Protocol of the Session on June 18, 2019

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 9: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Vertrags über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern - Vertrag zur Ausführung von Artikel 91 c GG - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/3622 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/3945 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/3980

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wie bereits erwähnt, sind die Fraktionen übereingekommen, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt werden soll. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Daher lasse ich gleich abstimmen.

Wir kommen zur Einzelberatung.

Ich rufe auf:

Artikel 1 einschließlich Staatsvertrag. - Unverändert.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Gesetz wurde einstimmig beschlossen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes und anderer Gesetze - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/3764

Wir kommen zur Einbringung.

Einbringen möchte Frau Wiebke Osigus für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes dürfte für manche sicherlich kein sehr spannendes Thema sein. Ich versuche die nächsten Minuten einigermaßen spannend zu gestalten.

Worum wird es gehen?

(Helge Limburg [GRÜNE]: Haben wir eine neue Justizministerin? Sind Sie die Ministerin? - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist doch eigentlich Sache der Landesregierung!)

Die Ministerin hat sich nicht gemeldet.

Die Ministerin hat sich nicht gemeldet?

(Christian Grascha [FDP]: Sind Sie schon in Berlin, Frau Havliza? - Wiard Siebels [SPD]: Jeder kann ein biss- chen zu einer spannenden Tagung beitragen, aber eigentlich könnte die Ministerin den Gesetzentwurf einbrin- gen! - Björn Försterling [FDP]: Ohne ihr zu nahe treten zu wollen: Das ist bei der Vorgängerin auch schon schiefgegangen! - Christian Meyer [GRÜNE]: Die Präsenz der Landesre- gierung ist ja auch sehr „erfreulich”!)

Einen kleinen Moment, bitte! Die Frau Ministerin ist auf dem Weg. Frau Osigus, Sie werden direkt nach der Ministerin aufgerufen.

(Ministerin Barbara Havliza: Entschul- digung!)

- Das kann durchaus passieren. - Jetzt hat unsere Justizministerin, Frau Havliza, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid. Es hat mich auf dem falschen Fuß erwischt, kann ich einfach nur sagen.

Ziel der von SPD und CDU im vergangenen Jahr beantragten und vom Landtag angenommenen Entschließung ist die Anpassung der gesetzlich garantierten Anzahl von Ausführungen Sicherungsverwahrter. Das ist einer der Schwerpunkte des Gesetzentwurfs zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes und anderer Gesetze. Das Niedersächsische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz gesteht Sicherungsverwahrten zurzeit einen Anspruch auf mindestens eine Ausführung im Monat zu. Alle anderen Länder lassen eine Ausführung im Quartal, also vier Ausführungen pro Jahr, zu. Einzige Ausnahme ist Bremen. Allerdings nehmen wir alle Sicherungsverwahrungen für Bremen in Niedersachsen vor. Sie werden hier vollzogen.

Jede Ausführung verlangt eine sorgfältige Abwägung zwischen dem berechtigten Interesse der oder des Sicherungsverwahrten an einem beaufsichtigten Verlassen der Anstalt auf der einen Sei

te und dem nicht weniger berechtigten Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit auf der anderen Seite. Die Ausführungen sind kein Selbstzweck. Sie dienen insbesondere dem Erhalt der Lebenstüchtigkeit der Sicherungsverwahrten, der Förderung ihrer Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, es war an der Zeit, den Mindestanspruch auf Ausführung im Lichte der Ziele, die man eigentlich damit erreichen wollte, zu hinterfragen und sich zu fragen: Haben sich die Erwartungen eigentlich erfüllt? - Die Antwort darauf lautet ganz eindeutig: Eher nicht. Viele Sicherungsverwahrte konzentrieren sich derart stark auf die jeweils nächste Ausführung, dass sie für Angebote innerhalb der Anstalt kaum noch zugänglich sind. Therapieerfolge, die die Fortdauer der Verwahrung entbehrlich machen könnten, bleiben dadurch aus. Der Anreiz, sich für vollzugsöffnende Maßnahmen ohne Aufsicht durch gutes Mitarbeiten sozusagen zu empfehlen, scheint durch den Umstand relativiert zu werden, dass solche Maßnahmen regelmäßig eine intensive Vor- und Nachbereitung erfordern. Einmal im Monat einfach ausgeführt zu werden, ist daher für viele wesentlich einfacher.

Meine Damen und Herren, eine Reduzierung des Mindestanspruchs auf eine Ausführung im Quartal ist aus meiner Sicht der richtige Weg, um den Zielen des Vollzugs und damit auch den eigentlichen Zielen der Sicherungsverwahrung gerecht zu werden.

Der zweite Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag. Das ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung bei Vollzugslockerungen und vollzugsöffnenden Maßnahmen. Wir schaffen damit ein zusätzliches Instrument, um die Einhaltung ortsbezogener Weisungen, etwa ein definiertes Gebiet nicht zu verlassen oder ein definiertes Gebiet nicht zu betreten, effektiv zu kontrollieren. Das dient insbesondere dem Opferschutz.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Juli 2018 klargestellt - dies ist ein weiterer Aspekt dieses Gesetzentwurfs -, dass die Fixierung von Personen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung eine Freiheitsentziehung darstellt, die dem Richtervorbehalt unterliegt. Wir gehen davon aus, dass dies auch für den Justizvollzug gilt. Der vorliegende Gesetzentwurf bietet die Gewähr dafür, dass Fixierungen, wenn sie zum Schutz von Leib oder Leben unerlässlich sind, in verfassungs

konformer Weise angeordnet und durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich die Vorgaben der Europäischen Union zum Datenschutz ansprechen. Die sogenannte JIRichtlinie verfolgt das Ziel, insbesondere in den Bereichen Polizei und Justiz eine Mindestharmonisierung innerhalb der EU herbeizuführen. Sie bedarf jetzt der Umsetzung in nationales Recht. Mit der Novelle des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes ist dies bereits zum überwiegenden Teil geschehen, es gibt jedoch spezifische Anforderungen, die davon nicht erfasst werden. Insoweit erfolgt eine Anpassung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dieser umfassenden Novelle unseren Anspruch erfüllen, die Qualität des niedersächsischen Vollzugs noch weiter zu verbessern und damit zur Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes beizutragen. Ich freue mich auf die weiterführenden Diskussionen in den Ausschüssen und bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich entschuldige mich nochmals dafür, dass ich das gerade verdreht habe.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Es folgt jetzt der Beitrag der Kollegin Wiebke Osigus für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Thema ist die Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes. Vielleicht kann ich dem einen oder anderen hier ein paar spannende Punkte nahebringen. Ich versuche das einmal.

Worum geht es überhaupt? - Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz regelt Freiheitsstrafen, Untersuchungshaft und Jugendstrafen. Es geht um Haftalltag, Haftbedingungen und Regelungen hinsichtlich Sicherheit in diesem Bereich.

Welche Änderungen möchte die Landesregierung nun in diesem Gesetzentwurf durchführen? - Erst einmal ist ganz grundsätzlich festzustellen, dass diese Änderungen erforderlich sind, weil es Neuerungen auf europäischer Ebene gegeben hat und weil gesellschaftliche und politische Änderungen

stattgefunden haben. Außerdem sind einige redaktionelle Änderungen dabei.

Ich möchte gerne vier Punkte vorstellen, damit der Einzelne sich orientieren kann, was in diesem Entwurf schwerpunktmäßig geregelt worden ist.

Der erste Punkt ist die sogenannte elektronische Aufenthaltsüberwachung, besser bekannt als elektronische Fußfessel. Es soll technisch möglich gemacht werden, Fußfesseln zu installieren, die ein akustisches Signal abgeben, wenn derjenige einen bestimmten Bereich betritt oder verlässt. Es geht nicht darum, dass es anlassunabhängige lückenlose Aufenthaltskontrollen gibt, und auch nicht darum, die Bewegungsfreiheit einzuschränken, sondern schlussendlich um folgende Möglichkeit: Wenn jemand einen Bereich verlässt, z. B. einen externen Arbeitsplatz, erfolgt ein akustisches Signal, und das Personal kann entsprechend den technischen Möglichkeiten sofort zugreifen. Das entlastet das Personal und hat im Übrigen auch Opferschutzgesichtspunkte. Wir halten die Kontrolle für gut und richtig und hatten sie auch zusammen mit der CDU im Koalitionsvertrag vorgesehen.

Als zweiter Punkt wird der Umgang mit den biometrischen Daten geregelt. In diesem Bereich besteht eine hohe Sensibilität, sodass die Erhebung nur noch für unerlässliche Bereiche vorgesehen ist. Dies ist eine verpflichtende Umsetzung der EU-Richtlinie und mit diesem Gesetz auch zwingend erforderlich.

Als dritter Punkt sind, wie Frau Ministerin gerade schon sagte, Regelungen zur Fixierung getroffen worden. Momentan sind Regelungen zur Fesselung von Händen und Füßen im Justizvollzug bereits vorgesehen. Jetzt wird es aber eine eigenständige Regelung für die Fünf- und Sieben-PunktFixierung geben. Das bedeutet, dass jemand quasi bewegungsunfähig am Bett festgebunden wird. Dies ist ein ganz erheblicher Eingriff, sodass wir hier auch sehr enge Voraussetzungen vorgesehen haben, nämlich eine ärztliche Überwachung und zusätzlich den Richtervorbehalt sowie eine erhebliche Gefahrenlage. Die Festschreibung dieser drei Erfordernisse halten wir in Anbetracht dessen, dass in die Rechte einzelner Menschen hierdurch sehr stark eingegriffen wird, für wichtig und richtig. Der Entwurf schafft insofern unabhängig von der Fesselung eine eigene, zusätzliche Grundlage für die Fixierung.

Als vierten Punkt - das hatten wir hier bereits als Entschließungsantrag ins Plenum eingebracht - möchte ich gerne auf die Mindestanzahl von Aus

führungen von Sicherungsverwahrten eingehen. Momentan gibt es die Möglichkeit, einen Sicherungsverwahrten einmal im Monat auszuführen. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass die Einzelnen diese Situation dazu genutzt haben, nicht mehr die therapeutischen Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, sondern sich sehr stark auf diesen Ausführungstermin fokussiert haben. Zusätzlich ist damit ein großer Personalaufwand verbunden, weil sich der Einzelne bei jeder Ausführung wünschen darf, wohin genau er seinen „Ausflug“ durchführen möchte.

Die Motivation eines Einzelnen, der weiß, dass er sowieso monatlich ausgeführt werden kann, sich zusätzliche Angebote zu verdienen, ist ebenfalls als sehr gering beschrieben worden. Daher haben wir - auch in Orientierung an den anderen Bundesländern, in denen eine monatliche Ausführung auch nicht mehr möglich ist - schon im Entschließungsantrag zusammen mit der CDU vorgebracht, dass es zum einen überprüft werden soll und zum anderen dann auf einmal pro Quartal angepasst werden soll.

Das ist jetzt mit dem Entwurf der Landesregierung ebenfalls umgesetzt worden. Auch hier muss man klar sagen: Zum einen hat das Opferschutzgesichtspunkte, aber zum anderen erhofft man sich auch, dass die Resozialisierung des Einzelnen hierdurch stärker in den Vordergrund tritt. Das wird Anreize schaffen. Insofern freuen wir uns darüber, dass unser Entschließungsantrag dort Gehör gefunden hat.

Als Fazit halte ich fest: Der vorgelegte Entwurf hat einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der Gefangenen, der Opfer, aber auch der Öffentlichkeit geschaffen. Strafvollzug ist ein ganz sensibler Bereich. Wir brauchen auch einen zukunftsorientierten modernen Strafvollzug, der jederzeit der gesetzlichen und gesellschaftlichen Lage angepasst werden muss.