Protocol of the Session on October 23, 2019

(Anja Piel [GRÜNE]: Ist das eine Re- gierungserklärung? Oder nimmt das auch noch ein Ende?)

so ist diese Änderung der Niedersächsischen Landesverfassung, Frau Piel, für das Land Niedersachsen doch eine historische Zäsur.

Meine Damen, meine Herren, der Schuldenstopp erhält in Niedersachsen Verfassungsrang. Das ist ein großer Tag für die Koalition aus CDU und SPD, für diesen Finanzminister, für dieses Hohe Haus und vor allem für unser Land.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Der Fi- nanzminister hört gar nicht zu! - Anja Piel [GRÜNE]: So groß kann die Zä- sur gar nicht sein!)

- Herr Meyer, Sie können sich - - -

Herr Meyer, Frau Piel, lassen Sie den Kollegen Thiele weiter seine Ausführungen machen. Er hat noch ausreichend Zeit zur Verfügung. Wir sind noch am Beginn der Debatte.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Ansonsten hätte ich Herrn Meyer geraten, dass er sich, bevor er sich um den Finanzminister kümmert, vielleicht mal um

seine eigene Fraktion kümmert und einen Beitrag dazu leistet, dass wir eine nachhaltige Finanzpolitik in Niedersachsen auch mit den Grünen machen können. Im Moment ist das nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Ich höre ja zu, aber er nicht! - Anja Piel [GRÜNE]: Na, na, na, jetzt reicht es aber! Wir haben keine politische Beratung von Ihnen nötig!)

Wir hätten uns natürlich gewünscht, wenn dieser Beschluss schon vor der Sommerpause und damit vor Beginn der Haushaltsberatungen gefasst worden wäre; denn der Haushaltsentwurf 2020 der Landesregierung fußt ja auf den Mechanismen dieser Schuldenbremse. Aber nach der Expertenanhörung hatten wir drei dort strittige Punkte zu klären. Das betraf die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Neufassung des Artikels 58 der Landesverfassung zur Bemessung der den Kommunen zur Verfügung zu stellenden Mittel, das betraf die Frage, ob in der Verfassung oder gesetzlich eine Altschuldentilgung geregelt werden soll, und das betraf das Quorum für die Ausnahmeregelung zur Schuldenaufnahme in Artikel 71 Abs. 4, Stichwort Naturkatastrophen.

Auf die Ergebnisse und unseren Kompromissvorschlag gehe ich noch näher ein.

Zunächst grundsätzlich: Die CDU-Fraktion stimmt aus drei Gründen mit Überzeugung für die Änderung der Niedersächsischen Verfassung und für diese niedersächsische Schuldenbremse:

Erstens. Wir schaffen damit Rechtssicherheit; denn der grundgesetzliche Schuldenstopp gilt zwar auch und insbesondere für die Länder, zunächst sogar absolut, aber ohne eine Regelung in der Landesverfassung können die Landeshaushalte vom Staatsgerichtshof nicht auf die Einhaltung überprüft werden. Und es bedarf einer landesrechtlichen Regelung, damit die in Artikel 109 Abs. 3 GG vorgesehene, ausnahmsweise bestehende, Möglichkeit der vorübergehenden Schuldenaufnahme im Falle von Naturkatastrophen oder außerordentlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, dem Niedersächsischen Landtag ab dem Jahr 2020 trotz Schuldenstopps offensteht. Dazu gehört natürlich auch eine korrespondierende Tilgungsregelung.

Zweitens - dieser Punkt ist der CDU-Fraktion besonders wichtig. Die Schuldenbremse hält Belastungen für Zins- und Tilgungsleistungen aktueller

und vor allen Dingen künftiger Generationen im Rahmen. Sie gewährleistet Generationengerechtigkeit.

Drittens. Die Schuldenbremse veranlasst den Haushaltsgesetzgeber formal und faktisch zur Beachtung der Haushaltsgrundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Sie stellt sicher, dass sich das Land Niedersachsen zukünftig auch über Legislaturperioden hinweg so verhält, wie sich jeder vernünftige Mensch privat und jeder ordentliche Kaufmann verhält: In guten Zeiten legt man etwas für schlechte Zeiten zurück, und man nimmt nur notfalls Schulden auf, die man dann auch wieder planmäßig tilgt. Das wird und das muss das Land Niedersachsen nach dieser Neuregelung ab dem 1. Januar 2020 so tun. Das ist richtig und das ist gut, und deswegen stimmen wir aus Überzeugung zu.

Meine Damen, meine Herren, es ist kein Geheimnis, dass CDU und SPD für diese Neuregelung hart um einen Kompromiss gerungen haben. Wir haben das sogar am 20. Juni hier in diesem Hohen Haus im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutiert. CDU und SPD haben, wie ich finde, einen klugen Kompromiss gefunden, den die CDU-Landtagsfraktion aus Überzeugung mitträgt.

Erstens. Wir sind der Bitte der kommunalen Spitzenverbände gefolgt und belassen die Regelung des Artikels 58 der Landesverfassung zum Status der Kommunalfinanzen unverändert.

(Christian Grascha [FDP]: Da können die Kommunen aber froh sein!)

Damit gilt auch weiterhin die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs hierzu.

Zweitens. Wir folgen der Mehrheitsmeinung in der Expertenanhörung und treffen keine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Regelung zur Altschuldentilgung. Diese Frage belassen wir, wie es uns viele Experten in der Anhörung angeraten haben, damit in der jährlich zu treffenden Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers.

In der Koalition haben wir vereinbart - das gehört zu dem Kompromiss dazu -, dass wir in dieser Legislaturperiode insgesamt eine Tilgung von mindestens 1 Milliarde Euro erreichen wollen. Und wir sind uns einig, dass wir das Investitionsvolumen des Landes auf dem jetzigen hohen Niveau halten. Damit beweisen wir, dass es einer gesetzlichen Regelung nicht zwingend bedarf, wenn der politische Wille zum Schuldenabbau und zu Investitionen zugleich in einem Parlament vorhanden ist.

Dieser politische Wille ist in dieser Koalition vorhanden, und darum werden wir das in dieser Legislaturperiode auch entsprechend durchsetzen, meine Damen und Herren.

(Christian Grascha [FDP]: Da klat- schen aber nicht gerade viele eigene Leute!)

Wir schlagen dem Landtag vor, in Artikel 71 Abs. 4 der Landesverfassung ein differenziertes Quorum für die Anwendung des Artikels 109 Abs. 3 GG, also für die ausnahmsweise Kreditermächtigung im Falle von Naturkatastrophen oder außerordentlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen - das ist der Originalwortlaut -, festzulegen. Ein solcher Beschluss für die Aufnahme von Krediten in Höhe von über 0,5 % des zuletzt festgelegten Haushaltsvolumens bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages, im Übrigen der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Landtages. Die Schwelle für solche in den genannten Fällen ausnahmsweise und - weil die Frage im Haushaltsausschuss aufkam - selbstverständlich nur einmalig mit einfacher Mehrheit zu beschließenden Kreditermächtigungen läge auf Basis des aktuellen Haushaltsplans 2019 bei knapp 165 Millionen Euro.

(Christian Grascha [FDP]: Aber das steht ja nicht im Gesetz! Das steht noch nicht einmal im Gesetz!)

Auch für diese Kreditermächtigung gilt, dass zugleich ein Tilgungsplan beschlossen werden muss, damit die aufgenommenen Schulden wieder zurückgeführt werden können.

Herr Kollege Thiele, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Nach diesem Satz, Frau Präsidentin.

Entschuldigen Sie!

Mit dieser differenzierten Regelung geben wir den die Regierung tragenden Fraktionen die Möglichkeit, im Katastrophenfall oder in einer außerordentlichen Notlage mit einem Nachtragshaushalts

plan ohne langwierige Verhandlungen mit der Opposition schnell finanziell handlungsfähig zu werden und insbesondere Sofortmaßnahmen ergreifen zu können.

Offen gesagt: Beispielsweise im Falle eines Deichbruchs ist es auch dringend notwendig, dass man nicht wochenlange Verhandlungen führt, sondern dass man so schnell wie irgend möglich handlungsfähig ist, Notmaßnahmen ergreifen kann und über das, was überplanmäßige Ausgaben leisten können, hinaus Maßnahmen ergreifen kann.

Wenn man dann darüber hinaus weitere Kreditermächtigungen benötigt, die im Falle des aktuellen Haushalts - mit über 165 Millionen Euro ist das eine moderate Höhe - möglich wären, dann bedarf es dafür eines breiten Konsenses dieses Hauses, nämlich einer Zweidrittelmehrheit.

Meine Damen und Herren, das ist eine harte Schuldenbremse, auch wenn die FDP das aus parteipolitischen Gründen möglicherweise negiert.

Jetzt darf Herr Grascha dazu gerne eine Frage stellen.

Sehr geehrter Herr Kollege Thiele, Sie wollten den Satz zu Ende führen - das ist Ihr gutes Recht - und dann - so habe ich es wahrgenommen - die Zwischenfrage des Abgeordneten Grascha zulassen. Ich glaube, dass Sie jetzt sogar am Ende Ihrer Rede angekommen sind. Mir liegen zwei Zwischenfragen vor, eine des Abgeordneten Grascha und eine des Abgeordneten Peer Lilienthal.

Ja, dann mal los!

Dann mal los, die Herren!

Vielen Dank, Herr Kollege Thiele.

Ich habe eine Zwischenfrage zu den Ausnahmen, zu der Aufweichung, die jetzt hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen 0,5 % des Haushaltsvolumens vorgenommen wird. Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in den Ausschussberatungen gesagt hätten, dass 0,5 % pro Haushaltsjahr möglich seien. Der Landesrechnungshof hat dann kritisiert, dass das so nicht im Gesetz stehe. Die Frage an Sie: Warum steht das nicht genau so im Gesetz, damit die Ausnahme, die Möglichkeit mehr

mals in einem Haushaltsjahr in Anspruch zu nehmen, nicht möglich ist?

Herr Thiele!

Diese Ausnahme ist nicht möglich. Das steht sinngemäß auch im Gesetz.

(Christian Grascha [FDP]: Aber es müsste wörtlich drinstehen, nicht sinngemäß!)

- Nein, das muss es nicht, Herr Grascha!

Keine Dialoge jetzt! Herr Thiele antwortet.

Der Sinn der Formulierung eines solchen Quorums - das ergibt sich aus dem Gesetzestext, und deswegen habe ich das auf Nachfrage natürlich noch einmal bestätigt und nichts anderes - ist natürlich, dass man für ein solches Ereignis das 0,5-%-Quorum nur dann ziehen kann, wenn man unterhalb dieser Marge für das Ereignis bleibt. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut. Das habe ich noch einmal klargestellt. Aber jeder Rechtsexperte - übrigens auch der GBD, wenn Sie ihn gefragt hätten; der GBD hat die vorliegende Formulierung vorgeschlagen -,

(Christian Grascha [FDP]: Sie hätten ihn fragen können!)

wird Ihnen bestätigen, dass aus dieser gesetzlichen Regelung nichts anderes herausinterpretiert werden kann und deswegen genau das gemeint ist, was Sie hier gerade eingefordert haben. Das ist eine saubere und sehr klare Regelung, die vom Staatsgerichtshof entsprechend eingeordnet werden kann.

(Christian Grascha [FDP]: Meinen Sie, dass der Landesrechnungshof inkom- petent ist?)