. Da nicht immer sichergestellt werden kann, dass diese Kinder nicht mit dem Virus infiziert sind, müssen sie in Quarantäne, um andere Bewohner der Wohngruppe nicht zu gefährden. Es geht weiterhin um die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die bereits in einer Jugendhilfeeinrichtung

leben und bei denen der Verdacht einer CoronaInfektion besteht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, der vorliegende Antrag ist unnötig und überflüssig.

(Glocke der Präsidentin)

Ich muss sagen - letzter Satz -: Mich beschleicht ein wenig der Verdacht, dass es Ihnen nicht wirklich um das Wohl der Kinder geht, sondern dass Sie mit diesem Antrag eher Ängste in der Bevölkerung, vor allem bei besorgten Eltern, schüren wollen, in der Hoffnung, einige von ihnen in Ihr Lager - bekanntermaßen Gegner der Corona-Maßnahmen - zu holen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Bothe hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Joumaah, ich muss die Vorwürfe am Ende Ihrer Rede weit von mir weisen.

Es gibt dieses Schreiben. Das haben Sie selber eingeräumt. Sie haben es selber als unglücklich bezeichnet. Da ist es doch einfach unsere Pflicht, Aufgabe und Verantwortung als Gesetzgeber, etwas zu kreieren, damit so etwas nicht mehr möglich ist. Ansonsten brauchen wir hier nicht sitzen.

Sie sagen einfach: Das waren Einzelfälle. - Es waren drei Jugendämter, und es kann noch vieles folgen! Daher müssen wir uns mit dieser Problematik auseinandersetzen. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um so etwas in Zukunft zu verhindern.

(Beifall bei der AfD)

Frau Kollegin Joumaah möchte antworten.

Herr Bothe, Sie haben mir nicht richtig zugehört.

Erstens - Sie haben es gerade selbst gesagt - waren es nur drei Jugendämter.

Zweitens haben die anderen Gesundheitsämter - das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden; hier in Niedersachsen sind die Gesundheits

ämter zuständig - sofort reagiert, als z. B. vom Kinderschutzbund der Hinweis kam: Vorsicht, Leute! Wir wissen, dass es diese Maßnahmen geben muss. Aber geht, bitte schön, sensibel mit den Kindern um!

Es wurde sofort reagiert. Deshalb können wir mit Fug und Recht davon ausgehen, dass es das nicht mehr geben wird.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Wir kommen jetzt zum Wortbeitrag der Abgeordneten Annette Schütze für die SPDFraktion.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem vorliegenden Antrag wird seitens der AfD angeprangert, dass Gesundheitsämter die Isolierung infizierter Kinder innerhalb der familiären Haushalte angeordnet hätten. Als letzte Maßnahmen werden in diesen Schreiben angeblich die Herausnahme der Kinder aus den Familien und die Unterbringung in speziellen Einrichtungen angedroht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag der AfD beruht auf einem fundamentalen Missverständnis. Bei dem angesprochenen Schreiben handelt es sich um einen Musterbescheid; meine Vorrednerin hat es schon gesagt.

(Zuruf von Stefan Henze [AfD])

Über die Website des RKI wurde dieser den Gesundheitsämtern zur Verwendung und Anpassung zur Verfügung gestellt. In diesem Musterbescheid wird nicht zwischen Kindern und Erwachsenen differenziert, sodass der Eindruck entstehen könnte, es gebe geschlossene Einrichtungen extra für Kinder. Solche Einrichtungen gibt es in Niedersachsen aber weder für Kinder noch für Erwachsene.

Eine Stellenausschreibung der Diakonie Michaelshoven in Nordrhein-Westfalen, in der Betreuungspersonen für in Quarantäne befindliche Minderjährige gesucht werden, wird von der AfD als vermeintlicher Beleg aufgeführt. Die Diakonie hat jedoch längst klargestellt, dass entsprechendes Personal einzig für Kinder, die bereits in einer Jugendhilfeeinrichtung leben und bei denen der Verdacht auf eine Infizierung mit dem Coronavirus

besteht, gesucht wird. Meine Vorrednerin hat auch das schon gesagt.

Eine vollständige Isolation von Kindern innerhalb der familiären Haushalte wird weder verlangt noch vorgeschrieben. Die häusliche Quarantäne stellt das einzig wirksame Mittel dar, um das Virus nicht weiterzuverbreiten. Bei dem Verdacht einer Infektion kleiner Kinder oder bei einer tatsächlichen Infektion empfiehlt das Land Niedersachsen, dass mindestens einem Elternteil gegenüber ebenfalls eine Quarantäne ausgesprochen wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass eine kindgerechte Betreuung möglich ist. Für den betreuenden Elternteil sieht das Infektionsschutzgesetz eine Lohnersatzleistung vor.