Protocol of the Session on July 15, 2020

Frau Ministerin, warum muss das Brautpaar bei einer Hochzeitsfeier zu einem anwesenden Kegelklub mit zehn Personen keinen Abstand halten, zu an der Feier teilnehmenden Onkeln und Neffen aus zwei verschiedenen Hausständen aber sehr wohl?

Und - Frau Ministerin, vielleicht können Sie diese Frage, die nun schon seit längerem im Raum steht, endlich aufklären - wie verhält es sich denn nun mit der Feier im privaten Garten oder Haus? Wie viele

Gäste darf man denn nun einladen? Ist zwischen draußen und drinnen zu unterscheiden? Sind es 10 Personen nach § 1 Abs. 3, 30 Personen nach § 26 Abs. 1 Satz 2 oder 500 Personen nach § 25 Abs. 2 Satz 2? Besteht eine Dokumentationspflicht? Gilt das Abstandsgebot?

Das sind nur einige Fragen.

Wenn ich mir Ihre Verordnung, die Sie, Frau Ministerin mit Ihrer Unterschrift ja immer wieder verlängern - ohne parlamentarisches Verfahren, ohne Einbindung einer demokratisch legitimierenden Kontrolle -, und die zentrale Vorschrift darin genauer anschaue, dann frage ich mich, was es mit diesen „physischen Kontakten“ auf sich hat. Im Wortlaut heißt es: Physische Kontakte sind „auf das Notwendige zu beschränken“. - Darauf bezieht sich das Abstandsgebot.

Ein Verbot von physischen Kontakten bedeutet, dass körperliche Kontakte verboten sind. Diese wollen Sie eigentlich verbieten. Körperliche Kontakte außerhalb der Wohnung sind nach § 1 Abs. 2 i. V. m. mit den Absätzen 3 und 4 nur dann erlaubt, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird. Körperlicher Kontakt und gleichzeitiges Abstandhalten passen aber nicht zusammen. Wie soll man das machen? Im Ergebnis wird mit einer solchen Vorschrift das verhindert, was die Vorschrift angeblich ermöglichen soll, nämlich der körperliche, also der physische Kontakt.

Solche Vorschriften, die nicht mehr in sich selbst schlüssig sind und bei näherer Betrachtung im Wortlaut keinen Sinn ergeben, sodass man zu dem Schluss kommen muss, dass sie komplett widersprüchlich sind, sind es, die die Menschen vor Ort verstehen und anwenden können müssen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht gegeben.

Solche Beispiele finden sich zuhauf.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Hinzu kommt, dass es nicht nur widersprüchliche und unschlüssige Regelungen gibt. Die Verordnung ist in weiten Teilen nicht lesbar.

Es gibt 30 Paragraphen mit 189 Normverweisen innerhalb der Verordnung. Hinzu kommen Verweise auf das SGB VIII, auf SGB IX - sechs Mal -, auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes, auf das NuWG, auf das Strafgesetzbuch sowie einzelne Verweise auf Grundgesetz, Gaststättengesetz, Bundeszentralregistergesetz und das Arbeitneh

mer-Entsendegesetz. Welcher Bürger, Frau Ministerin, soll das bitte noch verstehen?

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Das ist nicht mehr zumutbar. Da müssen Sie endlich mal für Klarheit sorgen!

Erlauben Sie mir zum Schluss den Hinweis auf § 29 Abs. 2 der letzten Verordnung. Sie hatten nun wirklich ausreichend Zeit, diese Verordnung ordnungsgemäß vorzubereiten. Wir befinden uns nicht mehr in der Anfangsphase der Pandemie, wo Dinge vielleicht schnell gehen müssen. Dort heißt es:

„Die nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden und die Polizei sind gehalten, die Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen und Verstöße …“

Das war’s. Das ist der Wortlaut der Vorschrift, wie Sie - diese Landesregierung - sie veröffentlicht hat, wie sie die Amtsblattstelle im Gesetz- und Verordnungsblatt der Öffentlichkeit bekanntgemacht hat - und das ist die maßgebliche Fassung, nicht die Variante, die auf Ihrer Internetseite steht.

Ich unterstelle, dass Ihr Ministerium ordentlich arbeitet und Ihnen genau diese Verordnung, die genau diesen Fehler aufweist und die Sie unterschrieben haben, vorgelegt hat. Es sei denn, die Amtsblattstelle hat einen Fehler gemacht und diesen letzten Satz unterschlagen. Aber üblicherweise wird die Druckfassung letztlich von der Ministerin unterschrieben.

Entweder haben Sie das - in Ihrem Haus - nicht aufmerksam gelesen oder aber - Herr Ministerpräsident - die Amtsblattstelle und die Staatskanzlei sind nicht mehr in der Lage oder willens, ordnungsgemäß und sorgfältig zu arbeiten.

(Glocke der Präsidentin)

Das führt mich - Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss - zu einem der zentralen Punkte. Ich habe verstanden, dass Ihnen die demokratische Legitimation durch das Parlament nicht so wichtig ist. Aber begreifen Sie das Parlament doch endlich einmal auch als Qualitätssicherung; denn offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, ordnungsgemäß zu arbeiten und den Bürgern - und übrigens auch den Polizeibehörden und den Behörden vor Ort - Klarheit und Rechtssicherheit zu geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Die nächste Wortmeldung ist aus der AfD-Fraktion. Frau Abgeordnete Dana Guth, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Eine schöne Aktuelle Stunde der FDP! Die Erklärung der Frage ist relativ einfach oder auch ebenso kompliziert:

Wenn Sie sich als Politiker auf Veranstaltungen treffen, ohne Sicherheitsabstand und Masken, ist das erlaubt. Gemäß der Antwort auf meine Anfrage - Drucksache 18/6730 - ist das im Rahmen der Berufsausübung genehmigt.

Wenn Sie sich mit 15 000 Menschen auf Demos gegen Rassismus treffen, ist das zwar nicht erlaubt, wird aber auch irgendwie nicht unterbunden. Trotz massiver Polizeipräsenz ist es dann unmöglich, dort Identitäten festzustellen und Ordnungsmaßnahmen einzuleiten.

Wenn sich die Partyszene in Großstädten trifft, ist das irgendwie verboten, wird aber nicht sanktioniert.

Wenn sich zwölf Leute in Northeim zu einem Picknick im Freien treffen - so berichtet der Harz Kurier vom 13. Juli -, dann ist das verboten. Die Polizei schreitet ein und leitet ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen diese Leute ein.

Ist doch alles ganz logisch, oder irgendwie nicht?

Aber es geht weiter:

Gehen Sie an Menschen in einem Straßencafé vorbei, müssen Sie keine Masken tragen. Möchten Sie sich an einen Tisch setzen, müssen Sie vom Eingang des Straßencafés bis an den Tisch eine Maske aufsetzen, um sie am Tisch wiederabzusetzen. Sie dürfen sie dann wahlweise auf den Tisch legen oder in Ihre Hosentasche knüllen, damit sie einsatzbereit ist und zur Verfügung steht, wenn Sie den Tisch wieder verlassen möchten. Ganz logisch!

Die Kassiererin im Supermarkt, heutzutage hinter Plexiglasscheiben sitzend, muss - glücklicherweise - keine Maske tragen, obwohl täglich Hunderte Kunden an ihr vorbeiziehen. Der Kunde auf der anderen Seite der Glasscheibe muss eine Maske tragen und natürlich das absolut ultimative Mittel zum Infektionsschutz dabei haben: seinen Einkaufswagen.

Möchten Sie ins Kino, muss peinlichst auf Sitzabstände geachtet werden.

Steigen Sie in ein Flugzeug, sitzen Sie nach wie vor im Sardinenmodus, dicht an dicht. Hier müssen Sie dann allerdings einen wie auch immer gearteten Stofflappen vor dem Gesicht tragen.

Essen gehen dürfen Sie zurzeit mit zehn Leuten, es sei denn, es ist eine Familienfeier. Ist es z. B. eine Parteiveranstaltung zum Zweck von Wahlen, dürfen sich mehr Leute treffen als zu einem Konzert.

Kommen Sie aus Gütersloh, dann konnte es Ihnen bis vor Kurzem passieren, dass Sie nicht an die Ostsee durften. Weil das nur teilweise so gehandhabt wurde, überlegt man derzeit, ganze Landkreise im Falle eines Infektionsgeschehens abzuriegeln. Wie wollen Sie das umsetzen? Zaun drum, Passkontrolle, Handyortung, Fußfesseln für alle?

Es ist erstaunlich: Ein Land, das seit Jahren nicht in der Lage ist, seine Außengrenzen zu kontrollieren, möchte nun die Bewegung der eigenen Bürger auf Kreisebene beschränken. Das wird sicher ganz hervorragend funktionieren.

Ich gehe davon aus, dass die Absicht hinter Ihrer Aktuellen Stunde ist, die Unsicherheit der Menschen bezüglich der geltenden Regeln zu verdeutlichen. Ich glaube, das ist mehr als klar gelungen.

Deswegen haben wir die Abschaffung der CoronaVerordnung in Gänze gefordert.

Es wird nach wie vor in Grundrechte eingegriffen. Man sieht sich nach wie vor im Erlaubnismodus. Das heißt, die Regierung erlaubt ihren Bürgern irgendetwas.

Die Verordnung ist chaotisch, undurchsichtig, ungerecht und der bestehenden Infektionslage mit 384 Infizierten überhaupt nicht mehr angemessen.

Sie können nicht prophylaktisch immer weiter Grundrechte einschränken, weil Sie ein Ereignis eventuell erwarten - eine zweite Welle. Genau das tun Sie seit Wochen.

Ein Rechtsstaat funktioniert nur, wenn die Regeln nachvollziehbar, begründbar und für alle gleich sind. Das konterkarieren Sie mit Ihren Verordnungen und deren Umsetzung zusehends. Von daher: Bitte hören Sie damit auf!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Christian Meyer. Bitte, Herr Meyer!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gratulation an die FDP! Als Sie am Montag ihren Antrag zum Corona-Chaos einreichten, konnten Sie noch nicht wissen, über welche gravierende Panne heute alle Zeitungen berichten: Da wird in der aktuellen Verordnung - es ist geschildert worden - mal eben der Bezug zum Bußgeldkatalog vergessen und dieser damit außer Kraft gesetzt.

Das kann bei der ersten Verordnung vielleicht einmal passieren. Aber mittlerweile müssten doch die Juristinnen und Juristen in den verschiedenen Ministerien ein Verfahren haben, dass die Regierung weiß, was sie tut.

Wenn der Staatssekretär gestern erklärt, bei der Unterzeichnung der Verordnung durch die Ministerin war der Bußgeldkatalogbezug noch da, dann muss man sich einmal bemühen, zu klären, was da schiefläuft.

Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie sich die - berechtigte - Kritik von CDU und FDP angehört hätte, wenn in der rot-grünen Zeit einmal ein Kommafehler im Ministerialblatt gewesen wäre.