Protocol of the Session on July 15, 2020

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Wirtz. - Jetzt macht sich Herr Kollege Horst Kortlang für die FDP-Fraktion langsam auf den Weg.

Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Jahrhundertchance Wasserstoff - Eckpfeiler für eine saubere und innovative Energiewende!“ Hinter dieser Aussage stehe auch ich. Sie werden im Plenum schon häufiger gehört haben, dass wir von der FDP das für einen guten Weg halten. Es müssen jedoch auch andere Perspektiven beachtet werden.

Wasserstoff, meine Damen und Herren, ist keine Energiequelle, sondern ein Sekundärenergieträger wie Strom. Beide Energieträger müssen hergestellt werden. Sie liegen also nicht wie Kohle, Erdöl oder Erdgas im Boden. Aus diesen fossilen Energieträgern lassen sich Strom, aber auch Wasserstoff herstellen. Je nach Umgang mit dem anfallenden Kohlendioxid ist es - ohne CCS - grauer oder - mit CCS - blauer Wasserstoff. Wir haben gehört, dass der grüne Wasserstoff durch Windenergie erzeugt wird. Und türkiser Wasserstoff wird aus Erdgas hergestellt.

Dies ist ein für einen zügigen Anschub der Wasserstoffwirtschaft zu bedenkender Weg - das fordern auch Teile der Industrie, aber zum Teil auch meine Kollegen aus dem Bundestag und aus dem Landtag. Diese Anlagen könnten nämlich später für die Verwertung von Abfallbiomasse - ich habe auch im Ausschuss schon darauf hingewiesen - umgerüstet werden.

Dennoch birgt dieser Weg die Gefahr, dass wir nicht wirklich vorankommen, weil er keine ausreichende Beachtung findet. Würden wir ihn in Betracht ziehen, dann würde Wasserstoff neben Strom der sekundäre Energieträger für alle Sektoren, aber auch Rohstoff für die Industrie werden. Wir werden große Mengen benötigen. Strom und Wasserstoff werden mehr als 1 500 Milliarden kWh liefern. Für das beste Szenario bei der Herstellung - Stichwort „E-Fuels“; das wurde hier eben gefordert - würde sogar fast die doppelte Menge Energie erforderlich sein.

Seit die Nationale Wasserstoffstrategie im vergangenen Jahr verfasst und angegangen wurde, wird die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von Strom - also die sogenannte Elektrolyse - als Erzeugungspfad für Wasserstoff gesehen. Aufgepasst! Sie wollen einen Sekundärenergieträger nutzen, um einen anderen Sekundärenergieträger herzustellen. Das klingt ein wenig nach Schilda, aber wir müssen das so machen; anders geht es nicht. Der Strom muss aus Erneuerbaren hergestellt werden. Zurzeit und im jetzigen Verfahren wird er das aber absolut nicht. Wäre das der Fall, dann stünde Niedersachsens mit Abstand größte Elektrolyseanlage mit gut 600 MW schon in Stade bereit.

Es gibt neben der Elektrolyse noch einen weiteren erneuerbaren und damit nachhaltigen Weg, Wasserstoff herzustellen. Ich habe das schon häufiger gesagt: Um nachhaltigen Wasserstoff zu erzeugen, können nachwachsende Kohlenstoffträger wie Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft in der thermochemischen Vergasung genutzt werden. Das wäre sogar günstiger. Grundsätzlich wird beim Humusaufbau durch die Nutzung von Wurzeln CO2 gewonnen. Aus Sicht des Klimaschutzes hat die eben beschriebene Wasserstoffproduktion aber erhebliche Vorteile. Wie auch aufgeführt wird, ist das auch günstiger, als Kohlendioxid direkt der Luft zu entziehen und zu speichern.

In sehr konservativen Studien wird das Potenzial allein in Deutschland auf über 250 Milliarden kWh geschätzt. Optimistischere Schätzungen sind sogar doppelt so hoch. Ich selbst bin da etwas verhaltener. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir im Jahr 2019 durch Wind und Photovoltaik insgesamt 172,5 Milliarden kWh erzeugt haben, wird deutlich, dass das ein Pfund ist, das nicht aus den Augen verloren werden darf. Das dient dem Klimaschutz und dem Umweltschutz.

(Zustimmung bei der FDP)

Diese großen Potenziale der nachhaltigen Kohlenstoffquellen sollten wir nutzen! So kann Wasserstoff ein wirklicher Eckpfeiler der Energiewende - da bin ich ganz bei Ihnen - mit großem Wertschöpfungspotenzial für Land- und Forstwirtschaft sowie für die Industrie sein.

Beide Sekundärenergieträger werden - das habe ich auch schon angesprochen - am besten leitungsgebunden transportiert. Wasserstoff kann über das Erdgasnetz transportiert werden, was im Prinzip in jedem Mischungsverhältnis möglich ist: mit Erdgas oder ohne. Es verlaufen Transportlei

tungen vom Norden bis in den Süden, die eine Kapazität von 70 GW haben. Allein diese Leitungen stellen einen nicht zu unterschätzenden Speicher dar. Im Norden Deutschlands und insbesondere im Nordwesten gibt es eine Vielzahl an Salzkavernen, die leicht zu reinen Wasserstoffkavernen umfunktioniert werden können. Die Brennstoffzelle - das hat mein Kollege eben schon angesprochen - ist ein Energiewandler mit sehr hohem Wirkungsgrad von deutlich über 50 % hinsichtlich des erzeugten Stroms und einem Gesamtwirkungsgrad von 98 %.

Mit den aufgezeigten sehr großen Mengen ist eine gute Versorgung der Industrie möglich. Allein für die Stahlindustrie - das haben unser Umweltminister und unser Umweltminister häufig angesprochen - wird ein Bedarf von über 2,4 Millionen t Wasserstoff angegeben. Das sind fast 95 Milliarden kWh Wasserstoff. An diesen Zahlen wird deutlich, dass wir den anderen von mir geschilderten Pfad dringend brauchen. Wir sollten nicht den Fehler machen, auf einem Bein zu hinken und nur die Elektrolyse in Betracht zu ziehen, sondern wir müssen auch die anderen Optionen erwägen.

Deswegen rufe ich die hier anwesende Ministerriege - auch Herrn Minister Thümler - ganz herzlich dazu auf, noch einmal über eine Anschubfinanzierung nachzudenken.

Ich bedanke mich fürs Zuhören. Das ist eine wichtige Sache, die wir angehen müssen!

(Beifall bei der FDP)

Danke vielmals, Kollege Kortlang. - Für die CDUFraktion hat sich der Abgeordnete Martin Bäumer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wasserstoff wurde im Jahr 1766 bei Experimenten des englischen Physikers und Chemikers Henry Cavendish entdeckt. Er nannte ihn damals „brennbare Luft“. Ich erzähle Ihnen das, damit Sie wissen, dass wir uns schon seit mehr als 260 Jahren mit Wasserstoff beschäftigen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aber nicht Sie!)

Wenn das jetzt viele Staaten dieser Erde tun, dann liegt das daran, dass wir Wasserstoff für eine funktionierende Energiewende brauchen; denn bislang diskutieren wir über die Energiewende eher auf der

Basis von Strom. Die Frage, wie wir Strom aus Kernenergie oder Kohle ersetzen können, haben wir schon beantwortet, indem wir in den letzten 20 Jahren Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen gebaut haben, und es werden jedes Jahr mehr. Rein rechnerisch wird auch die Versorgung mit erneuerbaren Strom jedes Jahr besser.

Aber wenn wir neben dem Strombedarf den Fokus auf die Themen Mobilität und Wärme legen wollen, dann wird deutlich, dass wir den gesamten Energiebedarf kaum über Strom werden decken können, der bei uns im Land produziert wird. Natürlich wollen wir weiter ausbauen. Wir wollen mehr Photovoltaik. Wir wollen mehr Windkraftanlagen. Aber es wird auch anderswo ausgebaut werden müssen.

Wasserstoff herzustellen - das haben meine Kollegen schon erwähnt -, ist relativ einfach. Man braucht dazu Wasser und Strom. Die spannende Frage ist eigentlich nur, wie teuer der Strom ist. Je günstiger der Strom ist, umso günstiger lässt sich der Wasserstoff herstellen.

Energie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dafür auf diesem Planeten reichlich vorhanden. Die Sonne, die uns bekanntlich keine Rechnung schickt, schickt uns in drei Stunden so viel Energie, dass wir damit den Energiebedarf der gesamten Menschheit auf diesem Planeten für ein Jahr decken könnten. Drei Stunden Sonne - ein Jahr lang den Energiebedarf decken! Daran kann man sehen, welches Potenzial uns zur Verfügung steht. Deswegen ist es hochgradig sinnvoll, dass wir Wasserstoff nicht nur hier bei uns in den Zeiten produzieren, in denen der Strom aus Wind und Photovoltaik nicht anderweitig gebraucht wird. Nein, es macht Sinn, für eine kontinuierliche Produktion und aus Kostengründen auch anderswo zu produzieren, wo das günstiger möglich ist und natürliche Energie stabil und günstig vorhanden ist.

Wenn man dann diesen produzierten Wasserstoff mit CO2, also Kohlendioxid, aus der Atmosphäre verbindet, kann man daraus flüssigen Kraftstoff herstellen, der hervorragende Transporteigenschaften hat. Diese Kraftstoffe, sogenannte

E-Fuels, können über das vorhandene Tankstellennetz wunderbar verteilt werden und laufen auch in den herkömmlichen Verbrennungsmotoren klimaneutral. In Nordnorwegen - das habe ich von einem Experten aufgenommen - könnte man mit Windkraftanlagen 40 % des europäischen Kraftstoffbedarfs decken. Afrika ist ein riesiger Konti

nent, der viel Sonne und ein großes Potenzial für die Produktion von Wasserstoff hat.

Für die Anlandung, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, braucht man dann Terminals. Momentan kämpfen Sie leidenschaftlich gegen sie. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Ohne diese Terminals wird es nicht gehen! Wir brauchen an der Stelle Energie- und Technologieoffenheit. Ein vorausschauender Staat stellt sich breitgefächert auf und macht sich unabhängig.

(Beifall bei der CDU)

Wasserstoff, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aber nicht nur als Energiespeicher interessant, sondern auch als Rohstoff für die chemische Industrie und für die Stahlproduktion. Unser Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat aus diesem Grund mit den Unternehmen Salzgitter Stahl, Uniper und Rhenus sowie städtischen Vertretern aus Wilhelmshaven eine Studie in Auftrag gegeben, mit der man herausfinden will, ob eine neue Eisenerzanlage am Tiefseehafen in Wilhelmshaven einen Beitrag für die klimafreundliche Produktion von Stahl leisten kann.

Dafür sind wir dem Minister sehr dankbar; denn er sorgt dafür, dass die Produktion in Deutschland grüner wird. Das ist der richtige Weg. Natürlich kann man Dekarbonisierung auch betreiben, indem man Unternehmen aus dem Land jagt. Aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren, schafft keine Arbeitsplätze, sondern gefährdet den Wohlstand unserer Bürger und unseres Landes.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bin auch unserem Wissenschaftsminister Björn Thümler sehr dankbar, dass er sich gemeinsam mit der Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei der Salzgitter AG über die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff informiert hat. Unser Wohlstand beruht auf der Produktion von hochwertigem Stahl. Wir sind Industrieland und Innovationsland; das wollen wir auch bleiben. Grüner Wasserstoff ist der Schlüssel für den künftigen Erfolg der Stahlindustrie in Deutschland. Diesen Schlüssel halten wir hier bei uns in Händen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Regierungsfraktionen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben sich mit dem Thema Wasserstoff parlamentarisch schon beschäftigt. Ich bin den Kollegen von der SPD und Umweltminister Olaf Lies trotzdem sehr dankbar, dass uns diese

Aktuelle Stunde Gelegenheit gibt, über das Thema noch einmal umfassend zu sprechen.

Mit dem Geld, das auf Bundesebene rund um den Wasserstoff bereitgestellt wird, können wir hier in Niedersachsen sehr viel bewegen. Ich bin mir sicher, dass Umweltminister Lies im Verbund mit den beiden Ministern Althusmann und Thümler dafür sorgen wird, dass möglichst viel von dem Bundesgeld nach Niedersachsen fließt.

Schade finde ich nur, dass nicht alle Fraktionen hier im Landtag von diesem Thema so begeistert sind. Vielen Dank an den Kollegen Kortlang von der FDP! Er hat aufgezeigt, was man machen kann. Für die AfD war das Glas auch heute wieder halbleer. Und die Grünen haben bei dem Thema Technologieoffenheit Probleme. Das ist für sie ein Fremdwort. Schade, schade, schade!

Wir machen es anders. Wir packen an! Nach dem Zeitalter des Feuers und dem Zeitalter der Dampfmaschine beginnt jetzt das Zeitalter von Wasserstoff. Packen wir’s an!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke sehr, Kollege Bäumer. - Für die Landesregierung hat sich der Umweltminister, Olaf Lies, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre dieser munteren Debatte gerne noch weiter gefolgt, weil sie, glaube ich, an vielen Stellen aufgezeigt hat, welche Perspektiven vor uns liegen. Ich will Horst Kortlang direkt danken: Es gibt nicht nur eine Lösung - es gibt nie nur eine Lösung! Wir sind gut beraten, alles in den Blick zu nehmen.

Aber wir stehen - das sagt der Titel dieser Aktuellen Stunde - wirklich vor einer Jahrhundertchance. Wir stehen übrigens auch vor einer Jahrhundertherausforderung. Die Corona-Krise hat gezeigt, was eine schwierige wirtschaftliche Situation bedeutet. Für viele Menschen ergibt sich im Moment eine ganz schwierige Situation, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Gerade die Wirtschaft zeigt uns, dass sie nicht in die Zeit von vor zehn Jahren zurück will. Sie fordert nicht, jetzt alles zu stoppen, was den Klimaschutz angeht. Vielmehr ist er gerade der Motor einer Weiterentwicklung. Wirtschaft und Politik drängen gemeinsam darauf, die

Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen und die Jahrhundertchance Klimaschutz auch zu nutzen, damit sich der Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland - das gilt insbesondere auch für Niedersachsen - erfolgreich weiterentwickelt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das in den letzten Jahren immer wieder gesagt: Industrie folgt Energie. - Wir sind im Norden Deutschlands der Energiestandort Nummer eins. Der Energiestandort Nummer eins hat die allerbesten Chancen - aber wir müssen sie auch nutzen -, damit eine positive wirtschaftliche Entwicklung fortgesetzt wird, verbunden mit der Chance, gute Arbeitsplätze zu schaffen und damit den Menschen auch in unserem Land Niedersachsen und im Norden eine besondere Perspektive zu geben. Deswegen lohnt es sich, gemeinsam dafür zu streiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Über allem steht der Klimaschutz. Dass wir uns da einig sind! Wir machen ja kein großes Experiment, weil alles andere funktioniert. Über allem steht der Klimaschutz. Ohne Klimaschutz würden wir das nicht machen. Wir machen es konsequent. Wir brauchen die CO2-Reduzierung in allen Branchen, in allen Bereichen, wo das notwendig ist.

Das ist der Unterschied bei Wasserstoff aus verschiedenen Quellen: Wasserstoff von gestern half nicht beim Klimaschutz. Wasserstoff von gestern kam aus fossilen Quellen. Wasserstoff von heute und morgen steht für Klimaschutz, weil er grün ist. Er hilft uns, die Bereiche zu dekarbonisieren, die heute noch sehr stark CO2-lastig sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)