Protocol of the Session on May 12, 2020

Wir wissen, dass wir damit Neuland betreten. Aber verfassungsrechtlich spricht aus unserer Sicht nichts dagegen. Wir sollten in dieser ungewöhnlichen Situation auch ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen und da durchaus mutig sein.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Jens Nacke zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege!

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Birkner, ich habe den vorläufigen Stenografischen Bericht über die letzte Plenarsitzung mitgebracht. Ich denke, dass das korrekt erfasst worden ist; der endgültige Bericht ist noch nicht veröffentlicht. Da haben Sie unter dem Tagesordnungspunkt der Regierungserklärung gesagt:

„Vor diesem Hintergrund … schlagen wir vor, dass der Niedersächsische Landtag die ihm nach Artikel 80 Abs.4 des Grundgesetzes eröffnete Möglichkeit nutzt und die der Landesregierung durch das Infektions

schutzgesetz gegebene Rechtsetzungs

kompetenz selbst wahrnimmt.“

Ich gebe zu, ich habe mich damals schon gefragt: Wie soll das wohl gehen? - Sie haben die Antwort mit diesem Gesetzentwurf und mit Ihrer Rede eindrucksvoll gegeben. Sie lautet: Es geht gar nicht. Das ist in diesem Gesetzentwurf sehr deutlich geworden. Ich will Ihnen das gerne einmal klarmachen.

Sie fordern von dem Landtag zwei wesentliche Punkte:

Erstens sagen Sie in Ihrem § 3: Hierzu erstellt die Landesregierung entsprechende Pläne, die alle drei Monate zur Beratung vorgelegt werden sollen. - Selbstverständlich kann das bereits jetzt gemacht werden. Denn durch eine Unterrichtung kann die vollständige Beratung im Ausschuss sichergestellt werden. Eines Hinweises darauf, dass es eine Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit geben muss, bedarf es natürlich nicht; das ist eine Unverschämtheit.

Auf den zweiten Punkt sind Sie deutlich mehr zu sprechen gekommen. Sie fordern letzten Endes folgendes Konstrukt: Wir nehmen der Landesregierung die Verordnungsermächtigung, die Sie längst hat, weg, um sie ihr in gleicher Form zurückzugeben, dann aber mit dem Hinweis versehen, dass die Verordnungen der vorherigen Zustimmung des Landtages bedürfen. - Damit wollen Sie genau das, was der Bund mit dieser Verordnungsermächtigung ermöglichen wollte - nämlich eine besondere Geschwindigkeit bei der Pandemiebekämpfung -, torpedieren.

Wie soll Föderalismus funktionieren? Sie haben beanstandet, dass sich die Länder untereinander abstimmen. Wie soll es funktionieren, dass Dinge gleichzeitig in Kraft treten, wen Sie auf diese Art und Weise den gesamten Prozess der Verordnungsgebung behindern wollen?

Das ist auch nicht notwendig.

Ich bin ein bisschen überrascht, was für Aussagen hier teilweise getroffen werden: Das Parlament werde seinen Aufgaben nicht gerecht, der Parlamentarismus funktioniere nicht - und was hier heute alles gesagt wurde; ich kann gleich noch ein paar Zitate bringen.

Ich will Ihnen das einfach einmal vortragen:

Der erste Corona-Fall in Niedersachsen war am 1. März. Seit diesem ersten Fall gab es eine Unterrichtung in der 71. Sitzung des Sozialausschusses am 5. März, eine Unterrichtung des Sozialausschusses am 12. März. Am 13. März war das erste Mal ein Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten, um auf das Corona-Geschehen zu reagieren. Wie gesagt: Am 12. März gab es bereits eine entsprechende Einlassung.

Am 18. März gab es eine erste Verordnung. Am 19. März ist sie in Kraft getreten. Der Sozialausschuss hat an diesem Tag getagt. Alle Fragen sind beantwortet worden.

Am 25. März hat der Landtag getagt. Es gab eine umfassende Regierungserklärung und einen Nachtragshaushalt, den wir einstimmig beschlossen haben. Die Schuldenbremse hat sich bewährt. Denn wir haben, als wir das erste Mal in diese Frage gekommen sind, die entsprechende Mehrheit in diesem Haus selbstverständlich erreicht und damit die Neuverschuldung des Landes ermöglicht.

Am 25. März - also am selben Tag, an dem der Landtag getagt hat - ist der Sozialausschuss erneut zusammengetreten. Alle Fragen konnten dort gestellt und beantwortet worden.

In der sogenannten Osterpause, die in diesem Jahr im Wesentlichen ausgefallen ist, haben keine Ausschüsse dieses Hauses mehr getagt, aber einer schon: der Sozialausschuss. Wir hatten uns eigenständig darauf geeinigt: Dies soll der CoronaAusschuss sein.

Am 2. April tagte er als einziger Ausschuss in dieser Woche, am 9. April als einziger Ausschuss in jener Woche. Am 16. April, eine Woche später, hat der Sozialausschuss alle Fragen beantwortet be

kommen. Immer stand die Unterrichtung zu Corona auf der Tagesordnung, auch am 22. April.

Am 23. April hat der Landtag getagt, in einer zusätzlichen Sitzung. Sie haben das dafür erforderliche Quorum nicht. Wir haben es Ihnen besorgt - wie zugesagt -, damit Sie Ihre Minderheitenrechte wahrnehmen können. Es hat eine Regierungserklärung gegeben. In diesem Hause konnte ausführlich über Corona gesprochen und diskutiert werden.

Am 30. April tagte der Sozialausschuss sogar zweimal: vormittags und nachmittags.

Am 7. Mai tagte der Sozialausschuss.

Heute ist der 12. Mai, und es tagt wieder der Landtag, und es gab wieder eine Regierungserklärung und die Möglichkeit, ausführlich über Corona zu diskutieren.

Elfmal hat der Sozialausschuss als CoronaAusschuss in den neun Wochen seit dem ersten Auftreten getagt. Dreimal hat das Plenum getagt, dreimal hat es eine Regierungserklärung mit umfassender Aussprache gegeben.

Die Fachausschüsse, die ihre Arbeit zunächst herunterfahren mussten, sind alle wieder im Regelbetrieb. Jeder einzelne Fachausschuss hat sich mit Corona-Maßnahmen, mit Corona-Aktivitäten ausführlich beschäftigt.

Sie haben alle parlamentarischen Möglichkeiten. Sie können Anträge stellen, und Sie haben es getan.

(Glocke des Präsidenten)

Sie können Nachfragen stellen, und Sie haben es getan.

Wir haben noch mehr getan: Wir haben den Fraktionsvorsitzenden und den Parlamentarischen

Geschäftsführern die Möglichkeit gegeben, mit Rede- und Fragerecht im Sozialausschuss teilzunehmen, um alle Informationen zu bekommen. Das bedeutet für die kleinen Fraktionen, dass über 25 % ihrer Abgeordneten - bei den Grünen genau 25 % - an den entsprechenden Ausschussberatungen teilnehmen können.

Ich kann Ihre Argumentation, dass dieses Parlament nicht hinreichend und ordentlich unterrichtet sein soll, dass die Ausschüsse dieses Parlamentes nicht beteiligt worden sein sollen, schlicht und einfach nicht nachvollziehen. In regelmäßigem Wochenrhythmus sind Sie unterrichtet worden. Sie

konnten alle Fragen stellen und alle Informationen erhalten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Stattdessen sagen Sie aber: Es bedarf einer parlamentarischen Legitimation, die dadurch entstehen würde.

(Glocke des Präsidenten)

Grundrechtseingriffe passieren aber, Herr Kollege Birkner, doch auch durch andere Verordnungen, zu denen Sie diesen Kritikpunkt noch nie herbeigeführt haben.

Ich kann verstehen, wenn Sie den Wunsch haben, sich noch mehr zu beteiligen. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion hat das im Rahmen der Aussprache über die Regierungserklärung sehr ausführlich dargelegt. Aber ich kann nicht verstehen, dass hier teilweise in einer Art und Weise - - - Auch Frau Hamburg hat von Verfassungsbruch gesprochen. Ich habe jetzt leider keine Zeit, auf Artikel 25 einzugehen. Wenn Sie glauben, dass diese Regierung mit ihrem Handeln gegen die Verfassung verstoßen hat, dann gehen Sie zum Staatsgerichtshof! Das ist der richtige Weg. Klagen Sie dort! Dann wird der Staatsgerichtshof Ihnen einmal erklären, wie das mit dem Artikel 25 ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Sie tun das nicht, und ich sage Ihnen auch, warum Sie das nicht tun: weil Sie wissen, dass Ihre Auslegung des Artikels 25 überhaupt nicht greifen kann.

Ich will an dieser Stelle zu einem letzten Punkt kommen, über den ich mich schon gewundert habe. Herr Kollege Grascha, Sie haben in einer Pressemitteilung zum Thema Haushalt gesagt:

„Nachdem die Landesregierung seit Wochen durch Verordnung weitestgehend am Parlament vorbei regiert,“

- ich habe Ihnen gerade erläutert, welche Sitzungen es in diesem Parlament und in den dafür zuständigen Ausschüssen gegen hat -

„soll nun auch noch das Budgetrecht des Parlaments beschnitten werden.“

Herr Kollege Nacke!

Letzter Satz!

Ja, bitte!