Protocol of the Session on June 19, 2019

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Do- ris Schröder-Köpf [SPD])

Aber da lasse ich mich gern eines Besseren belehren.

Zweite Anmerkung: Auch der Hinweis auf den Koalitionsvertrag, darin würde das ja stehen und das sei ein Beleg für Initiativen der Landesregierung, geht natürlich völlig fehl. Denn das allein führt ja nicht dazu, dass man etwas tut.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Klima- schutzgesetz zum Beispiel!)

Wir wollen Sie gerne an Ihren Taten messen, aber da ist eben nichts zu messen. Insofern sollten Sie lieber in eine kritische Selbstbetrachtung gehen und feststellen, dass das, was Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, vielleicht gar nicht umgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich stimme Ihnen zu - damit bin ich sehr einverstanden -: Natürlich lässt sich eine ImamAusbildung nicht vom Landtag verordnen oder so. Genau das habe ich aber auch gesagt. In diesem Gesamtkomplex geht es nämlich vor allem um die Frage - darum dreht sich die Diskussion ja viel -, wie es gelingen kann, in Deutschland und in Niedersachsen nach einem natürlich von den Religionsgemeinschaften zu bestimmenden Kodex, der aber auch unserer Verfassung entsprechen muss, Imame auszubilden, die tatsächlich unabhängig sind. Das ist die Frage. An diese Frage nach der Ausbildung schließt sich aber auch gleich die Frage an, wie deren Beschäftigung und Finanzierung in Deutschland gelingen kann. Wenn Sie diese Frage einvernehmlich mit den Beteiligten geklärt haben, dann wird sich im Übrigen nach meiner Überzeugung auch die Frage nach der ImamAusbildung sehr schnell klären, weil dann die Perspektive klar ist.

Die Frage der Finanzierung von Imamen zu klären, ist aus meiner Sicht die Kernaufgabe, der sich Politik stellen muss. Da würde ich mir wesentlich mutigere Schritte wünschen -

(Glocke der Präsidentin)

sowohl von den Verbänden als auch von der Politik bzw. von der Landesregierung. Dieses Lavieren wird dazu führen, dass wir auch in zwei, drei Jahren weiter davon sprechen, dass nichts vorangeht und wie fürchterlich das alles ist. Und die Spaltung in dieser Gesellschaft wird zunehmen. Sie als die die Regierung tragenden Parteien sind gefordert, dem entsprechende Konzepte entgegenzusetzen. Wir wirken daran gerne mit.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Es liegt uns seitens der Landesregierung eine Wortmeldung des Abgeordneten Björn Thümler vor. Bitte schön, Herr Thümler!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Des Abge- ordneten?)

- Entschuldigung, auch des Ministers Björn Thümler.

(Belit Onay [GRÜNE]: Er ist multitas- kingfähig! - Helge Limburg [GRÜNE]: Doppelte Redezeit! - Minister Björn Thümler: Als was soll ich denn?)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heutigen Verabschiedung des Entschließungsantrags in der vorliegenden Fassung ist eine intensive und, wie ich finde, auch sehr gute Diskussion vorausgegangen. Man wird dieses Thema auch weiter diskutieren müssen; eine Umsetzung wird nicht einfach per Klick funktionieren, sondern man muss sich inhaltlich weiter damit auseinandersetzen.

Der Antrag ist richtig und sendet auch wichtige Signale. Die Diskussion im Vorfeld hat gezeigt, wie komplex diese Thematik ist und wie schnell Dinge miteinander verwoben werden, die nicht zusammengehören. Wir haben das in dem Beitrag von Herrn Rykena gerade leider wieder hören müssen. Vor dem Hintergrund der Komplexität der Thematik kann man sich nicht immer nur auf ein Thema fokussieren, sondern man muss sich schon die Mühe machen, die Dinge auseinanderzuhalten. Oder man sagt dann vielleicht doch nichts dazu, weil das am Ende falsch bzw. populistisch wird, die Leute es nicht verstehen und in die Irre geführt werden. Deswegen, Herr Rykena, sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob das, was Sie hier gesagt haben, richtig sein kann.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Der Antrag, meine Damen und Herren, enthält sehr wichtige Grundaussagen. Das Parlament unterstützt das Ziel dieser Landesregierung, Imame, die in Deutschland tätig sind, auch in Deutschland auszubilden. Das klingt erst mal einfach, ist es aber leider nicht. Ich komme gleich darauf zurück.

Die Landesregierung sieht in zweifacher Hinsicht eine Verpflichtung, hier tätigen Imamen das notwendige Rüstzeug zu vermitteln, um den Integrationsprozess der Muslime und des Islam in der Bundesrepublik Deutschland weiter zu befördern.

Zum einen enthält der Entschließungsantrag die Aufforderung an die Landesregierung, Strukturen und Module an der Universität Osnabrück weiter vorzuhalten, um im Bedarfsfall das zweisemestrige

Weiterbildungsangebot wiederaufnehmen zu können.

Dieses Angebot war an bereits ausgebildete Imame und in den Moscheegemeinden tätiges seelsorgerisches Personal gerichtet. Es ging hierbei primär um die Vermittlung gesellschaftspolitischer Kompetenzen, die für ein gedeihliches Miteinander in einer religiös-pluralistischen Gesellschaft wichtig sind. Den in den Moscheegemeinden bereits tätigen Personen sollte damit das Rüstzeug vermittelt werden, noch wirksamer in ihren Gemeinden und zugleich integrationsfördernd tätig zu werden. Dieses Angebot war und ist wichtig und hat auch viele Imame erreicht. Es war aber naturgemäß irgendwann nicht mehr so stark nachgefragt, weil irgendwann die Masse der Imame erschöpft ist. Deshalb muss man bei einem solchen zweisemestrigen Weiterbildungsangebot gegebenenfalls mit Pausen arbeiten. Genau eine solche Pause wird jetzt eingelegt.

Das heißt, wenn wieder vermehrt Muslime aus Moscheegemeinden ein entsprechendes Weiterbildungsangebot in Anspruch nehmen wollen, also ein Bedarf besteht, wird die Universität Osnabrück diese Weiterbildung selbstverständlich sofort wieder anbieten; die Strukturen dafür bleiben erhalten.

Ich will ausdrücklich darauf hinweisen - Stefan Birkner hat das gerade in den Raum gestellt -, dass es sich eben nicht um eine Imam-Ausbildung handelt; das wird ganz gerne mal verwechselt. Wir bilden in Deutschland keine Imame aus.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ist klar!)

Dieses Angebot haben Imame in Anspruch genommen, die beispielsweise aus der Türkei zu uns gekommen sind und deren Moscheegemeinden der Auffassung waren, dass eine solche Weiterbildung ihnen - gerade vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Struktur dieses Landes - ganz gut täte und eine Perspektive eröffne. Das muss man auseinanderhalten.

(Zuruf von Belit Onay [GRÜNE])

- Ich sage das nur noch einmal, um das klarzustellen: Wir bilden also keine Imame aus. Man könnte auch sagen: Wir bilden Imame noch nicht aus.

Herr Birkner hat auch gerade in den Raum gestellt, bei diesem Thema würde nichts mehr passieren. Beim Institut für Islamische Theologie wird es in jedem Jahr Absolventen geben. Das heißt, pro Jahr werden dort etwa 20 Theologen einen Abschluss machen - im Lehramtsbereich sind es

etwas weniger. Das heißt, auch da geht es immer weiter.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Bei der Imam-Fortbildung?)

- Bei den Imamen ist das anders; darauf komme ich gleich zurück. - Dort werden Diplom-Theologen ausgebildet, die heute durchaus schon in Moscheegemeinden wirken könnten. Sie können aber den Imam nicht ersetzen; das müssen wir auseinanderhalten.

Zum anderen enthält der Entschließungsantrag die Bitte an die Landesregierung, Modelle für eine eigenständige und unabhängige Imam-Ausbildung in Niedersachsen zu prüfen und eine Berufsperspektivem für Imame in Niedersachsen zu gestalten. Das ist ein schöner Satz, der aber komplexer nicht sein könnte. Das macht deutlich, wie schwierig das gesamte Themenfeld ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP] meldet sich)

- Wollten Sie eine Zwischenfrage stellen?

Herr Minister Thümler, ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Ja, ich mach schon!

Alles klar, wunderbar, danke für die Arbeitsteilung!

Gerne.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. Ich frage das jetzt, weil Sie gerade schon zur Bitte des Landtages unter Nr. 2 des Antrags vorgetragen haben.

In dem Antrag steht ja vorher auch:

„Der Landtag begrüßt die konkreten Initiativen der Landesregierung, die Abhängigkeit niedersächsischer Moscheegemeinden von ausländischen Finanzmitteln und Förderern zu reduzieren.“

Welche konkreten Initiativen sind das denn, die wir hier begrüßen sollen?

Ich komme im zweiten Teil meiner Rede gleich darauf zu sprechen; denn es geht darum, wie wir tatsächlich eine eigenständige und unabhängige Imam-Ausbildung aufbauen können. Es wird ja immer ein Dilemma bleiben: Es gibt ganz viele unterschiedliche Religionsgemeinschaften bzw. Moscheegemeinden - es gibt ja nicht nur DITIB und Schura -, die unterschiedliche Ausrichtungen haben und sich untereinander auch nicht wirklich einig sind; das muss man auch mal sagen. Milli Görüs beispielsweise betrachtet die Dinge ganz anders als die Aleviten oder DITIB oder Schura. Deswegen kann man nicht - das ist im Staatskirchenrecht geregelt - 1 : 1 verbindlich Absprachen in dieser Frage treffen, sondern man muss immer einzelne Absprachen treffen. Darauf komme ich aber gleich zurück.

Hier in Niedersachsen haben wir uns auf den Weg gemacht: Erste Sondierungsgespräche zur Entwicklung von Modellen einer Imam-Ausbildung unter Einbindung der wissenschaftlichen Expertise der Universität Osnabrück sind mit dem Bundesministerium des Innern nicht nur bereits geführt worden, sondern durchaus auch schon gediehen. Herr Jasper hat freundlicherweise darauf hingewiesen, dass in den vergangenen zwei Tagen hier in Hannover ein Workshop des Bundesinnenministeriums stattgefunden hat, der sich im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz bewegt und sich mit dem Thema Imam-Ausbildung in Deutschland beschäftigt hat. Dort wurde noch einmal deutlich gemacht, worauf es im Grunde genommen ankommt.

Ich weise mit Nachdruck darauf hin, dass ich an verschiedenen Stellen in diesem Haus bereits mehrfach gesagt habe, dass der Staat in eigener Verantwortung leider keine Imame ausbilden kann. Wenn er es könnte, wäre vieles einfacher. Das können wir aber nicht, und deswegen sind wir - wie bei der Ausbildung von Priestern, Pfarrern oder Rabbinern - immer mit den Obliegenheiten der Religionsgemeinschaften befasst, die, wie ich gerade andeutete, durchaus komplex sind. Es ist nicht so einfach, dort einen vernünftigen Weg zu finden. Man kann sozusagen auch unterstellen, dass ein gemeinsames Curriculum aller Religionsgemeinschaften überhaupt nicht vorstellbar ist, weil

es viel zu viele Diversifikationen gibt und es keine Einheit geben kann.

Nichtsdestotrotz ist an der Universität Osnabrück in den vergangenen Jahren neben der Religionspädagogik eine hervorragende grundständige islamische Theologie aufgebaut worden, die wir jetzt noch weiter abfedern, um weitere wissenschaftliche bzw. Ausbildungsmöglichkeiten in islamischer Theologie auch für Imame in der zweiten Ausbildungsphase zu schaffen. Die seelsorgerischen Anforderungen müssen dann jeweils gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften aufgesetzt werden.

Ich bitte jedoch, zu bedenken, dass wir mit unseren Vorschlägen nicht nur auf ungeteilte Begeisterung stoßen. Ich habe am Montag bei dieser Konferenz selbst ein Grußwort sprechen und anschließend mit den Verbandsvertretern diskutieren dürfen. Schon bei der Diskussion, die wir geführt haben, ist plötzlich ein sehr differenziertes Bild auf uns niedergeprasselt.

Ich habe immer gesagt: Wenn wir es nicht schaffen, anzufangen und wirklich irgendwo einen Imam auszubilden, dann werden wir aus dem Hamsterrad nicht herauskommen. Das heißt, wir müssen den Mut aufbringen, tatsächlich einen Imam oder auch zwei oder drei Imame auszubilden und an Moscheegemeinden zu vermitteln, um zu schauen, wo Bedarf für eine Nachsteuerung besteht; denn sonst werden wir, wie gesagt, diesen Kreislauf nie durchbrechen. Wir können uns nicht noch die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre damit beschäftigen, wie wir das erreichen, sondern wir müssen jetzt anfangen, etwas zu tun. Und dazu sind wir bereit, meine Damen und Herren.