Protocol of the Session on February 25, 2020

Herr Ministerpräsident Weil, wir empfehlen Ihnen als Chef einer Landesregierung, jetzt ein Machtwort zu sprechen und endlich handlungsfähig zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Kollege Jörn Domeier gemeldet. Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Willy Brandt hat einmal gesagt: Wenn man mit der Faust auf den Tisch haut, beeindruckt das nicht einmal den Tisch! - Gegen- ruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Dass du mal Willy Brandt zitierst!)

Bei einem Zitat von Willy Brandt wollte ich nicht stören.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich bei mir im Landkreis Helmstedt, also nah an der A 2 und der A 39, den Bürgerinnen und Bürgern sagen würde, sie dürften auf der Autobahn 130 km/h fahren, dann würden sie mich ganz direkt fragen, wann das bitte möglich sein soll.

(Jörg Bode [FDP]: Zum Beispiel abends! Ich bin da nachts schon schneller als 130 km/h gefahren!)

Auf vielen Strecken ist diese Geschwindigkeit schon lange nicht mehr die Realität der Autofahrerinnen und Autofahrer. Das Verkehrsaufkommen, die Behinderungen im allgemeinen Straßenverkehr und viele andere Gründe lassen ein schnelleres Fahren auf den Autobahnen in unserem Land kaum zu. Kein Wunder also, dass hier Klarheit gewünscht ist und dass das Tempo bei uns an der A 2 zu Testzwecken auf 130 km/h begrenzt wurde.

Es wäre gut, wenn wir unsere Worte abwägen und wenn der eine oder andere seine Worte behutsamer wählen würde. Denn auch in Niedersachsen ist das Autofahren keine Religion und ist Geschwindigkeit - egal in welche Richtung - kein Dogma. Nicht jeder, der sich gegen ein Tempolimit ausspricht, ist daher ein Klimasünder.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Erst ein- mal schon!)

Wir wissen, dass ein Tempolimit einen Beitrag zur Einsparung von Emissionen leistet. Wir wissen aber nicht, wie hoch dieser Beitrag ganz genau ist. Die Daten, auf die sich die uns vorliegenden Studien beziehen, sind alt. Damals gab es noch die Euro-2-Norm. Seitdem sind unsere Autos glücklicherweise wesentlich sauberer geworden.

Wir wissen, dass bei einem Unfall das Tempo ausschlaggebend für die Unfallfolgen ist. Die Debatte für und gegen ein Tempolimit wird aber zunehmend auch emotional geführt. Wir sind uns einig, dass jedes Verkehrsopfer eines zu viel ist und dass jede Person, die durch einen Unfall zu Schaden kommt, völlig zu Recht zu bedauern ist.

Aber nicht jeder, der eine differenzierte Meinung zu einem Tempolimit hat, ist jemand, der in einer aufgeheizten Debatte nicht an die anderen denkt. Auch die SPD-Fraktion ist in ihrer Meinung dazu heterogen. Daher versuche ich es mit Fakten.

Sie haben recht, Herr Schulz-Hendel: Deutschlands Straßen sind im internationalen Vergleich sicher. Deutschlands Autobahnen gelten nicht nur als die sichersten, sie sind es auch. Unser Nachbar Polen hat 4,8 Opfer je 1 Milliarde Fahrzeugkilometer auf den Autobahnen zu beklagen. Norwegen mit seiner Höchstgrenze von 90 bis 100 km/h - wohlgemerkt: auf Autobahnen! - hat 1,9 Opfer zu bedauern. Das sind genauso viele wie in Deutschland, wo es kein generelles Tempolimit gibt.

Ganz anders ist es auf unseren Landstraßen. Hier gibt es traurige 6,3 Opfer je 1 Milliarde Fahrzeugkilometer. Wir wissen alle: Auf den Landstraßen liegt

das Tempolimit bei 100 km/h. Dazu steht in Ihrem Antrag aber kein Wort.

Zurück zu den Autobahnen und dem allgemeinen Tempolimit. Es ist wichtig, dass wir weiter in die Sicherheit investieren. Mit dem Verkehrsleitsystem haben wir ein gutes Instrument geschaffen, das auszubauen ist. Denn generell 130 km/h kann vielfach eine zu hohe Geschwindigkeit sein: an Orten, an denen 100 km/h oder durch bestimmte Umstände sogar nur 60 km/h angebracht sind.

Was ich ausdrücken möchte: Die Debatte polarisiert. Es herrscht keine Einigkeit darüber, welcher Weg der richtige ist.

(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Bei der Mehrheit der Deutschen schon!)

Ich kann alle Stimmen nachvollziehen, die in der einen oder anderen Diskussion und auch in die eine oder andere Richtung meinen, dass nach Jahren des Gesprächs nun endlich einmal Schluss mit der Debatte sein sollte, besonders weil es andere Gremien ja bereits entschieden haben. Daher möchte ich an die Adresse der Grünen sagen: Dort, wo Sie regieren, können Sie solche Anträge ja auch einbringen, und zwar direkt in den Bundesrat.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie tun das aber nicht, sondern Sie wollen einen Streit in der Koalition auslösen. Diesen Gefallen werden wir Ihnen hier in Niedersachsen nicht tun. Auch wenn es bei uns sicherlich unterschiedliche Meinungen zum Thema gibt: Die Parteibeschlüsse in der SPD für ein Tempolimit sind klar. Niedersachsen hat im Bundestag abgestimmt.

(Zurufe von Sebastian Zinke [SPD] und Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE] - Unruhe)

Herr Kollege, einen Augenblick! - Herr Kollege Zinke, Herr Kollege Schulz-Hendel, wenn Sie doch dem Kollegen Domeier zuhören würden! Der hat hier nämlich das Wort, und an ein paar Regeln wollen wir uns schon halten. Der Feierabend ist auch nicht mehr weit.

Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Vielen Dank.

Niedersachsen hat im Bundesrat abgestimmt und sich in dieser Frage enthalten, genauso wie Baden-Württemberg mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

(Johanne Modder [SPD]: Echt? - Wiard Siebels [SPD]: Das darf doch nicht wahr sein! - Anja Piel [GRÜNE]: Den haben wir nicht so richtig im Griff!)

Wir lassen hier keinen Streit zu. Wir widmen uns in diesem Plenum auch weiter den Fragen, die wir direkt entscheiden und beeinflussen können. Das ist für mich konkrete Politik, das ist für mich typisch Niedersachsen. Ihren Antrag mit dem Ziel Tempo 120 lehnen wir ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und von Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Vielen Dank, Herr Kollege Domeier. - Für die CDUFraktion hat der Kollege Karl-Heinz Bley das Wort. Bitte, Herr Kollege!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen mehr Verkehrssicherheit und Klimaschutz hat keiner etwas. Aber ob das Ja zum Tempolimit auf Autobahnen, wie es die Grünen fordern, die Lösung ist, möchte ich bezweifeln.

Im Antrag der Grünen heißt es:

„Die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen auch in Deutschland ist überfällig. Hohes Tempo führt hierzulande zu Unfällen, es verletzt und tötet Menschen und es verursacht erhöhte klimaschädliche CO2-Emissionen.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn die Aussagen der Grünen zutreffen würden und eine Geschwindigkeitsbegrenzung die Lösung wäre, könnte man dem Antrag zustimmen.

(Detlev Schulz-Hendel [GRÜNE]: Na, dann los!)

Das Pro und Contra zum Tempolimit zeigt uns aber ein anderes Bild. Im Ausschuss haben wir uns intensiv mit der Forderung, eine Bundesratsinitiative zu starten, die eine bundesweite Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 120 km/h zum Ziel hat, beschäftigt. Das Ergebnis lautet: Die vorhandene Datenlage reicht nicht aus, um die Wirksamkeit eines allgemeinen Tempolimits abschließend zu beurteilen. Deswegen haben auch alle Fraktionen, außer der der Grünen, den Antrag abgelehnt.

Ein Modellprojekt könnte sinnvoll sein, heißt es, darf allerdings nur vom Bund initiiert werden. An dieser Stelle darf ich schon einmal daran erinnern, dass der Bundesrat vor ca. zehn Tagen einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung mehrheitlich nicht zugestimmt hat, wie ich finde, aus gutem Grund.

Meine Damen und Herren, wir haben Autobahnen und Straßen gebaut, um schnell und sicher von A nach B zu kommen. Unsere Industrie - die Autohersteller - hat Autos gebaut, um die Mobilität auch mit angemessener Geschwindigkeit sicherzustellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Studien zufolge ist die Unfallhäufigkeit auf Landstraßen wesentlich höher als auf Autobahnen. Das hat Herr Domeier eben auch begründet. Auf Autobahnen ist oft das Auffahren von Lkw an den Stauenden die Unfallursache, obwohl ein Tempolimit von 80 km/h gilt.

Das zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Unfallhäufigkeit nicht eindeutig zu beweisen ist. Im Gegenteil! Für Stauforscher wie Professor Dr. Michael Schreckenberg von der Uni Duisburg-Essen kann ein Tempolimit sogar gefährlich sein. Seinen Untersuchungen zufolge entstehen bei eintöniger Fahrweise Konzentrationsverlust, Ablenkung und Aggressionen, die das Unfallrisiko erhöhen. Einige greifen aus Langeweile auch zum Handy und fangen an zu tippen.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Argument gegen ein generelles Tempolimit: Bereits heute ist laut ADAC der Verkehr auf deutschen Straßen durch Baustellen und Staus so eingeschränkt, dass auf 70 % der deutschen Autobahnen ohne Tempolimit kaum mit Geschwindigkeiten über der Richtgeschwindigkeit gefahren werden kann. Die ZEIT hat Auswertungen von Daten des Navigationsgeräteherstellers TomTom veröffentlicht. Danach liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit aller Pkw - sogar auf freien Strecken ohne Tempolimit - auf deutschen Autobahnen bei 122 km/h.

Herr Kollege Bley, entschuldigen Sie bitte! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen SchulzHendel?

Darauf habe ich die ganze Zeit schon gewartet!

Ja, dann ist es jetzt so weit! Bitte, Herr Kollege!

(Wiard Siebels [SPD]: Er wollte noch etwas zu Baden-Württemberg fragen!)

Herr Kollege Bley, herzlichen Dank. Ich freue mich auch, dass Sie schon auf meine Frage gewartet haben. Können Sie mir sagen, auf welchem Anteil der Autobahnen in Niedersachsen bereits heute eine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, Herr Kollege!