Protocol of the Session on January 30, 2020

Aber, meine Damen und Herren, ich will noch einmal in die Historie gehen - ich bin ja nun schon ein bisschen länger unter diesem Himmelszelt -: Es sei daran erinnert, dass es der bayerische Landesvater, Franz Josef Strauß, war, der die Kernenergienutzung haben wollte und auch politisch durchgesetzt hat, und zwar gegen den heftigen Widerstand der damaligen Energiekonzerne, die viele große Probleme und Risiken auf sich zukommen sahen - nicht nur im finanziellen Bereich.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber jetzt will Bayern nichts mehr davon wis- sen!)

Eine Meldung im letzten Herbst lässt vermuten, dass es ihm nicht nur um die Stromerzeugung ging, sondern auch um andere Dinge. Da Kernkraftwerke nur mit nicht mehr wirtschaftlichen Poli

cen zu versichern gewesen wären, hat Landesvater Strauß den Staat als Haftenden ins Spiel gebracht und die Beseitigung bzw. die sichere Lagerung der hoch radioaktiven Reststoffe in die Zukunft verschoben bzw. nach Niedersachsen weitergeleitet.

Damals gab es, wie Sie alle wissen werden, noch die Zonengrenze, und der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht suchte nach Möglichkeiten, um die Zonenrandgebiete zu entwickeln. Hier lebten wenige Menschen, und so war Gorleben zur Überraschung der Wissenschaft - das war nicht mit der Wissenschaft abgestimmt - schnell als mögliches Endlager gefunden, lockte die Erkundung doch mit Arbeitsplätzen und Wohlstand.

Es gab großen und auch gewalttätigen Widerstand, wie Sie alle noch wissen. Die anderen Standorte, die Salzstöcke hatten, hatten ein schlagkräftiges Gegenargument, nämlich: keine Randlage. Auch Bad Zwischenahn - man muss sich das einmal vorstellen - in meinem Bereich war mit im Gespräch, und viele andere Orte waren es auch.

Nicht zuletzt gab es viel Widerstand gegen die Kernkraftwerke überhaupt, und es soll zu der Zeit ja sogar eine Partei aus der Wiege gehoben bzw. gegründet worden sein.

Wie problematisch Salzstöcke sein können, zeigt uns die Asse.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig!)

Wobei festgehalten werden muss: Die Asse wurde nicht als Endlager konzipiert, sondern das ist die Nachnutzung eines alten Salzbergwerks. Nun wird eine Rückholung aller dort liegenden Fässer versucht. Wir wollen hoffen, dass es uns gelingt.

Mit Schacht Konrad hat Niedersachsen noch ein Endlager für schwach bis mittelgradig strahlenden atomaren Abfall.

Wie emotionsgeladen die Standortsuche ist, zeigte uns in der Vergangenheit Gorleben.

Kommen wir nun zu einigen Zahlen: 5 062 TWh wurden von den 36 Kernkraftwerken ins Netz eingespeist. 1 483 TWh davon stammten aus Bayern, 1 121 TWh aus unserem Niedersachsen,

1 104 TWh aus Baden-Württemberg, und aus vielen anderen Bundesländern stammte weniger.

Vor diesem Hintergrund muss ich sagen, dass es geradezu abenteuerlich ist, dass die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Landtag sich

per Beschluss aus der Endlagersuche verabschieden und sich nicht daran beteiligen wollen. Der Antrag, den Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition hier stellen, ist daher sehr wichtig; denn es kann nicht sein, dass Niedersachsen zuletzt übrig bleibt, weil es nur hier eine gute Datengrundlage gibt und die anderen Bundesländer keine Daten erhoben haben. Hier haben wir die Forderung: Da muss stark nachgearbeitet werden! Ich freue mich auf die weitere Beratung.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kortlang. - Nun hat für die SPD-Fraktion der Kollege Marcus Bosse das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir - die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen, die Vertreter des Umweltministeriums, des Landesbergamtes und der Minister - haben uns bereits verschiedene Formationen angesehen, so im letzten Jahr in Finnland kristallines Gestein und vor zwei Wochen erst in Frankreich Tongestein. Salz haben wir selbst, aber - Kollege Kortlang ist darauf eingegangen - dieser Selbstversuch in Niedersachsen scheint fehlgeschlagen zu sein. Das heißt, Niedersachsen hat alle Gesteinsformationen, die denn angeboten werden können.

Wir haben bei unserem Besuch auch festgestellt, dass die Länder allesamt früh zu forschen begonnen haben. Und alle Länder nehmen sich Zeit, viel Zeit, und zwar die Zeit, die es braucht, zu forschen. Allen ist klar: Es ist eine nationale Aufgabe. Die Aufgabe muss jedes Land selber tragen.

Frankreich geht von einer Dauer von 100 000 Jahren aus, bei uns in Deutschland sind es eine Million Jahre, und in Finnland war es eine halbe Million Jahre. Darum ist es auch richtig, an der Stelle keinen Schnellschuss zu machen. Wir reden über immerhin 1 900 Castoren, über mehrere

100 000 m3 mittel- und schwach radioaktiven Müll, der letzten Endes für eine Million Jahre sicher gelagert werden muss.

Der Fahrplan der Endlagerkommission sieht vor, dass genau im Jahre 2020 Teilgebiete benannt werden sollen. Nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete werden repräsentative

vorläufige Sicherheitsuntersuchungen für die infrage kommenden Teilgebiete erarbeitet. Auf Basis dieser Ergebnisse und von Ergebnissen einer erneuten Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien sowie der erstmaligen Anwendung von planungswissenschaftlichen Abwä

gungskriterien unterbreitet die BGE dann entsprechende Vorschläge, welche Standortregionen

übertägig erkundet werden.

Da müssten uns als Niedersachsen die Ohren klingen; denn zum Jahre 2031 - aber das ist mittlerweile schon größte Spekulation - soll ein Standort gefunden werden, und im Jahre 2050 soll das Endlager stehen. Da sage ich Ihnen aber auch: Daran glaube ich nicht mehr. Ich rechne schon mit einer Verzögerung von mindestens zehn Jahren.

Niemand - das muss auch klar sein - möchte diesen Standort vor seiner Haustür haben; auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Die Frage nach der Nutzung der Kernenergie hat Deutschland 40 Jahre lang gespalten. Nun geht es darum: Wohin damit? - Es sind Beteiligungsmöglichkeiten gefunden worden. Aber: Einige Länder scheinen sich nicht daran beteiligen zu wollen; einige Länder ducken sich weg. Ich sage ganz deutlich: Es kann nicht angehen, dass Bayern und Sachsen versuchen, sich der Verantwortung zu entledigen und politisch dementsprechend für sich feststellen: Bayern und Sachsen sind nicht geeignet. Das heißt, sie wollen aus diesem Verfahren aussteigen. Da sagen wir als Niedersachsen: Das können und dürfen wir an der Stelle nicht zulassen.

Wir haben dank des Geologiedatengesetzes in Niedersachsen und NRW eine wirklich sehr gute Datengrundlage, und zwar eine bessere als viele andere Bundesländer. Wir wollen einen Standortvergleich haben, aber auf der gleichen Datengrundlage. Wir wollen uns auch nicht vor der Verantwortung wegducken - wie Bayern und Sachsen. Wir wollen einen wirklich fairen Standortvergleich. Der gewählte Standort muss nachweislich - unbedingt nachweislich - der beste sein. Die Auswahl muss auf der gleichen, gemeinsamen Datengrundlage aller Bundesländer stattfinden. Das ist unser Ziel; das ist das Ziel des Antrags.

Ich höre durchaus schon in der Runde, dass es für diesen Antrag eine breite Zustimmung gibt. Für eine breite Zustimmung wären wir wirklich sehr dankbar; denn bei einer solch existenziellen Frage - auch wenn sie in die Zukunft gerichtet ist -

sollte der Niedersächsische Landtag mit großer Mehrheit einen Beschluss fassen.

Über den Standort, egal, wo er dann ist, muss sachlich und fachlich - auf der entsprechenden Datengrundlage - entschieden werden und nicht politisch. Alle Daten und alle Bundesländer müssen an dieser Stelle gleichbehandelt werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich jetzt schon auf die Beratung im Ausschuss. Ich hoffe, dass wir zu einer breiten Mehrheit kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Bosse. - Für die CDUFraktion hat nun der Kollege Martin Bäumer das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag beschäftigt sich mit dem sogenannten Geologiedatengesetz. Dazu ist heute Abend schon einiges erklärt worden.

Es geht darum, dass wir in Deutschland einen Endlagerstandort finden wollen. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass das nicht so einfach ist.

Deswegen hat man sich auf eine Stunde null verständigt, darauf, mit einer weißen Landkarte von ganz Deutschland anzufangen und dann zu gucken, wo ein Endlager möglich ist. Die Symbolik ist ähnlich wie bei Justitia, deren Augen verbunden sind, damit sie ohne Ansehen der Person juristisch entscheiden kann. Genauso wollen wir ohne Vorfestlegungen entscheiden, wo der bestmögliche Standort für die Lagerung radioaktiver Abfälle ist.

Wenn man von einer weißen Karte zu einem Standort kommen will, müssen alle Daten, Zahlen und Fakten zum Thema Geologie auf den Tisch. Leider spielen an diesem Tisch - das haben die Kollegen, die vor mir gesprochen haben, schon erklärt - nicht alle mit offenen Karten. Es gibt auch Mitspieler mit gezinkten Karten. Das können wir nicht akzeptieren.

Niedersachsen hat aufgrund seiner Vergangenheit einen erheblichen Vorteil: Hier in Niedersachsen ist fast jeder Quadratmeter geologisch untersucht. Das hat viel damit zu tun, dass wir in Niedersachsen sehr viele Erdöl- und Erdgasvorkommen ha

ben und dass man sich sehr genau angeschaut hat, wo es weitere Vorkommen geben könnte. Insofern ist Niedersachsen sehr gut untersucht. Andere Bundesländer sind das eben nicht.

Wir müssen aufpassen, dass unser Vorteil - aufgrund der Tatsache, dass es hier fossile Rohstoffe gibt - nicht zu einem Nachteil bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle wird. Denn es besteht die große Gefahr - darauf hat Frau Kollegin Staudte schon hingewiesen -, dass man irgendwann aufgrund von Zeitknappheit und zur Beschleunigung der Entscheidung sagt: Das Endlager kommt in ein Gebiet, zu dem es Daten gibt. Zu Niedersachsen gibt es Daten, zu anderen Ländern nicht. Deswegen kommt das Endlager nach Niedersachsen. - Das können wir nicht akzeptieren.

Die Bergleute kennen den Spruch: Vor der Hacke ist es duster. - Um dieses Bild zu verwenden: Hier in Niedersachsen ist gewissermaßen ein Flutlichtpark - hier kann man alles sehen -; anderswo ist es in der Tat duster. Trotzdem muss der Endlagersuchprozess, wenn er Akzeptanz bei den Menschen in Niedersachsen finden soll, auf Augenhöhe stattfinden. Auch zu anderen Bundesländern müssen alle möglichen Daten vorhanden sein, damit objektiv - anhand von Fakten, wie mein Kollege Bosse vorhin gesagt hat - entschieden werden kann, welcher Standort der bestmögliche ist.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen alle Daten, die es zum Thema Geologie gibt, veröffentlicht werden. Deswegen muss eine Informationspflicht ins Gesetz. Deswegen muss dafür gesorgt werden, dass Datenlücken, die es natürlich gibt - in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen ist deutlich weniger nach Erdöl und Erdgas gesucht worden; deswegen gibt es zu diesen Ländern deutlich weniger Daten -, für den vor uns liegenden Prozess geschlossen werden. Nur dann wird man bei uns auf Akzeptanz stoßen - davon gehe ich aus -, falls man auf die Idee kommen sollte, wieder bei uns in Niedersachsen nach einem Standort zu suchen. Anders kann das nicht funktionieren.

Sachsen und Bayern spielen mit gezinkten Karten. Das ist Falschspielerei. So macht man das nicht. Es geht nicht, dass Länder sich aus der politischen Verantwortung stehlen, die - wie der Kollege Kortlang gesagt hat - in der Vergangenheit von vielen Kernkraftwerken und dem vielen Strom aus diesen Kernkraftwerken - der dafür gesorgt hat, dass die Wirtschaft da geboomt hat - profitiert haben. Es

geht nicht, dass solche Länder jetzt, wenn es darum geht, den Müll zu entsorgen, sagen: Nicht bei uns! - Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir nicht akzeptieren. Wir alle sind da Anwälte der Menschen in Niedersachsen. Wir werden dafür sorgen, dass das nicht geschieht.

Wenn ich zu Hause meine Kinder frage: „Wer bringt den Müll raus?“, und alle der Reihe nach sagen: „Ich mache das nicht“, dann akzeptiere ich das nicht. Genauso wenig können wir akzeptieren, dass hier einer sagt: Bei mir wird kein Müll endgelagert.

Ich bin froh, dass es - wie mein Kollege Bosse vorhin gesagt hat - in diesem Parlament anscheinend eine große Mehrheit dafür gibt, dass wir diesen Antrag auf den Weg bringen.