(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Sie machen es sich aber auch wieder schön einfach!)
Vielen Dank. - Wir starten nun in die zweite Runde. Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Wenzel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Bei dieser Debatte gibt es an einigen sehr zentralen Punkten sehr wohl Einigkeit. Ich will ausdrücklich noch einmal festhalten, dass wir uns einig sind, dass wir es aufgrund einer globalen Pandemie mit einer außergewöhnlichen Notlage zu tun haben, und dass wir deswegen auch global abgestimmte, europäisch abgestimmte, hier in Deutschland zwischen den Bundesländern und dem Bund abgestimmte Maßnahmen brauchen.
Ferner bin ich dankbar, dass dieser Nachtragshaushalt einen Ausgleich für die massiven Steuereinnahmenausfälle bei Kommunen und Land enthält. Wenn wir diese nicht ausgleichen würden, dann müssten unsere Kommunen und unsere Ministerien im Moment massivste Sparprogramme fahren. Das würde die Krise massiv verschärfen. Neben den vielen Insolvenzen, von denen wir in den letzten Wochen und Monaten hören, würden
dazu auch Arbeitskräfte freigesetzt werden, die bei der öffentlichen Hand beschäftigt sind. Das darf auf keinen Fall passieren.
Diese Krise ist für uns alle, die wir das erleben, einzig, auch wenn wir in den Geschichtsbüchern nachlesen können, dass wir beileibe nicht die erste Generation sind, die so etwas erlebt. Wir können davon lernen, aber nur in Ansätzen. Deswegen sind wir, glaube ich, immer darauf angewiesen, von Tag zu Tag zu prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, ob wir die richtigen Entscheidungen treffen. Wir müssen auch bereit sein, sie im Zweifel zu korrigieren.
Wir sind uns aber nicht einig in der Frage, wie wir diese Krise bewältigen. Wahrscheinlich sind wir uns auch nicht in der Frage einig, wie lange sie möglicherweise anhält und wie lange unsere Maßnahmen anhalten müssen, die jetzt kommen. Deshalb haben wir einen Vorschlag gemacht, der weit über den heutigen Tag hinausreicht, der auch Planungssicherheit vorsieht, aber auch Erwartungshaltungen, Sorgen und Ängste in der Zukunft aufgreift und für die Zukunft, für die nächsten Jahre Unternehmen eine Richtschnur gibt, wo es sich z. B. lohnt zu investieren, wo es sich lohnt, Arbeitsplätze vorzuhalten, und wo es sich lohnt, in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Wir müssen heute diese Signale geben: Wir sind bereit, Investitionen der öffentlichen Hand vorzuziehen. Wir sind bereit, in den Wohnungsbau, in die Sanierung von Schulen, in Hochschulen, in Behörden - wie das Kriminaltechnische Institut der Polizei -, in den Umbau der Energieversorgung, in Digitalisierung sowie in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wir sind bereit, sicherzustellen, dass unsere öffentliche Infrastruktur klimaneutral, smart und enkeltauglich wird und digital auf dem allerneuesten Stand sein wird. Wir müssen zeigen, dass wir die Herausforderung annehmen - sie wird zentral sein, gerade im Bereich der Digitalisierung.
Wer diese Signale aufnimmt, der hat die Fähigkeit für die Zukunft, Geschäftsideen und Produkte zu entwickeln, die tatsächlich im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sind, der gibt eben auch Sicherheit für die Zukunft und zeigt anderen, die jetzt von Tag zu Tag prüfen, ob sie sich die nächste Miete noch leisten können, ob sie es sich noch leisten können zu investieren, wo das möglich ist, der gibt eine Richtschnur, der setzt Leitplanken, der gibt am Ende Sicherheit und Stabilität.
Meine Damen und Herren, deswegen hat es mich sehr irritiert, dass der Finanzminister hier zwar unterrichtet hat, aber kein einziger Minister - und auch nicht der Ministerpräsident - es für nötig befunden hat, sich vor dem Landtag zu erklären
und dem Landtag zu erläutern, weshalb er welche Maßnahme vorsieht, welche Analyse dahintersteckt, welche Annahme über die Dauer der Krise getroffen wurde und was die Zielgenauigkeit angeht.
Der Wirtschaftsminister hat - wenn der Beschluss heute getroffen wird - einen Etat von 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Alles ist untereinander deckungsfähig, aber nur mit Stichworten versehen. Dort sind Stichworte wie „Notfallfonds“ aufgeführt.
Ja, wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Notsituation; das ist ein Notfall. Aber das Haushaltsrecht wird dadurch nicht außer Kraft gesetzt, Herr Minister Althusmann!
Das Haushaltsrecht gilt auf Punkt und Komma! Darin steht etwas von Haushaltswahrheit und Haushaltswahrheit sowie von Jährlichkeit. Das Budgetrecht - das Königsrecht - liegt hier im Parlament und nicht bei Ihnen im Kabinett, Herr Althusmann!
Der Kollege Birkner hat ja darauf hingewiesen: Wir haben hier in einigen Punkten unterschiedliche Auffassungen. Wir sind uns aber einig, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Notlage befinden. Wir sind uns auch einig, dass wir im Zweifel den Weg freimachen, um in Krisensituationen schnell handeln zu können. Aber Sie können das Parlament nicht einfach zur Seite drücken und uns im Nachhinein per Pressemitteilung informieren, wofür Sie Unterstützung für nötig befunden haben.
Nein, gerade im Wirtschaftsbereich, Herr Althusmann, wollen wir ganz genau wissen: Wie ist Ihre Analyse? Wie geht es den großen Unternehmen und Konzernen? Was ist bei ihnen zu erwarten? Wie ist die Auftragslage? Wie viel investieren sie? Wie lange werden sie nach ihrer Auffassung noch Kurzarbeit benötigen? Wie sehen Ihre Programme aus?
Wenn man mit Unternehmerinnen und Unternehmern spricht, dann hört man doch ganz genau heraus, wie sehr sie in Sorge sind, wie sie von Monat zu Monat rechnen, was kommt, was sich möglicherweise ändert, wie sich die Situation auf anderen Märkten entwickelt, wie sie sich in Europa sowie auf wichtigen Zuliefermärkten entwickelt. Es wäre sehr hilfreich, wenn sie ungefähr wüssten, was Sie im nächsten und übernächsten Monat planen. Noch besser wäre es, wenn sie wüssten, dass Sie hier ein langfristiges Investitionsprogramm über die nächsten Jahre mit unserem Niedersachsenfonds auf den Weg bringen und Orientierung geben, Hilfe geben und Unterstützung geben.
Herr Wenzel, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr Thiele bittet darum, eine Frage stellen zu können.
Ich möchte Sie nur fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass Sie mit Ihrer Rede gerade eine frontale Gegenrede zur Rede der Vorsitzenden Ihrer eigenen Fraktion halten,
der erstens analytisch nicht begründet ist - hier ist keine Analyse vorgestellt worden - und zweitens den Prinzipien von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit vollständig widerspricht.
Letzter Teil der Frage: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass mit diesem Niedersachsenfonds, den gerade ja auch Sie beworben haben, die Landesverfassung mit der Kreditaufnahmeermächtigung, die Sie dafür vorsehen, gravierend gebrochen würde?
(Christian Grascha [FDP]: Wie Ihre! - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Dazu habe ich doch ausgeführt! Hätten Sie mir mal zugehört!)
Meine Fraktionsvorsitzende hat z. B. darauf hingewiesen, dass wir Ihnen mit unserem Änderungsantrag diejenigen Haushaltsstellen streichen möchten, die Ihnen die Flexibilität geben sollen, die sich der Wirtschaftsminister vielleicht wünscht, die aber mit dem Haushaltsrecht kollidieren.
Schauen Sie in unseren Änderungsantrag gemäß § 23 der Geschäftsordnung! Darin fordern wir eine Governancestruktur für den Niedersachsenfonds, die sicherstellt, dass der Landtag ganz genau weiß, wie viel Geld z. B. in die Sanierung von Schulen oder Hochschulen oder in die Sanierung von Polizeigebäuden oder in den öffentlich geförderten Wohnungsbau fließt. Sie können sicher sein, dass wir sehr genau auf das Controlling achten. Wenn Sie Zweifel haben, dass das rechtlich möglich ist, empfehle ich nur einen Blick auf Ihre Rettungsmaßnahme für die NORD/LB und die Konstruktion, die Sie über die HanBG gewählt haben. Dann wissen Sie, wie Sie mit Controlling umgehen. So wollen wir es jedenfalls nicht haben!
Herr Thiele, ich wünsche mir aber, dass wir darüber im Gespräch bleiben, weil ich glaube, dass Sie keine Alternative haben. Entweder machen Sie es so, wie es der Ministerpräsident vorschlägt. Er hat in der Pressekonferenz gesagt: Wir machen jetzt mal eine Pause! - Das halte ich für eine ganz schlechte Idee. Oder Sie wählen den Weg der öffentlich-privaten Finanzierung, also ÖPP. Dann müssen Sie aber den Gewinnanspruch, den Zinsanspruch und das Risiko des Unternehmers mitbezahlen. Das wird teurer als die Nutzung des Niedersachsenfonds.
Oder Sie lassen die Infrastruktur schlicht und einfach so, wie sie ist. Das wird am Ende am teuersten: In das Dach, das nicht repariert wurde, regnet es hinein. Dann fault das ganze Dach weg. Am Ende ist die Reparatur teurer. - Unsere Schulen, unsere Kinder, unsere Hochschulen brauchen aber das Beste, was es heute im Bereich Infrastruktur und Digitalisierung gibt. Das wird der Wettbewerbsfaktor par excellence, zusammen mit dem Thema Klima.
Ich wünsche mir, dass wir uns da zukunftsfähig aufstellen. Wir sind mit unserer Volkswirtschaft der Motor in Europa. Die Orientierung, die Deutschland - und auch Niedersachsen - als starkes Exportland hier gibt, ist von entscheidender Bedeutung.