Protocol of the Session on January 29, 2020

And then in 1944, when it was clear that the Third Reich is losing the war, on 19th of March 1944, when the Russians advanced fast in the northern east, and everybody was expecting that the British and the Americans should start the invasion from England, and the English were already in northern Italy, it was clear how the war will end.

And then, still able to execute the policy of cleaning and clearing Europe from Jews, Eichmann with his units and very little other military entered Hungary and started the deportation of the Jews of Hungary. You probably know that within two and a half months more than 400 000 of them were killed in Auschwitz. Anyhow, my parents started to try to save the children, and my sisters were given to non-Jewish friends that should hide them. I was taken to a monastery. Those were my worst memories I ever had and still have. Not because they treated me bad - not at all. But I feared all the time I was there that they would detect that I am Jewish, and I would be killed. I was eight years old. It was

an awful feeling. I did not know how to behave there, and feared all the time that I will be detected. Then the bombs from the allies started to fall all over Europe, and my mother illogically feared that I might die there from a bomb. It was better to die together, and she persuaded my father to take me out of the monastery.

Then we were taken to Bergen-Belsen: six months hunger, standing in the cold, the “Appelle”, and being counted for hours because the guards were never accused of having proper arithmetic skills, and they miscounted us or did not add up the numbers from one group to the other properly - the numbers from one group to the other. The total number plus the number of the ill and the dead had always to come up to a certain number. By adding up the different numbers, the sums did not match with the numbers that were expected. So they recounted us, recounted us while we stood there in the cold, in the wind, in the rain for hours. And hunger, and hunger, and hunger!

Finally the war ended for me at the end of December 1944.

In the exhibition you might see here - the exhibition started on 5th September 2019 at the Gedenkstätte Bergen-Belsen -, there is one photograph of my maternal grandfather from 1915 showing him in a uniform as an officer of the K. u. K., the AustroHungarian monarchy, with a sword hanging from his belt, together with his wife and their five daughters. Seven persons! Four persons - the two grandparents and two of their daughters - perished in the Holocaust. The grandparents that were saved in the Razzia of Novi Sad (Ujvidek) were sent in 1944 to Auschwitz. Four out of the seven in the photograph - 57%! This is quite a huge number. My mother submitted in 1949 or 1950 to Yad Vashem, the Holocaust memorial institute in Jerusalem, 28 names of members of the direct family that perished in the Holocaust.

I do not know whether you ever had the feeling what it means to have almost no relatives. Very few relatives remained. In regard to the maternal grandparents a cousin of my mother was with me and my family in the same laundry room in Belgrade that was bombed, and she escaped with us from Belgrade to Hungary. Later on she was also deported to Auschwitz. Her husband reached later on somehow Mauthausen or Dachau, and died there. In Auschwitz she - she was healthy and relatively young - was spared to work. She sorted the belongings of those who were sent to the gas

chambers. She found the suitcase of my grandfather. So we know exactly on what date he arrived together with his wife, and some other of the children who were saved from the Razzia in 1942.

This is the fate of many Jews that survived. I cannot tell the very awful stories because those belong to the victims.

I do not want to tell you more and more about those awful stories. But be known that every survivor has so many different stories! You should know: To survive the Holocaust, you did not need a single lucky event. In order to survive the Holocaust, a person needed a series of lucky events, sometimes a series of many, many, many lucky events in order to survive. Fortunately for me and my parents we had indeed such a long string of lucky events.

Thank you very much for listening to me. Thank you.

(Starker, lang anhaltender Beifall - Die Anwesenden erheben sich)

Vielen Dank, Herr Professor Ladany, für Ihre bewegenden Worte.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, mehr über das Leben unseres Gastes erfahren möchten, können Sie dies in der auch von Herrn Professor Ladany bereits erwähnten Ausstellung „Lebensläufe. Verfolgung und Überleben im Spiegel der Sammlung von Shaul Ladany“ tun. Sie ist in der Portikushalle bis zum 6. Februar zu sehen. Der Gedenkstätte Bergen-Belsen und Ihnen, Herr Dr. Wagner, danke ich sehr herzlich dafür, dass Sie es ermöglicht haben, diese Ausstellung bei uns im Landtag zu zeigen. Vielen Dank.

(Beifall)

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen der Präsidentin

Meine Damen und Herren, ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung. Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten

fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.05 Uhr enden.

Ich erinnere noch einmal daran, dass heute Fotoaufnahmen für das aktualisierte Handbuch gemacht werden. Die Aufnahmen werden in Raum HG 009 angefertigt.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler der Lisa-Tetzner-Oberschule aus Barsinghausen mit einer Online-Redaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat die Abgeordnete Claudia Schüßler übernommen. Vielen Dank, Frau Kollegin.

(Beifall)

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte sehr!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Herr Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann ab 17.30 Uhr, Herr Finanzminister Reinhold Hilbers ab 17 Uhr, die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, Frau Birgit Honé; von der Fraktion der SPD Herr Dirk Adomat ab 17 Uhr, Herr Karl Heinz Hausmann ab 15 Uhr und Frau Annette Schütze; von der Fraktion der CDU Herr Christian Calderone ab 12.30 Uhr, Frau Laura Hopmann sowie Frau Petra Joumaah ab 17 Uhr.

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass Frau Sozialministerin Dr. Reimann heute zu Beginn der Nachmittagssitzung über die aktuellen Entwicklungen bezüglich des Corona-Virus unterrichten wird.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde

Wie Sie aus der Tagesordnung ersehen können, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde so aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD sowie

morgen die Anträge der anderen drei Fraktionen behandelt werden sollen.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

a) „Es ist dasselbe Böse“ - Wehrhafte Demokratie verteidigen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5667

Ich erteile der Fraktionsvorsitzenden, Frau Piel, das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen: nie wieder Antisemitismus, nie wieder Menschenfeindlichkeit, nie wieder Ausgrenzung, nie wieder Hass und Gewalt gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, nie wieder Faschismus. So verstehen wir uns in den demokratischen Fraktionen hier im besten Sinne als Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Lieber Herr Professor Ladany, haben Sie vielen Dank dafür, dass Sie Ihre schmerzhaftesten Erinnerungen heute und auch gestern schon mit uns geteilt haben. Auch wenn sie uns im Einzelnen unfassbar bleiben werden, so ist uns doch klar: Die Schoah mit der systematischen und industriellen Vernichtung vieler Millionen Menschenleben ist ohne Zweifel beispiellos in der Geschichte der Menschheit. Es ist ein Verbrechen, das für mich, das für uns alle hier seinen Schrecken über das Ausmaß menschlicher Grausamkeit auch über die Jahrzehnte hinweg nicht verliert - aus der Perspektive eines verlassenen, kleinen Jungen von Ihnen noch einmal in die Gegenwart geholt.

Doch Revisionismus und die Abwehr von Schuld und struktureller Antisemitismus sind leider noch immer Bestandteil dieser Gesellschaft. Warnungen von Betroffenen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber auch von Politikerinnen und Politikern wurden jahrelang in den Wind geschlagen. Antisemitismus, hieß es, sei ein Problem der Vergangenheit.

Neuerdings sind wir klüger, und spätestens seit dem Attentat in Halle ist offenbar: Ja, wir haben ein massives Problem mit Antisemitismus und mit

Rassismus in Deutschland. Wir haben ein massives Problem mit einem Rassismus, der nicht bei Parolen und Hetze haltmacht. Und wir müssen endlich unsere Verantwortung wahrnehmen und alles in unserer Macht Stehende tun, um von Diskriminierung betroffene und bedrohte Menschen besser zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Weil es dieser Tage in Berlin eine aktuelle Debatte dazu gibt, sollten wir vielleicht auch noch einmal bundesweit darüber nachdenken, den 8. Mai zum Feiertag zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn eine Überlebende sagt, dass das seit Jahrzehnten überfällig ist, dann sollten wir uns unter den Eindrücken dieser Tage noch einmal Gedanken darüber machen.

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? - Ich will keine Gesellschaft, in der Nachbarn und in der Freunde von uns wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. So eine Gesellschaft ist nicht nur instabil; sie ist für manche von uns lebensgefährlich; denn auch heute, über 70 Jahre nach dem Holocaust, werden Menschen wieder aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht. Das findet auch in Parlamenten - übrigens auch in diesem Parlament - statt. Dem müssen wir uns als Demokratinnen und Demokraten entschlossen entgegenstellen.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die vom Grundsatz der Gleichwertigkeit ausgeht, in der Menschen respektvoll miteinander umgehen, sich gegenseitig helfen und gemeinschaftlich nach Lösungen suchen. Wir streiten für eine Gesellschaft, in der ein Miteinander stattfinden kann und die sicher ist - für jede und für jeden von uns.

Es mangelt nicht an den geeigneten Instrumenten. Unsere Polizei und Justiz haben Werkzeuge zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus. Gleichwohl ist manchmal etwas mehr Argwohn angebracht. Rassismus und Menschenfeindlichkeit müssen als Motive schnell erkannt, benannt und auch verurteilt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Jede Art von Nachsicht ist hier fehl am Platz. Ein wirksames Werkzeug ist für uns aber auch die

Prävention. Die müssen wir stärker als bisher vorantreiben. Gute und effiziente Organisationen gegen Antisemitismus und Rassismus wie auch die mobilen Beratungsstellen dürfen nicht länger am Ende jeden Jahres für ihr Überleben kämpfen müssen. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Eine wehrhafte Demokratie muss unterstützt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus bedeutet, dass jede und jeder von uns täglich in die Verantwortung geht. Das heißt, wir ergreifen Partei, wenn Menschen beleidigt und diskriminiert werden. Antisemitismus und Diskriminierung Einzelner sind ein Angriff auf uns alle. Dagegen setzen wir uns zur Wehr. Polizei, Justiz und eine Zivilgesellschaft mit Zivilcourage: Wir sind die Akteurinnen und Akteure einer wehrhaften Demokratie. Nur gemeinsam und im Schulterschluss können wir mit aller Unnachgiebigkeit Antisemitismus und Rassismus bekämpfen.