Die richterliche Unabhängigkeit sorgt dafür, dass alle Möglichkeiten bestehen, die gerichtlichen Entscheidungen auch durchzusetzen. Einen Anlass, den niedersächsischen Richtern an dieser Stelle eine gesetzgeberische Vorgabe zu machen, sehe ich jedenfalls nicht.
Meine Damen und Herren, während der Ausschussberatung ist die bereits erwähnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bekannt geworden, wonach grundsätzlich auch eine Zwangshaft gegen Politiker möglich ist, um eine gerichtliche Entscheidung durchzusetzen. Das möchte ich gar nicht grundsätzlich kritisieren, sehe aber für Niedersachsen zurzeit keinen Anlass, dafür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Wir als FDP-Fraktion halten es aber für richtig, dass sich der Niedersächsische Landtag in dieser Diskussion geäußert hat. In dieser Diskussion wurde deutlich, dass ein Ignorieren von Gerichtsentscheidungen insbesondere durch Behörden
Im Ergebnis sehen wir jedoch zurzeit keinen Anlass, konkrete gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen.
Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Für die SPDFraktion hat sich der Kollege Sebastian Zinke zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewaltenteilung ist elementarer Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaates. Es ist der Rechtsstaat, der unserem Land in den letzten 70 Jahren Stabilität gegeben hat, und es ist der Rechtsstaat, der den Bürgerinnen und Bürgern in über 70 Jahren Frieden und Wohlstand gebracht hat.
Besorgniserregend ist es aber, wenn Umfragen zeigen, dass ein erschreckend hoher Anteil der Bevölkerung mit unserem demokratischen System hadert. Es gibt beispielsweise die Umfrage im Auftrag des Sinus-Instituts aus dem Jahr 2018, wonach 40 % der Befragten mit der Funktionsweise unserer Demokratie nicht einverstanden sind oder hohe Zweifel daran haben.
Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Vertreter unserer Verfassungsorgane oder Teile davon die Gewaltenteilung, deren Grundsätze und deren Pflichten akzeptieren. Nach Artikel 20 Abs. 3 unseres Grundgesetzes ist auch die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden und hat sie sich daran zu halten. Umso erschreckender ist es, wenn es Vertreter dieser vollziehenden Gewalt gibt, die Entscheidungen der rechtsprechenden Gewalt nicht akzeptieren oder nicht in Gänze umsetzen.
Denn gerade diejenigen, Herr Kollege Limburg, die durch die Regeln dieser Demokratie in ihre Ämter gekommen sind, haben die Pflicht, unsere demokratische Grundordnung zu verteidigen, und haben alles zu unterlassen, was die Menschen an dieser Grundordnung zweifeln lässt.
Insofern ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, wie der Kollege von der FDP-Fraktion gerade gesagt hat, das richtige Signal, hier ein Stoppschild hinzustellen und zu sagen: So kann es nicht gehen, wie es teilweise in Deutschland gegangen ist! Allerdings halten wir die vorgeschlagenen Maßnahmen - sie sind ja gerade aufgezählt worden -, die bis zur Zwangshaft von Behördenvertretern gehen sollen, für ungeeignet. Auch im Ausschuss ist erläutert worden, wie beispielsweise mit einem Bürgermeister bzw. einer Bürgermeisterin oder einer Landrätin bzw. einem Landrat zu verfahren ist, deren bzw. dessen Vertretung - also Gemeinderat, Stadtrat oder Kreistag - eine notwendige Entscheidung nicht treffen will.
Darüber hinaus gibt es in Niedersachsen bisher, wie Herr Limburg gesagt hat, Gott sei Dank keine Fälle, in denen sich Behördenvertreter nicht an gerichtliche Entscheidungen gehalten haben. Das gilt im Übrigen auch für die Landesregierung.
Meine Damen und Herren, Politik und Rechtsprechung stehen immer schon und notwendigerweise in einem gewissen Spannungsverhältnis. Dieses Spannungsverhältnis wird dadurch verstärkt, dass sich politische Diskussionen vermehrt in das schnelllebige Internet verlagern. Politische Diskussionen finden nicht mehr ausschließlich in den Plenarsälen der deutschen Parlamente statt, auch nicht mehr ausschließlich am Abendbrottisch in den Familien, sondern vermehrt in sozialen Netzwerken.
Daher hat auch die dritte Gewalt die Aufgabe - so wie wir das als Vertreter der Legislative oder Vertreter der Exekutive schon machen -, ihren Stellenwert im digitalen Zeitalter zu behaupten. Das bedeutet, dass auch Gerichte, die Justiz insgesamt, sehr viel intensiver und sehr viel deutlicher als heute die modernen Kommunikationswege und Kommunikationskanäle nutzen müssen, um ihre Arbeit, ihre Urteile und ihre Bedeutung für die Demokratie hervorzuheben. Wenn das passiert, meine Damen und Herren, dann - so ist die Hoffnung - werden sich auch bayerische Regierungsvertreter zukünftig wieder an ihren Amtseid erinnern können.
Vielen Dank, Herr Kollege Zinke. - Für die AfDFraktion hat nun Christopher Emden das Wort. Bitte sehr!
Man kann diesen Antrag unter das fassen, was man, glaube ich, bei vielen Anträgen der Grünen sagen kann: Er ist überflüssig, er zeugt von einem, sagen wir, rudimentären Verständnis rechtsstaatlicher Prinzipien. Er zeugt davon, dass die Mechanismen bei den Grünen, wie die Rechtsstaatlichkeit in diesem Lande funktioniert, teilweise noch nicht so richtig angekommen sind. Ich habe dazu bereits in der ersten Lesung ausgeführt und möchte mich daher jetzt kurz fassen.
Ich möchte noch einmal zwei Punkte herausheben. Zum einen haben wir in Niedersachsen diese Probleme nicht. Das wurde schon mehrfach betont. Das ist auch gut so. Es geht ja um die Bundesgesetzgebung. Aber auch da muss man sagen: So einfach, wie die Grünen sich das vorstellen, funktioniert das eben nicht.
Die Ausschussberatung hat nicht dazu geführt, dass der Antrag verbessert wurde, und hat nicht dazu geführt, dass sich die Grünen überlegt hätten, wie man diesen Antrag in irgendeiner Form noch retten könnte. Nein, im Gegenteil, man ist damit quasi gegen die Wand gefahren. Und einem Antrag, der gegen die Wand fährt, verweigern wir selbstverständlich unsere Unterstützung. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Vielen Dank, Herr Kollege Emden. - Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Havliza das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verfassungsmäßige Aufgabe der Justiz ist die Anwendung und Durchsetzung des vom Gesetzgeber geschaffenen Rechts. Die Justiz kontrolliert die anderen Staatsgewalten im Sinne dieser Gewaltenteilung.
In einem funktionierenden Rechtsstaat kann es keinerlei Zweifel daran geben, dass auch die Exekutive gerichtliche Entscheidungen ausnahmslos umzusetzen hat. In einigen wenigen aufsehenerregenden Einzelfällen ist dies in der Vergangenheit leider unterblieben. Beispielhaft erwähne ich den in der Antragsbegründung erwähnten Fall von Sami A., den nordrhein-westfälische Behörden im Juli 2018 nach Tunesien abgeschoben haben, obwohl ein Gericht dies untersagt hatte. Aus der Praxis niedersächsischer Behörden sind derartige Fälle zum Glück nicht bekannt.
Der vorliegende Antrag wirft gleichwohl die Frage auf, ob die Justiz gegenüber der Exekutive über ausreichende Zwangsmittel verfügt. Man muss sagen, bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass die Verwaltungsgerichtsordnung nur ganz wenige Regelungen zur Vollstreckung enthält. Denn der Gesetzgeber des Jahres 1960 ging wie selbstverständlich davon aus, dass Behörden natürlich ihren Handlungspflichten aus einer gerichtlichen Entscheidung immer nachkommen werden. Sollte dies dann einmal nicht der Fall sein, kann das Gericht jeweils ein Zwangsgeld bis zu 10 000 Euro gegen den jeweiligen Rechtsträger festsetzen und vollstrecken. Dieser Betrag ist wohl vorwiegend symbolischer Natur; das muss man so sagen.
Die Möglichkeit, Zwangshaft anzuordnen, besteht nach der geltenden Verwaltungsgerichtsordnung indes nicht. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Vollstreckung gegenüber Privatpersonen nach der Zivilprozessordnung. An dieser Stelle sieht der vorliegende Antrag Reformbedarf. Das ist das, was darin auch ausgeführt ist. Er schlägt zum einen vor, Gerichten die Befugnis einzuräumen, gegen Behördenleiter Zwangshaft anzuordnen. Zum anderen sollen Zwangsgelder nicht mehr an die Landeskasse, sondern zukünftig an gemeinnützige Einrichtungen fließen.
Auch wenn ich - das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich - die Auffassung des Abgeordneten Emden, der Antrag sei „vor die Wand gefahren“, nicht teile, halte ich allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Diskussion um die Schaffung einer derartigen Rechtsgrundlage für verfrüht. Zunächst bleibt abzuwarten, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Dezember 2019 umsetzen wird.
Das letztgenannte Urteil betrifft die Vorlagefrage, ob Verwaltungsgerichte bei der Durchsetzung europarechtlich verbriefter Ansprüche verpflichtet sein können, die Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden und Zwangshaft gegen Behördenleiter anzuordnen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist dies nur denkbar, wenn die nationale Rechtsgrundlage sowohl hinreichend bestimmt als auch in ihrer Anwendung vorhersehbar ist.
Ob die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangshaft diese Voraussetzungen erfüllen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nunmehr in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Das tut er derzeit.
Unabhängig davon, wie diese Prüfung ausfallen wird, bestehen allerdings meines Erachtens gegenüber dem vorliegenden Antrag in dieser Form Bedenken. Das gilt zum einen für den Vorschlag, beigetriebene Zwangsgelder gemeinnützigen Organisationen zukommen lassen zu müssen. Eine derartige Ausgestaltung würde dem Staatshaushalt nämlich in ganz teuren Fällen zwangsläufig Gelder entziehen, welche sodann bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben fehlen würden.
Skeptisch stehe ich auch dem Vorschlag gegenüber, Amtsleiter persönlich in Zwangshaft zu nehmen. In einem Rechtsstaat ließe sich hierdurch keine Maßnahme letztverbindlich erzwingen; denn die jeweiligen Stellvertreter dieser Amtsleiter könnten die Amtsgeschäfte nahtlos, wie gehabt, weiterführen. Das könnte also zu einer Kette führen, wenn man so will.
Meine Damen und Herren, richtigerweise sollten wir das Augenmerk auf Instrumente außerhalb der Justiz lenken. Die öffentliche Kontrolle der Exekutive ist in einer freiheitlichen Demokratie wirksamer als jeder Gerichtsvollzieher. Darum ist dieser Antrag auch ein gutes Signal. Gewährleistet wird diese Kontrolle zum einen und vor allem durch die parlamentarische Kontrolle der Regierung und zum anderen durch die Berichterstattung der freien Presse. Auch im eingangs erwähnten Fall von Sami A. war es die öffentliche Reaktion in den Medien, welche den zuständigen Landesminister schließlich zum Einlenken bewogen hat.
Ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, dass auch die Exekutive gerichtliche Entscheidungen in jedem Fall zu befolgen hat, ist nach meiner Überzeugung ein sicherer Garant für den Fortbestand des gewaltengeteilten Rechtsstaats. Dafür sehe ich im Land Niedersachsen Gott sei Dank die bes
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/2028 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, der Beschlussempfehlung ist mit großer Mehrheit des Hauses gefolgt worden.
Weitere Tagesordnungspunkte liegen heute nicht vor. Ich beende die heutige Sitzung und wünsche Ihnen einen angenehmen Feierabend.