Frau Dr. Wernstedt, warten Sie bitte ganz kurz! - Es ist im Saal nicht nur auf den Abgeordnetenplätzen, sondern auch auf der Regierungsbank so
Überall in Deutschland wird mit Hochdruck daran gearbeitet, Testverfahren für Virus- und Antikörpernachweise zu entwickeln und im größeren Umfang herzustellen. Die Landesregierung hat unlängst 10 Millionen Euro für die Erforschung zur Verfügung gestellt. Insofern sind auch diese Punkte Ihres Entschließungsantrags in Bearbeitung.
Wir müssen darüber reden: Die Welt wird sich nach der Krise verändert haben. Auch bisher unlösbar scheinende politische Vorhaben werden in Bewegung geraten. Wer hätte gedacht, dass in wenigen Tagen hohe Summen für den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes vom Bund zur Verfügung gestellt werden?
Noch befinden wir alle uns im unmittelbaren Krisenbewältigungsmodus. Aber für den Rechtsstaat ist es elementar wichtig, nicht dauerhaft in einem Denken des Ausnahmezustands zu verbleiben. Eine Überlastung unseres Gesundheitssystems muss vermieden werden. Bisher ist das gelungen, aber die Gefahr ist nicht vorbei. Es ist noch nicht erwiesen, ob es eine kluge Entscheidung war, eine vorsichtige Öffnung bereits in dieser Woche zuzulassen. Antikörpertests und jetzt auch ein Impfstoff in einer Studie geben zwar längerfristig Anlass zur Hoffnung, stehen aber aktuell noch nicht zur Verfügung. Es bleibt die Frage, ob nicht ein etwas längeres, strenges Kontaktverbot mit Senkung des R-Wertes am Ende eine schnellere Öffnung aller Lebensbereiche zur Folge haben könnte und ob wir uns mit den bisherigen Entscheidungen nicht geradewegs auf eine zweite Infektionswelle zubewegen. Wir wissen es nicht.
Die Schäden, die durch längerfristige Kontakteinschränkungen und die Prioritätenverschiebungen in unserem Gesundheitssystem entstehen, sind für viele Menschen immens und werden mit jedem Tag größer. Dies alles gilt es, in die Überlegungen mit einzubeziehen und sowohl parlamentarisch als auch öffentlich zu diskutieren. Eine Ministerialbürokratie mit ihren Krisenstäben kann nicht allein die gesamte Fülle des Lebens abbilden. Dafür braucht es eine lebendige demokratische Öffentlichkeit.
Der in diesen Tagen oft zitierte Satz, die Krise sei die Stunde der Exekutive, ist nicht ganz falsch,
aber auch nicht ganz richtig. Er greift schlicht zu kurz. Gerade in einer so komplexen Krise kommt es auf das Zusammenwirken des gewaltengegliederten und föderal organisierten Staats mit der großen Vielfalt an gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Stimmen an. Insofern ist dem Deutschen Ethikrat zuzustimmen, der formuliert hat, dass die Corona-Krise die Stunde demokratisch legitimierter Politik ist.
Vielen Dank, Frau Dr. Wernstedt. - Der Kollege ist vermutlich der Abgeordnete Bernd Lynack. Ganz langsam, das Pult muss noch gereinigt werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Tag zu Tag - das ist immer deutlicher geworden - wird auch uns immer deutlicher, welche Auswirkungen Corona tatsächlich auf uns alle hat und wie sehr betroffen davon gerade unsere Kommunen sind, die an vorderster Stelle mit ihrer Daseinsvorsorge für die Menschen vor Ort da sind, und welche Auswirkungen es hat, wenn deren Alltag lahmgelegt wird. ÖPNV, Schwimmbäder, kommunale Krankenhäuser oder auch Theater sind nur einige Beispiele, bei denen es zu massiven Einbußen kommen wird - ganz zu schweigen von den zu erwartenden massiven Einbrüchen bei der Gewerbesteuer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte aber unmissverständlich klarstellen, dass wir unsere Städte, Gemeinden und Landkreise auch in der Corona-Krise nicht im Regen stehen lassen werden.
Beim Kampf gegen Corona und beim Umgang mit den vielfältigen Folgen müssen alle staatlichen Ebenen - angefangen mit der kleinsten Gemeinde bis hin zur Europäischen Union - an einem Strang ziehen. Wir als Land Niedersachsen werden hier
selbstverständlich auch unseren Beitrag leisten, insbesondere auch, was die finanzielle Unterstützung der Kommunen angehen wird.
Was beim Leitgedanken der schnellen, unbürokratischen Hilfe für alle - für Unternehmen und Selbstständige - galt, muss selbstverständlich jetzt auch für unsere Kommunen gelten. Nur lässt sich das nicht 1 : 1 so auf die Kommunen übertragen.
Der Vorschlag der Grünen ist sicherlich in der Stoßrichtung grundsätzlich richtig. In der „freien Wildbahn“ halte ich diesen Weg aber doch für wenig praktikabel. Es gibt auf staatlicher Ebene keinen drohenden Konkurs am Monatsende, der es nötig macht, das Geld jetzt besonders schnell und vor allem auch noch mit der Gießkanne auszuschütten. Viel wichtiger ist es doch, dass man sich in den Rat- und Kreishäusern darauf verlassen kann, dass wir eine funktionierende, pragmatische Kommunalaufsicht haben, die vor allem mit Augenmaß auf das reagiert, was vor Ort gerade passiert. Gerade da, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir alle uns doch froh und glücklich schätzen, dass wir mit zwei ehemaligen Oberbürgermeistern an der Spitze unserer Landesregierung zwei Menschen haben, die die Kommunen gut verstehen und wissen, wie das Leben vor Ort tatsächlich tickt.
Für eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip sind unsere Kommunen in ihrer Struktur, aber auch bei ihren Angeboten in der Daseinsvorsorge viel zu unterschiedlich. Deshalb müssen wir zusammen mit ihnen bzw. mit den kommunalen Spitzenverbänden gucken, wie wir passgenaue Lösungen vor Ort schnüren können. Was für Northeim passt, kann für Cuxhaven viel zu wenig sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso, wie wir es in der Vergangenheit - z. B. während der Zeit der großen Flüchtlingsströme oder auch im Rahmen des Südniedersachsenplans - gemacht haben, werden wir auch jetzt ganz fest an der Seite unserer Kommunen stehen. In den zuständigen Ausschüssen werden wir darüber beraten, wie wir passgenaue Lösungen für jeden Einzelnen erreichen können. Wichtig ist - das möchte ich festhalten -: Keine unserer Kommunen werden wir im Regen stehen lassen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lynack. - Aus dem Plenum liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat nun Ministerin Dr. Carola Reimann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Infektionsgeschehen rund um das Coronavirus ist hinlänglich bekannt. Wir haben es mit einer neuen Erkrankung zu tun, die leicht von Mensch zu Mensch übertragen wird und vor allem im höheren Lebensalter und bei vorerkrankten Menschen schwere Verläufe haben kann. Da das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann - auch von Menschen, die keine oder noch keine Symptome zeigen -, ist die Erkrankung letztendlich nur schwer zu beherrschen. Eine Ausrottung, wie wir sie z. B. weltweit für die Kinderlähmung anstreben, ist zurzeit nicht möglich, weil wir noch keinen Impfstoff zur Verfügung haben.
Bei allem, was wir tun, müssen wir uns daher darüber im Klaren sein: Wir können die Auswirkungen nur abschwächen und Infektionen nicht gänzlich verhindern. Dies gilt leider auch für schwere Verläufe, und dies gilt leider auch für Todesfälle, vor allem im höheren Alter. Diese wollen wir aber so weit wie irgend möglich verhindern. Sehr geehrte Abgeordnete, wir können nicht verhindern, dass sich die Menschen anstecken. Aber wir wollen sicher sein, dass sie behandelt werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Wochen gemeinsam viel erreicht. Der öffentliche Gesundheitsdienst hat von Anfang an durch Kontaktmanagement und Kontaktnachverfolgung maßgeblich zu einer Begrenzung des Infektionsgeschehens beigetragen. Die Gesundheitsämter werden durch das Landesgesundheitsamt fachlich unterstützt. Die Kommunen haben Personal aus allen Bereichen der kommunalen Verwaltung im öffentlichen Gesundheitsdienst zusammengezogen und zur Krisenbewältigung massiv verstärkt. Wir konnten die Ausbreitungsdynamik durch drastische Maßnahmen ver
langsamen. Das Ziel war es, zunächst das Gesundheitswesen gut vorzubereiten. Wir haben das Gesundheitswesen auch im ambulanten und stationären Bereich auf das Infektionsgeschehen ausgerichtet und konzentriert.
Wir haben in Niedersachsen über 1 900 Intensivbetten mit der Möglichkeit zur Beatmung in unseren Krankenhäusern. Ein Teil davon wird immer für die Behandlung von Notfällen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen oder andere unaufschiebbare Behandlungen benötigt. Im März hatten wir die Kliniken aufgefordert, elektive Eingriffe - also aufschiebbare Operationen - zu unterlassen bzw. zu verschieben. Damit steht nun die Hälfte der Intensivkapazität für die Behandlung von CoronaPatientinnen und -Patienten bereit.
Wir unterstützen Alten- und Pflegeheime mit Hilfestellungen und bei der Entwicklung von Schutzkonzepten. Die Entscheidung bezüglich des Aufnahmestopps und des Besuchsverbots sind uns sehr schwergefallen - das will ich hier noch einmal sagen. Hochbetagte sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe. Sie brauchen besonderen Schutz, aber auch Kontakte. Das soll mit der gebotenen Vorsicht in geschützten Räumen wieder möglich sein, wenn die Pflegeeinrichtungen Hygienekonzepte nachweisen können.
Darüber hinaus sorgen wir für Schutzmaterialien und für Personal - vor allem im Gesundheitswesen und in der Pflege. Hier hat das Innenministerium eine entsprechende Logistik aufgebaut. Hier können immer mehr Amtshilfeersuchen erfüllt werden. Die Lage hat sich stabilisiert, ist aber weiter angespannt.
Die Forschungslandschaft in Niedersachsen ist mit dem Schwerpunkt Infektionsforschung ganz intensiv mit der Thematik befasst, sowohl was die Erforschung der Infektion im eigentlichen Sinne angeht, als auch was prophylaktische und therapeutische Optionen betrifft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Maßnahmen waren richtig, notwendig und erfolgreich. Diese Maßnahmen waren richtig, um die Behandlungskapazitäten zu erhöhen. Diese dürfen niemals überschritten werden. Das ist der Maßstab bei den Kontaktbeschränkungen und auch bei den schrittweisen Lockerungen.
Jetzt sprechen wir darüber, wie wir mittel- und langfristig weiter vorgehen. Mit Blick auf eine Lockerung der Maßnahmen ist die entscheidende Frage, wie sich diese auf die Zahl der Neuinfektio
nen auswirkt. Wir befinden uns weiterhin in einer sehr fragilen Situation, in einem Zustand, den wir immer wieder neu bewerten müssen. Wir müssen immer wieder ausloten, was möglich ist und was noch nicht möglich ist. Das ist eine Gratwanderung, und das verlangt uns allen viel ab. Auch die Unsicherheit, die damit verbunden ist, dass wir die Wirkung permanent überprüfen müssen, ist nicht leicht auszuhalten. Aber nur, wenn auch im Privaten alle mitmachen, werden wir gemeinsam weiter Erfolg haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz sind als Erlasse bzw. als Allgemeinverfügungen und Ministerinnenverordnungen ergangen. Diese Rechtsakte geben der Landesregierung ein flexibles Instrument in einem wie hier sehr dynamischen Infektionsgeschehen an die Hand.
Für die weitere Beratung der Anträge will ich seitens der Landesregierung nur einen Hinweis geben: Gerade die Corona-Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, dass die Regierung die Möglichkeit hat, schnell erforderliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wir haben den Landtag zugleich regelmäßig informiert. Im März hat eine Sondersitzung des Landtags zum Corona-Geschehen stattgefunden - das ist auch jetzt im April der Fall. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wurde seit Anfang Februar regelmäßig, fast wöchentlich ausführlich unterrichtet.
Darüber hinaus erfolgen inzwischen tägliche, rasche Informationen des Parlaments über die Rechtsänderungen und die aktuellen Fallzahlen sowie schriftliche Antworten auf Fragen des Sozialausschusses außerhalb der Kleinen schriftlichen Anfragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den einzelnen Punkten will ich im Detail Folgendes anmerken: Wir diskutieren die genannten Themen im Rahmen der weiteren Maßnahmen, aber auch der Eindämmungsstrategie sehr intensiv. Wir beraten diese nicht nur innerhalb der Landesregierung und im Rahmen der täglichen Besprechungen des interministeriellen Krisenstabes. Die vielfältigen Themen sind auch Inhalt von sehr zahlreichen Bund-Länder-Besprechungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Abmilderung der ökonomischen Folgen der CoronaPandemie ist für die Landesregierung auch eine zutiefst soziale Aufgabe. Für Beschäftigte wie für Arbeitgeber tun wir alles, was in unserer Macht steht. Die verschiedenen Förderprogramme zur
Unterstützung unserer Unternehmen tragen dazu bei, dass die niedersächsische Wirtschaft durch die Krise kommen und danach auch wieder zur Normalität zurückkehren kann. Einzelheiten haben wir in der Regierungserklärung heute Morgen gehört.
Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zu den Kommunen machen. Ihre herausragende Bedeutung für die Bewältigung der Pandemie ist in den verschiedenen Wortbeiträgen angesprochen worden. Die Kommunen erwarten durch die Corona-Pandemie teils erhebliche Einbrüche bei den Gewerbesteuern. Gleichzeitig müssen sie mit rückläufigen Einkommen- und Umsatzsteueranteilen, Finanzausgleichsleistungen und Gewinnausschüttungen rechnen. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben im Zuge der Corona-Krise.