Wir haben mit diesem Schulgesetz festgelegt: Jede Schule in Niedersachsen ist eine inklusive Schule. - Ich beschreibe den Hintergrund dieser Änderung, jede Schule ist eine inklusive Schule, gerne mit folgendem Gedanken: Wir wollten nicht mehr, dass Eltern von Kindern mit Behinderung oder Beeinträchtigungen erst vor Gericht ziehen müssen, um einen Platz für ihr Kind an einer allgemeinbildenden Schule zu bekommen. Das wollten wir nicht mehr!
Wir wollen, dass die Wahlfreiheit und das Kindeswohl bei der Umsetzung der Inklusion im Mittelpunkt stehen. Wahlfreiheit und Kindeswohl standen damals für uns im Mittelpunkt, und sie müssen auch zukünftig im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Ich bin froh, dass Menschen wie Harm Rykena und die AfD damals keine Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben, wie wir gerade merken konnten.
Für uns steht mit Blick auf die aktuelle Situation sieben Jahre später auch im Mittelpunkt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es uns ermöglichen, Inklusion zum Gelingen zu bringen. Wenn wir heute über die Antwort auf die Große Anfrage sprechen, kann bei allen Kontroversen auch die Botschaft aus dem Niedersächsischen Landtag sein: Unser Ziel muss sein, die Inklusion zum Gelingen zu bringen.
Das heißt aber auch, alle Beteiligten auf dem Weg mitzunehmen. Wir müssen die Eltern mitnehmen. Wir müssen die Kinder in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen Lehrer, Schulleitungen und alle, die im System Schule mit unseren Schülerinnen und Schülern zusammenarbeiten, in den Blick nehmen. Auch ganz deutlich gesagt: Wir alle müssen ein Stück weit besser unterstützen, als das heute der Fall ist.
Wenn wir es schaffen - das muss unsere Botschaft heute sein -, Inklusion zum Gelingen zu bringen, muss das mit einer Zielsetzung verbunden sein. Dieses Ziel halte ich aus meiner persönlichen Sicht für wichtig für unsere Gesellschaft insgesamt. Wir müssen immer deutlich machen: Inklusion, wie wir sie heute diskutieren, ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern eine große gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Diese Aufgabe fängt bereits bei unseren jungen Menschen im Kindergarten und in der Schule an. Dieses Miteinanderaufwachsen - ob Menschen mit Behinderung oder ohne, Jugendliche mit Behinderung oder ohne - kann genau dieses Ziel realisieren, nämlich dass es normal ist, verschieden zu sein. Das muss unsere gemeinsame Zielsetzung bei der Inklusion sein.
Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt auch - und das wissen wir -, dass es eine Daueraufgabe mit großen Herausforderungen ist. Wir können mit der Antwort auf diese Große Anfrage feststellen - diese Zahl kann man von zwei verschiedenen Seiten betrachten -, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die inklusiv beschult werden, immer weiter ansteigt. Im fünften Jahrgang haben wir aktuell eine Steigerung um 55 % von Schülerinnen und Schülern mit festgestelltem Förderbedarf.
Das ist einerseits ein positives Zeichen: Inklusion kommt in der Schule an. - Man muss andererseits jedoch kritisch betrachten - das zeigt die Aufgabe, die dahinter steht -: Wenn wir, wie wir das in den vergangenen Jahren erlebt haben, den Eltern über die Einschränkung der Wahlfreiheit die Möglichkeit nehmen, eine Förderschule für ihr Kind auszuwählen, erhöhen wir zwangsläufig diese inklusive Schule im Radius oder in ihrem Grad. Das ist auch eine Antwort, die dahintersteht.
Die Steigerung um 55 % macht auch deutlich: Bei einer steigenden Inklusionsquote in unseren Schulen dürfen wir unsere Lehrerinnen und Lehrer und
unsere Schulen mit dieser Aufgabe nicht allein lassen. Es ist unsere Aufgabe, die Schule bei der Umsetzung der Inklusion bestmöglich zu unterstützen.
Deswegen ist es gut, wie in der Antwort steht, dass allein in dieser Wahlperiode 2018 bis 2022 rund 1,9 Milliarden Euro für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Inklusion zur Verfügung gestellt werden.
Ressourcen haben immer auch eine andere Herausforderung, die ich noch erwähnen möchte. Ich erinnere mich an so manche Debatte im Parlament, in der es vielleicht auch etwas hitziger zuging. Als man die Frage nach den Ressourcen in Verbindung mit Inklusion gestellt hatte, wurde einem sehr schnell entgegengehalten: Inklusion ist keine Ressourcenfrage, sondern Inklusion ist eine Haltungsfrage. - So kann man eine Diskussion auch tot machen. Dahinter steht die Ehrlichkeit zu sagen: Natürlich heißt eine erfolgreiche Inklusion auch ausreichende Ausstattung und ausreichende Ressourcen. Die Diskussion gehört mit dazu.
Ich gebe zu: 2012 habe auch ich kaum eine andere Möglichkeit gesehen, als die Ressourcen an die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu binden, um die Unterstützung zielgerichtet zu ihnen zu bringen, wie z. B. durch sonderpädagogische Grundausstattung in den Grundschulen und durch sogenannte Rucksackstunden im Sek.-I-Bereich. Das heißt für die Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und Lehrer aber auch, zu versuchen, möglichst viel Unterstützung für das Kind zu bekommen.
Deswegen war damals schon vorhersehbar, dass die Anzahl von Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem Förderbedarf in Niedersachsen steigen wird. Bis zur Umsetzung der Inklusion haben wir uns sehr dafür gelobt, ein Land mit einer sehr geringen Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit festgestellten Förderbedarfen zu sein. Wie diese Antwort auf die Große Anfrage zeigt, ist die Anzahl um rund 28 % gestiegen. Man kann es damit erklären, dass damit immer wieder Ressourcen verbunden sind. Bei der Weiterentwicklung der Inklusion muss uns auch die Frage beschäftigen, wie wir das im Sinne der Inklusion zukünftig besser regeln können.
Gegebenheiten und Bedingungen. Ich bin froh und dankbar - Sie haben es angesprochen, Herr Bratmann -, dass wir es hinbekommen haben, die Wahlfreiheit bei der Förderschule „Lernen“ zu stärken, die aufgrund der Entscheidung der vorherigen Landesregierung schon am Auslaufen gewesen ist, und dass wir heute in Niedersachsen weiterhin 117 Förderschulen Lernen haben. Ich halte das für den richtigen Weg; denn wir brauchen Zeit für die Umsetzung der Inklusion. Deswegen ist es richtig, dass wir keine weiteren Förderschulen in Niedersachsen schließen werden.
Wir haben viel zu tun. Das will ich durchaus kritisch reflektieren. Die Vorredner haben die Punkte genannt. Man darf mit Sicherheit heute auch sagen: Wir haben kein Erkenntnisproblem bei den Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir alle gemeinsam müssen schneller in der Umsetzung werden, um für die Themen, die wir lange diskutiert haben, bessere Antworten und Lösungen zu finden.
Es geht um die Steuerung: Wie organisiere und steuere ich die Inklusion in den verschiedenen Regionen in Niedersachsen vernünftig? Die RZI sind auf den Weg gebracht. Sie müssen aber in der Praxis so ankommen, dass sich die Förderschulen auf dem Weg mitgenommen fühlen. Wir stehen dabei vor einer großen Herausforderung in allen Regionen in Niedersachsen.
Wir reden über den Ausbau der Mobilen Dienste. Die Mobilen Dienste sind eine unheimlich gute und wichtige Einrichtung, die möglichst nicht erst dann zum Zuge kommen soll, wenn man Kinder mit festgestellten Förderbedarfen hat. Vielmehr sollen sie Schule und Eltern präventiv beraten und unterstützen. Wir brauchen ein System, wie wir die Mobilen Dienste in Niedersachsen flächendeckend ausbauen können.
Es geht um die Weiterbildung und Qualifizierung der allgemeinbildenden Lehrkräfte im Schulsystem, um ihnen bessere Unterstützung bei den neuen Herausforderungen geben zu können.
Deswegen, meine Damen und Herren, bleibt für mich bei der Antwort auf die Große Anfrage festzuhalten: Wir haben sehr viele Zahlen, Daten, Fakten aus der Antwort auf die Große Anfrage erhalten. Zahlen, Daten, Fakten allein lösen aber nicht die Aufgabe, vor der wir stehen, sondern
Deswegen ist es gut, dass wir in der Beratung eines gemeinsamen Antrages sind. Ich möchte aber auch sehr deutlich sagen: Wir dürfen nicht mehr lange reden, wir müssen auch in die konsequente Umsetzung kommen.
Ich komme zum nächsten Tagesordnungspunkt. Zwei Tagesordnungspunkte haben wir bereits am Vormittag abgearbeitet.
Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Abschiebungspraxis entschärfen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3935
Für die Einbringung hat sich der Abgeordnete Belit Onay, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Onay!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Was sich in den letzten Monaten im Bundestag hinsichtlich der Migrationsgesetzgebung abgespielt hat, ist für einen überzeugten Parlamentarier tatsächlich schwer zu ertragen. Gerade mit Blick auf das 70. Jubiläum unseres Grundgesetzes ist das nicht feierlich gewesen.
CDU und SPD haben dort die parlamentarischen Gepflogenheiten nicht nur strapaziert, sondern, wie ich glaube, überstrapaziert. Auch viele Fachleute, die gerade im Hinblick auf das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz angehört worden sind und daran Kritik angebracht haben, hat man, meine ich, gerade mit Blick auf die sehr kurzen Bera
tungsfristen und die Folgen düpiert. Dabei kann von einer parlamentarischen Beratung im eigentlichen Sinne gar nicht mehr die Rede sein.
Auch der Protest hinsichtlich der Inhalte - das haben wir ja schon gestern in der Aktuellen Stunde breit erörtert - aus der Großen Koalition heraus war leider sehr überschaubar.
So ist dieser Gesetzentwurf im Grunde auf Abschreckung ausgerichtet. Er ist deshalb verfassungs- und europarechtlich höchst fragwürdig. Auch für die Teilhabe der betroffenen Menschen ist er höchst schädlich, da er viele Menschen kategorisch von jedweder Integrations- und Teilhabeförderung ausschließt.
Zudem verlangt die Bundesregierung - das hatte ich schon gestern erwähnt - die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in der Strafhaft. Der Umstand der Ausreisepflicht ist aber eben kein Grund für Strafhaft - auch das habe ich gestern deutlich gemacht -, sondern gilt insbesondere der Festsetzung der Person und ist keine Bestrafung. Deshalb ist das nicht ohne Weiteres mit dem Europarecht vereinbar.
Gefreut habe ich mich in diesem Zusammenhang allerdings, dass auf den letzten Metern von CDU und SPD mit dem Änderungsantrag die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes durch den Bundesrat verursacht wurde. Das hatte zur Folge, dass die Möglichkeit für Niedersachsen besteht - das hatten wir schon gestern eingefordert -, den Vermittlungsausschuss anzurufen und den Weg dafür freizumachen, indem für die erforderliche Mehrheit gesorgt wird. Damit könnten diese Fehler sowohl in der Beratung als auch in den verfassungs- und unionsrechtlich fragwürdigen Teilen korrigiert werden. Diese Gelegenheit muss die hiesige Große Koalition nutzen.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass wir hier im Niedersächsischen Landtag eine andere Art des Umgangs haben, andere parlamentarische Sitten. Das finde ich ausdrücklich gut; das möchte ich hier deutlich sagen.
Aber auch hier im Lande sehen wir als Grüne gerade im Bereich der Migrationspolitik eine Verschärfung, die auch vor allem bei Abschiebungen und bei der Abschiebehaft zu beobachten ist. Einige Fälle haben uns bereits dazu veranlasst, Anfragen an die Landesregierung zu stellen.
So ist der Fall einer rechtswidrig in Abschiebungshaft genommenen Frau zu nennen, die aufgrund einer Schwangerschaftskomplikation behandlungsbedürftig war. Im Krankenhaus wurde die Frau mit einem Fuß Tag und Nacht an das Gestell des Krankenhausbetts gefesselt.
In einem anderen aktuellen Fall wurde eine Frau aus Mali durch den Abschiebungsstress retraumatisiert und in die Psychiatrie eingeliefert. Dort wurde sie fünf Tage lang ans Bett gefesselt. Niemand dort hat mit ihr in einer ihr verständlichen Sprache gesprochen. Dabei spricht diese Frau Französisch, also keine wirklich exotische Sprache, auch in Niedersachsen nicht. Anschließend in der Abschiebungshaft konnte sich die JVA-Ärztin wieder kaum mit ihr verständigen. Obwohl die Ärztin zunächst sowohl die Reise- als auch die Fluguntauglichkeit dieser Person festgestellt hatte, wurde die Frau schließlich ohne weitere ärztliche Prüfung abgeschoben, meine sehr geehrten Damen und Herren.