Protocol of the Session on June 30, 2020

Noch ein paar Worte zum Haushaltsentwurf an sich; denn die Einbringung fand ja in den Ausschüssen statt. Der Ministerpräsident hat versucht, hier so etwas wie eine Alternative aufzuzeigen, nämlich diese Regierungserklärung als Einbringung zu nutzen, was offensichtlich von seiner eigenen Fraktion gar nicht gewollt war.

Wir sehen hier Schuldenaufnahmen in nicht gekanntem Ausmaß. Herr Minister Hilbers, Sie haben ja mal in einem Interview gesagt, erstens: „whatever it takes“ - da sind Sie jetzt angelangt -, und zweitens, dass Sie eine historische Figur seien.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Er wollte in die Geschichtsbücher eingehen!)

Das mit der historischen Figur habe ich damals noch belächelt. Jetzt sind Sie es wirklich geworden; denn Sie werden als Schuldenminister des Landes Niedersachsen in die Geschichtsbücher eingehen. In diesem Ausmaß haben wir bisher keine Schulden erlebt, Herr Minister Hilbers.

(Beifall bei der FDP)

Das Ganze geht zulasten der künftigen Generationen. Herr Ministerpräsident, in der Regierungserklärung haben Sie, glaube ich, einen Halbsatz der künftigen Generation gewidmet. Das ist angesichts des Volumens echt schon eine Missachtung dieses Themas, so von wegen: Das habe ich gesehen, aber ist mir egal. - Das war sozusagen die Botschaft, die dahintersteckt. Denn Sie haben gesagt, ab 2024 wird das innerhalb von 25 Jahren getilgt.

Ich weiß gar nicht, ob Sie die Leute auf den Arm nehmen wollen. Wir können uns ja mal die Tilgungsraten der letzten Jahre angucken. Selbst in den besten Zeiten kommen Sie, wenn man da mal einen Durchschnitt bildet, noch nicht einmal annähernd in die Nähe dessen, was hier nötig wäre, nämlich jedes Jahr 312 Millionen Euro zu tilgen. Also mit Verlaub, zumindest bei der Art und Weise, wie Sie Haushaltspolitik machen, ist das völlig abwegig, völlig absurd. Da würden Sie niemals hinkommen, Herr Hilbers. Das ist doch lächerlich.

Wieso führen Sie die Leute eigentlich wieder hinters Licht? Wieso täuschen Sie sie da eigentlich wieder? Warum sagen Sie nicht die Wahrheit? Selbst 100 Millionen wären wahrscheinlich ehrgeizig. Aber selbst wenn wir über 25 Jahre jedes Jahr 100 Millionen abtragen, kämen wir auf 78 Jahre. Dann sind wir im Jahr 2102. Das wird vermutlich von uns hier im Saal niemand mehr erleben.

Das heißt, Sie sind sehr großzügig mit dem Geld und loben sich dafür, wie viel Sie in die Hand nehmen. Aber dass Sie die Chancen der künftigen Generationen gerade ein Stück weit mit verfrühstücken, das ist Ihnen, wie gesagt, den berühmten Halbsatz wert. Sie haben es gesehen, aber es ist Ihnen egal.

Herr Ministerpräsident, Sie sind ja immer bemüht, das Thema Sicherheit weit zu fassen. Sie sprechen von sozialer Sicherheit, innerer Sicherheit und sagen: Ich bin sozusagen derjenige, der für die Sicherheit steht. - Die Sicherheit der künftigen Generationen scheint Ihnen ziemlich egal zu sein. Für die Finanzierung der inneren Sicherheit oder der sozialen Sicherheit künftiger Generationen bleibt nämlich nicht mehr viel übrig, wenn man es wie Sie macht.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist das aus unserer Sicht eben nicht hinnehmbar und nicht akzeptabel. Das, was wir hierzu zu sagen haben, würden wir gerne in einem ausführlichen Haushaltsverfahren darstellen. Es gibt gewisse Punkte, bei denen wir mitgehen, etwa wenn es um den Ausgleich von Steuereinnahmeausfällen geht. Da muss man sicherlich helfen, und auch bei der Förderung für gewisse Branchen muss man etwas tun. Aber das, was sich in diesem Haushaltsplanentwurf abzeichnet, ist doch ein Wünsch-dir-Was von Rot-Schwarz. Jeder muss etwas abkriegen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie das in den Kabinettsrunden war, dass dann auch Björn Thümler noch kam und sagte: Ich brauche noch 14 000 Euro für die Akkreditierung. - Da fragt man sich, warum in einem Milliardenhaushalt 14 000 Euro noch so wichtig sind. Offensichtlich muss aber auch MWK noch mal bedient werden.

Aber es gibt noch ein paar andere Sachen, die hier unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung einfach mal mitgemacht werden. Eigentlich ist das ein Zeugnis davon, was Ihnen wichtig ist, was Sie aber im normalen Haushalt zu finanzieren nicht in der Lage oder nicht willens waren. Dazu gehört ein Förderprogramm für Investitionen in den ÖPNV: 30 Millionen Euro, für Elektromobilität, Ladesäulen: 40 Millionen Euro, Rad- und Radwegesonderprogramm: 20 Millionen Euro, ökologische Flottenerneuerung: 50 Millionen Euro.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Man kann ja bei jeder Maßnahme darüber streiten, ob sie möglicherweise sinnvoll ist. Aber das ge

schieht doch unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung. Sie nutzen doch nur die Gelegenheit. Sie haben sich doch so sinngemäß geäußert: Ach, was soll’s, eine Milliarde mehr oder weniger, das kommt doch nicht drauf an. Wir haben nächstes Jahr eine Reihe von Wahlkämpfen vor uns: Kommunalwahlkampf, Landtagswahlkampf, Bundestagswahlkampf. Da füllen wir doch jetzt noch mal schön die Kriegskasse, damit wir dann wunderbar die nächsten Jahre durchkommen können.

Das ist eine verantwortungslose Politik gegenüber den künftigen Generationen, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Wir fahren jetzt fort. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Fraktionsvorsitzende. Herr Toepffer, bitte!

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin immer noch einigermaßen fassungslos angesichts des Beitrags des Kollegen Dr. Birkner; das können Sie sich sicherlich vorstellen. Es sind doch Ihre Interessenvertreter, die seit Wochen in Niedersachsen durch die Gegend laufen und sagen: Wir müssen mehr Geld ausgeben, um die niedersächsische Wirtschaft zu retten, um die Konjunktur in Gang zu bringen. - Der FDP fällt immer noch etwas Neues zu dem Thema ein. Und dann kritisieren Sie diesen Finanzminister, weil er das möglich macht! Dieser Minister geht nicht in die Geschichte ein, weil er Schulden gemacht hat, sondern weil er die Konjunktur gerettet hat. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Lieber Herr Birkner, Sie kritisieren die Tilgung der Schulden, die wir jetzt aufnehmen. Meine Güte, schauen Sie doch mal nach Nordrhein-Westfalen, wo Sie mitregieren. 50 Jahre lassen die sich da Zeit. Wir schaffen es in 25 Jahren. Wie können Sie denn aufrichtig an dieser Stelle stehen und eine solche Kritik erheben?

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wenn das alles ehrlich gemeint wäre, was Sie hier sagen, hätte ich gesagt, das war eine gute Rede. So habe ich dafür überhaupt kein Verständnis.

Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dankbar für diese Regierungserklärung. Ich bin der Meinung, das war eine wirklich gelungene Erklärung mit einer Ansprache an alle gesellschaftlichen Gruppen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Deshalb haben Sie auch so viel geklatscht!)

- Möglicherweise haben wir unterschiedlich zugehört. Das mag an den Glaskästen liegen, Frau Hamburg. Aber ich finde, er hat ganz viel dazu gesagt, was wir jetzt machen müssen, z. B. was das von Ihnen immer wieder angesprochene Thema Bildungsgerechtigkeit angeht. Das fand ich richtig gut.

Ich habe mich anfangs natürlich gefragt: Ist es eigentlich notwendig, dass wir jetzt die vierte Regierungserklärung zum Thema Corona in Folge hören?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Nichts Neues!)

Denn irgendwann wiederholt sich alles.

(Christian Grascha [FDP]: Das liegt halt an der Rede!)

Auch in den vorherigen Erklärungen ist schon vieles gesagt worden. Das sehe ich durchaus. Aber ich habe eines natürlich auch gemerkt: Es ist schon wichtig gewesen, dass diese Erklärung heute erfolgt ist. Da gebe ich Frau Modder recht.

Also, ich war erschreckt, als ich gesehen habe, was nach dieser Regierungserklärung kam, als dann die AfD mit einem Antrag kam, mit dem sie im Prinzip zeigt, dass sie überhaupt nicht verstanden hat, in welcher Situation wir uns befinden.

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

- Ja, Frau Guth, Sie fordern die Aufhebung aller Corona-Einschränkungen und sagen: CoronaRisiko gehört zum normalen Leben.

Wissen Sie, was Sie nicht begriffen haben? Ich rede jetzt gar nicht von Italien, Spanien oder Schweden, die Zahlen verzeichnen, denen wir uns wahrscheinlich angenähert hätten, wenn wir von Anfang an auf Sie gehört hätten. Was Sie nicht begriffen haben, ist Folgendes: Wenn Sie sagen, das Corona-Risiko gehöre zum normalen Leben, dann muss ich Ihnen sagen: Dieses Risiko ist in

unserer Gesellschaft ungleich verteilt. Es gibt einige, die haben ein geringes Risiko, und es gibt solche, die ein sehr, sehr großes Risiko haben. Und eine solidarische Gesellschaft trägt das Risiko gemeinsam und richtet sich an den Schwächsten bzw. den größten Risikogruppen aus. Das ist unsere Politik.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Wichmann, ich hatte überlegt, ob ich diesen merkwürdigen Auftritt anspreche, den Sie uns da im März geboten haben. Das will ich nicht machen, weil Sie in der Tat das Recht haben, sich zu schützen. Aber es ist diese Inkonsequenz in der AfD, die einen wirklich auf die Palme bringt. Einerseits kämpfen Sie hier gegen alles vermeintlich Fremde, aber im Deutschen Bundestag waren Sie an der Spitze dabei, die Grenzen für bulgarische Leiharbeiter zu öffnen, damit sie die Wirtschaft stärken. Sie sind doch die Partei, die die Grenzen sonst immer schließen will. In diesem Fall wollen Sie sie aufmachen. Sie müssen sich einmal entschließen, was Sie konsequenterweise eigentlich machen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten uns aber nicht allzu lange mit den verwirrten Ansichten der AfD beschäftigen. Der MP hat zu Recht gesagt, wir sollten den Blick nach vorne richten und einen Ausblick wagen. Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was der Ministerpräsident richtigerweise gesagt hat, sondern nur einige Ergänzungen aus Sicht der CDU-Fraktion vornehmen.

Zu Recht hat der Ministerpräsident das Rettungspaket des Bundes gelobt. Ja, aber ich sage gleich noch etwas Kritisches dazu. Vor dem Bund stehen jedoch andere. Mich stört in Bezug auf die Kommunen, dass wir sie immer wie Bittsteller behandeln und sagen, wir müssen die Kommunen stützen. Es sind nicht nur Bittsteller. Die Kommunen waren in den letzten Wochen und Monaten oftmals die Ersthelfer in der Situation. Ich nenne nur die Soforthilfe-Corona-Pakete in Braunschweig oder Hannover. Die Kommunen haben bereits einen großen Beitrag dazu geleistet, die Folgen dieser Krise zu bewältigen. Dafür gebührt ihnen unser Dank, und deswegen haben sie diese Hilfe jetzt auch verdient.

(Zustimmung bei der CDU)

Das, was mir in der Regierungserklärung in der Tat gefehlt hat - Herr Ministerpräsident, Sie mögen es mir nachsehen -, ist ein Wort zu Europa.

Ich finde es großartig, dass wir in dieser Krise in Europa zusammengefunden haben und ein Zeichen für länderübergreifende Solidarität setzen. Dieses Zeichen ist ganz wichtig in einem Europa, das immer mehr von stur nationalistisch denkenden Führern geführt wird. Der Solidarität in Europa hat die Gesellschaft ihren Wohlstand und die Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken. Deswegen freue ich mich, dass Europa jetzt zu einem gemeinsamen Hilfs- und Rettungspaket gefunden hat - und dies in solidarischer Weise.

Meine Damen und Herren, zurück zum Rettungspaket des Bundes. Vieles daran ist richtig. Aber ich teile die Sorge des Ministerpräsidenten um die Automobilindustrie, Frau Hamburg.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ich auch, aber die Autoprämie hilft halt nicht!)

Auch ich habe mein Problem damit, Finanzhilfen an Unternehmen zu verteilen, die Boni und Dividenden zahlen und die große Gewinne machen. Aber ich verstehe nicht, dass Sie diese Bedenken beiseiteschieben, sobald das Produkt geändert wird. Mit Verlaub: Ob es nun ein E-Mobil oder ein Verbrenner ist - das Problem mit den Dividenden und den Boni stellt sich in gleicher Weise.