Protocol of the Session on October 24, 2019

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schülerinnen und Schüler brauchen beste Bildung. - Herr Försterling, bis zu diesem Punkt stimmen wir in der Einschätzung überein. Danach fallen unsere Einschätzungen teilweise dramatisch auseinander.

Jetzt steht es in der Tat jedem frei, was er zum Gegenstand und zum Inhalt von Aktuellen Stunden macht. Das Schöne ist aber: Man muss damit rechnen, dass das dann auch bewertet wird. - Und jetzt haben wir hier von den Oppositionsfraktionen leider diesen Beitrag gehört. Man hätte die Chance gehabt, sich zu einem sehr konkreten IQBBildungstrend zu äußern und auch zu sagen, was für Ableitungen man daraus mitnimmt, oder man konnte daraus eine allgemeine Debatte machen. Die FDP hat wieder zehn Punkte aufgelistet, alles schön und wohlklingend, leider ohne jede Lösung.

(Björn Försterling [FDP]: Das ist doch unverschämt!)

Frau Kollegin Hamburg: Ja, Fragen dürfen Sie stellen. Nur in dem Moment, in dem Sie behaupten, wir würden etwas kürzen, was wir nicht machen,

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Doch, das machen Sie! Das habe ich im Protokoll des Haushaltsausschus- ses gelesen!)

bekommen wir wieder ein Problem miteinander. Ich weise natürlich in aller Deutlichkeit zurück, wenn hier permanent Befürchtungen gestreut werden, wir würden z. B. so etwas wie die Fachberatung kürzen. Das haben wir nicht gemacht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Und dann kommt der Auftritt der AfD, immer streng nach dem Motto „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Es gibt zwar einen Anspruch auf inklusive Beschulung, aber die AfD sagt: Nein, irgendwie darf das doch gar nicht sein! - Ihr Vertreter stellt sich hin und hält hier eine Rede, die im Kern nichts anderes bedeutet, als dass man auf einzelne Schülerinnen und Schüler zeigen möchte und sagen will: Ihr gehört nicht in diese Schule! - Und ich sage Ihnen: Das können Sie sagen, aber Sie erhalten hier den entsprechenden Wiederspruch. Inklusion ist mit uns nicht verhandelbar. Da können Sie sich hier noch so oft hinstellen und Ihre Reden halten. Wir werden Inklusion zum Gelingen verhelfen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich aus dem aktuellen Anlass in den IQB-Bildungstrend hineinschauen und uns dann miteinander angucken, was dort an guten Ergebnissen darin steht und wo es Hinweise zur Frage der Bearbeitung gibt, die wir sehr ernst nehmen müssen.

Die erste Botschaft lautet - und ich finde, das kann man ganz deutlich sagen -: Die Ergebnisse in allen Fächern zwischen den beiden Testungen sind stabil. Das ist eine gute Botschaft.

(Christian Grascha [FDP]: Stabil ist Mittelmaß!)

Die Ergebnisse, die wir erreicht haben, sind stabil.

(Anja Piel [GRÜNE]: Das ist genau Mittelmaß! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist Ihre Haltung!)

Und dann kann man sich auch angucken - ich hätte mir gewünscht, dass das gemacht wird -, wie getestet worden ist. Man testet im 9. Jahrgang ab, wie viele der Schülerinnen und Schüler auf welchem Standard Ergebnisse erreichen, die am Ende des 10. Jahrgangs vorliegen sollen. Darin ist eine Ungenauigkeit, da man auch diejenigen testet, die nach der 9. Klasse die Schule beenden, aber wir nehmen das trotzdem mit hinein.

Diese Ergebnisse hat man uns dann vorgelegt und sie mit Bewertungen versehen. Diese Bewertungen - das kann man nicht wegdiskutieren - zeigen deutlich gestiegene Herausforderungen in den Schulen zwischen den Jahren 2012 und 2018 auf, nämlich eine deutlich größere Heterogenität, weil der prozentuale Anteil an Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern mit Migrationshintergrund im deutschen Mittel um 6,8 % gestiegen ist, in Niedersachsen um 10,5 %. Dort haben unsere Schulen eine richtig gute Leistung vollbracht.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Das betrifft doch alle!)

- Herr Dr. Birkner, natürlich betrifft es alle. Aber wenn die Zuwächse deutlich unterschiedlich sind, dann sind ja auch die Herausforderungen unterschiedlich.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Dann sa- gen Sie doch einfach das Richtige!)

Zweitens haben wir in Niedersachsen mit der Einführung der inklusiven Schule auch einen deutlichen Zuwachs an Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Und wenn man sich dann anschaut, dass Ergebnisse stabil geblieben sind, finde ich, kann man an dieser Stelle auch mal sehr deutlich festhalten, dass wir einen großen Dank an die Lehrkräfte, an die Schulleitungen geben, die ganz ausdrücklich unter diesen Bedingungen eine richtig gute Arbeit geleistet haben. Auch das ist an dieser Stelle einen Dank wert.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist Ihre Anspruchslosigkeit! - Christian Grascha [FDP]: Es ist scheinheilig, sich bei den Lehrkräften zu bedan- ken!)

Schauen wir uns weiter an, welche Hinweise uns der IQB-Bildungstrend für die Arbeit gibt. Erstens - das hat Frau Hamburg angemerkt - betrifft das die Frage, wie wir mit Aus- und Fortbildung umgehen. Ja, auch dort wollen wir der Heterogenität in den Schule besser gerecht werden. Deswegen gilt es,

Lehrkräfte darauf intensiver vorzubereiten. Der Umgang mit heterogenen Gruppen wird in die Lehrerausbildung aufgenommen. Seit vielen Jahren gibt es bereits Qualifizierungen für die inklusive Schule und seit Kurzem auch mit speziellem Fachbezug zu Mathematik neben Deutsch und Englisch. Das ist etwas, was sich die Lehrkräfte ausdrücklich gewünscht haben.

Ja, wir müssen die Mädchen weiterhin davon überzeugen, dass sie selbstbewusst an ihre Kompetenzen glauben und daran, dass sie im MINTBereich richtig gut sind. Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass die Jungen in ihrer Entwicklung bestärkt und sie nicht zu Bildungsverlierern werden.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Niedersachsen fördert Mädchen spezifisch im Matheunterricht durch das Niedersachsen-Technikum sowie in den Naturwissenschaften durch das Projekt „Mädchen und Technik“. Jungen und Mädchen gleichermaßen werden durch das Exzellenz-Netzwerk MINT-Schule unterstützt. Die Angebote der außerschulischen Lernorte in zahlreichen Städten - Göttingen, Braunschweig, Hannover, Osnabrück, Wilhelmshaven, Buchholz - und die IdeenExpo bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Kompetenzen interessengezielt auszubauen.

Auch gilt es, den bundesweiten Trend zur eher ungünstigen Entwicklung von Gymnasien - übrigens in den Spitzenleistungen - deutlich zu beobachten. Niedersachsen fördert leistungsstarke Schülerinnen und Schüler u. a. durch die Teilnahme an „Mathematik ohne Grenzen“ oder der Mathematik-Olympiade. Die Lehrkräfte motivieren zahlreiche Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme am sogenannten Känguru-Wettbewerb und stärken damit auch Basiskompetenzen, wie es hier eben gerade eingefordert wurde. Die Lehrkräfte erhalten Unterstützung durch fachbezogene Netzwerke sowie durch die Fachberatung. Und genau das gucken wir uns jetzt an, um festzustellen, ob das reicht oder ob wir dort noch einmal Dinge verändern müssen.

Wir brauchen den Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen. Wir stehen gut da und nehmen gleichzeitig die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends sehr ernst.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Mittelmaß! Das ist für Sie gut!)

Selbstverständlich ist das ein gutes Ergebnis, aber keines, worauf man sich ausruhen kann. Das ist die entscheidende Botschaft: Die Schulen haben gute Arbeit gemacht, und wir knüpfen jetzt dort an und schauen, wo wir das noch einmal verstärken und intensivieren müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Kollege Försterling von der FDP-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Anderthalb Minuten, Herr Försterling!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Aktuelle Stunde lautet „Mittelmaß ist nicht genug - Niedersachsens Schüler brauchen beste Bildung“. Darin steht erst mal gar nichts von IQB. Von daher weiß ich nicht, warum Sie nur über IQB reden wollten.

Aber ich habe natürlich IQB als Beispiel genannt, weil Sie - das hat der Minister eben in sieben Minuten ausgeführt - vollends zufrieden sind mit der Mittelmäßigkeit der Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler Niedersachsens. Das ist Ihr Anspruch, das ist nicht unser Anspruch.

(Beifall bei der FDP)

Und ich habe Ihnen in meiner Rede aufgezeigt, was denn Lösungsmöglichkeiten sind, aus dieser Mittelmäßigkeit herauszukommen: Unterrichtsversorgung verbessern, mit einer besseren Lehrerbesoldung, mit der Altersermäßigung ab 55, mit einer Konzentration auf den Kernunterricht. Mehr

Deutsch- und mehr Matheunterricht bereits in den Grundschulen, weniger fachfremder Unterricht im Sekundarbereich I - dazu haben Sie gar nichts gesagt. Der Kollege Bratmann hat immer wieder betont, wie wichtig die Fachdidaktik ist. Ja, dann wäre es mal wichtig, dass Sie dafür sorgen, dass Mathematiklehrer Mathe unterrichten! Die haben nämlich die Fachdidaktik im Studium gelernt. Das wäre entscheidend! Das ist ein Ansatzpunkt, um die Schule zu verbessern.

Digitalisierung: Sie haben nichts dazu gesagt, wie Sie die Schulen endlich auch mit Lern-Apps mit Inhalten ausstatten wollen.

Inklusion: Das ist ein Thema, das Sie seit zwei Jahren liegen lassen. Sie sagen: Es kommen immer mehr inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler in die Schulen. Deswegen müssen wir mit der Mittelmäßigkeit zufrieden sein. - Nein. Sie müssen daran arbeiten, die Inklusion, die Rahmenbedingungen, zu verbessern, mit mehr Sozialpädagogen, mit mehr Sonderpädagogen, mit pädagogischen Mitarbeitern. Da haben Sie Stellen gekürzt. Sie bleiben weit hinter dem Aufwuchs, den Sie im Koalitionsvertrag versprochen haben, zurück.

Herr Kollege Försterling, Sie müssen zum Schluss kommen!

Alles deutet darauf hin: Sie sind mit der Mittelmäßigkeit zufrieden. Was ist denn das für ein Anspruch? Sie haben jegliche Gestaltungskraft bereits jetzt verloren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Försterling. - Frau Kollegin Julia Willie Hamburg hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 gebeten. Ebenfalls anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tonne, ich finde es äußerst bedauerlich, dass Sie auch in Ihrer heutigen Rede nicht über die Symptombeschreibung hinausgegangen sind. Das ist wirklich einfach ungenügend. Sie müssen dann doch auch wirklich einmal die Kraft entwickeln und Antworten liefern für Niedersachsen, um die von Ihnen beschriebenen Probleme zu lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Und da kommen wir dann auch wieder an den Punkt Haushalt. Wir hatten im Kultusausschuss die Lesung Ihres Haushaltes, und da ist es eben doch so, dass im Vergleich zum Vorjahr der Fortbildungsetat deutlich gekürzt wird. Und auf die Rückfrage, wie man das denn entscheiden kann vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen, die wir in Niedersachsen haben, sagt Ihr Haus: Naja, der Fortbildungsetat reicht so aus. Der Bedarf ist halt nicht gegeben. - Das steht doch nun

wirklich in komplettem Widerspruch zu dem, was Sie uns hier gerade erzählt haben, Herr Tonne!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie auch, mir keine Falschbehauptungen zu unterstellen. Auch ich spreche mit den Lehrerverbänden, und wir wissen, dass Sie bei Beratungslehrkräften kürzen, dass Sie denen sagen: Wir brauchen Sie jetzt im Unterricht, und deswegen können wir Sie nicht mehr mit der vollen Zeit abordnen und entlasten, um Ihrer Beratungslehrertätigkeit Genüge zu tun. Im Bereich der mobilen Dienste sagen Sie den Menschen, die seit Jahrzehnten im Bereich inklusive Schule arbeiten: Sie können leider nicht mehr mit Ihren vollen Stunden dort arbeiten, wir brauchen Sie jetzt für die Unterrichtsversorgung.

Genau das führt dazu, dass funktionierende Strukturen an den Schulen einbrechen. Da müssen Sie mir keine Falschbehauptungen unterstellen, sondern Sie müssen das Problem anpacken und lösen, Herr Tonne.