Protocol of the Session on December 14, 2017

kann. Das, finde ich, ist ein kluger Weg, weil es keinen Sinn macht, Anreize für neue Biogasanlagen zu schaffen, solange für Bestandsanlagen mit vernünftiger Größe nachvollziehbar ist, dass sie weiterhin genutzt und entwickelt werden können.

Die Ausnahmen, die Ausschreibungen für Wasserkraftanlagen betreffen, machen insofern Sinn, weil es nicht genug Wasserkraftprojekte gibt, um sie auszuschreiben. Dabei handelt es sich ja um sehr wenige Projekte.

Bei der Geothermie wird es noch dramatischer. In diesem Bereich haben wir eigentlich überhaupt kein Projekt vorzuweisen, das wirklich vernünftig läuft.

Das passt ganz gut zum Abschluss: In der letzten Legislaturperiode haben wir sehr intensiv dafür geworben, dass gerade Tiefengeothermieprojekte wie in Munster - dort geht es um Bundeswehranlagen - und wie in Bad Bevensen - dort geht es vor allem um die Beheizung all der Kuranlagen, für die sowieso Sole gefördert wird und wo man sich mit Tiefenbohrungen auskennt - vorangebracht werden.

Mein Wunsch wäre es, dass wir neben dem gesamten Portfolio der hier viel diskutierten Formen der erneuerbaren Energien gerade die Geothermie - vor allen Dingen der Tiefengeothermie - weiterhin nutzen. Dort haben wir vor allem das Problem, dass wir diese Projekte finanzieren müssen, da die Banken nicht bereit sind, das Risiko des erfolgreichen Anlagenbetriebs zu übernehmen. Ich würde mir wünschen, dass uns das gelingt. Das ist für Niedersachsen eine weitere Chance - wenn auch nicht flächendeckend, wenn auch nicht riesengroß - in einer ganzen Reihe von Bereichen. Gerade das Beispiel aus Munster zeigt, dass die Anwendung hervorragend funktionieren kann. Dort sollen die Kasernen mit Erdwärme beheizt werden. Aber auch das Beispiel in Bad Bevensen zeigt, wie man zu einer direkten Nutzung kommen kann.

Die Tiefengeothermie stellt also eine weitere Chance dar. Aber es macht keinen Sinn, derartige Projekte auszuschreiben, weil es zu wenige Vergleichsprojekte gibt.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Damit ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Die Antworten der Landesregierung auf die Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konn

ten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben. Sie stehen in Kürze im Intranet und im Internet als unkorrigierte Drucksache elektronisch zur Verfügung.

Wir nehmen hier oben jetzt einen Wechsel vor, bevor wir zu den letzten Tagesordnungspunkten kommen.

Danke schön.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir kommen nun zu dem

Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Die Große Koalition stellt die Weichen für moderne, starke und gut ausgerüstete Sicherheitsbehörden - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/35

Zur Einbringung hat sich der Kollege Karsten Becker gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „In Sicherheit leben“ ist eine der herausragenden Erwartungen der Menschen an alle staatlichen Institutionen und ein dementsprechend nachdrücklicher Gestaltungsauftrag an die Politik.

Sicherheit umfasst natürlich deutlich mehr als die bloße Freiheit von Kriminalitätsängsten. Bezeichnenderweise ist die Wahrscheinlichkeit, bei einem Katastrophenereignis oder bei einem Unfall zu Schaden zu kommen, deutlich höher als die, das Opfer einer Gewalttat zu werden.

Aber während die erstgenannten Risiken offenbar schon in die persönliche Risikobewertung eingepreist worden sind, weil man Vorsorge getroffen hat oder weil man das Risiko bewerten zu können glaubt, liegen die Kriminalitätserfahrungen für die meisten Menschen außerhalb ihrer eigenen Lebenserfahrung und sind nur aus medialer Berichterstattung oder aus dem sonntagabendlichen „Tatort“ bekannt. - Sei es, wie es sei!

Tatsächlich bestehen die größten Ängste der Menschen in Deutschland aktuell gegenüber der terroristischen Bedrohung. Die R+V-Versicherung untersucht seit über 20 Jahren die Ängste der Deutschen. Im Jahr 2017 stand die Angst vor Terroranschlägen mit deutlichem Abstand auf Platz 1 und erreichte mit 71 % einen der höchsten Werte, der jemals in der Langzeitbetrachtung gemessen worden ist. Wenn wir in diesen Tagen die Weihnachtsmärkte besuchen, dann schwingt unweigerlich die Erinnerung an das Attentat auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 mit, bei dem zwölf Menschen getötet worden sind.

Meine Damen und Herren, die niedersächsischen Sicherheitsbehörden haben bereits in den vergangenen Jahren auf die veränderte Sicherheitslage reagiert. Wir können mit berechtigter Hoffnung und mit Zufriedenheit feststellen, dass die öffentliche Sicherheit in Niedersachsen in den routinierten Händen einer modernen, bürgernahen und hoch qualifizierten Polizei liegt,

(Beifall bei der SPD)

die personell und materiell gut aufgestellt ist und die ihren vielfältigen Aufgaben in beispielhafter Weise nachkommt. So ist die Anzahl der registrierten Straftaten in Niedersachsen erfreulicherweise weiter zurückgegangen. Wir haben historisch niedrige Fallzahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Die Gesamtzahl der Straftaten ist in den vergangenen Jahren um 7,43 % gesunken, und gleichzeitig ist die Aufklärungsquote im gleichen Zeitraum von 56,9 % auf 61,4 % gestiegen. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei ungefähr 55 %, meine Damen und Herren.

Allerdings ist diese Entwicklung nicht von selbst gekommen. Sie ist vor allem dem Engagement und der Professionalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren verstärkter Inanspruchnahme geschuldet.

Im Ergebnis jedenfalls - das will ich hier feststellen - steht für Polizistinnen und Polizisten eine höhere Arbeitsbelastung. Wie hängt das zusammen? - Neue Kriminalitätsformen, wie die viel zitierte Cybercrime beispielsweise, machen eine Spezialisierung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten erforderlich. Die damit geschaffenen Spezialisten stehen dann eben nicht mehr für die Bearbeitung des allgemeinen Aufgabenbestandes zur Verfügung.

Damit bedeuten mehr Spezialisten im Ergebnis mehr Arbeit für die Polizeibeamten, die den normalen Aufgabenbestand abarbeiten müssen. Wir haben am Ende eine höhere Belastung für alle, für die gesamte Polizei in Niedersachsen. Dazu kommt das Einsatzgeschehen, über das ich hier jetzt aber nicht viele weitere Worte verlieren will. Ich glaube, das erklärt sich von selbst.

Eine weitere Verbesserung des Personalbestandes ist genau die richtige Antwort, um die Qualität der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung aufrechtzuerhalten, um den in der Vergangenheit erreichten Sicherheitsstandard auch in Zukunft zu gewährleisten und vor allen Dingen um die Präsenz der Polizei in der Fläche beizubehalten.

Denn natürlich kann man auf die Idee kommen, theoretisch, durch Organisationsoptimierungen größere Einheiten, größere Dienststellen zu schaffen, die dann möglicherweise effizienter arbeiten. Aber gerade unter subjektiven Sicherheitsaspekten ist es enorm wichtig, unsere kleinen Polizeistationen in der Fläche zu erhalten, damit Polizei auch in der Nachbarschaft präsent ist und einfach auch auf der subjektiven Ebene für Sicherheit sorgt und damit die Lebensqualität der Menschen, die dort leben, positiv beeinflusst.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist der zentrale Ansatz, warum wir 1 500 Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte einstellen und die Entlastung des Vollzugsbereichs von Verwaltungs- und IT-Aufgaben durch die Einstellung zusätzlicher Verwaltungskräfte fortführen.

Zusätzlich werden wir eine Bedarfsanalyse durchführen und prüfen, ob weitere Einstellungen von Vollzugs- und Verwaltungsmitarbeitern erforderlich sind - und das Ganze bis zu einer Gesamtzahl von 3 000 Stellen in dieser Legislaturperiode. Die ersten 750 Stellen werden wir bereits mit dem Nachtragshaushalt 2018 finanziell absichern.

Meine Damen und Herren, parallel dazu werden wir die soziale Situation der Polizeibeschäftigten weiter verbessern. Die Wartezeit auf die erste Beförderung haben wir zwar zwischenzeitlich bereits auf unter zehn Jahre gesenkt, aber wir wollen deutlich unter diese Zehnjahresgrenze kommen. Das ist eigentlich immer noch viel zu lange für die erste Beförderung für einen Polizeibeamten, für eine Polizeibeamtin.

Dazu brauchen wir ein Stellenhebungsprogramm, das hier deutlich und zeitnah Entlastung schafft und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Polizeidienst eine bessere Berufsperspektive, eine bessere Karriereperspektive eröffnet.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir werden die Zulagen bei Polizei und Verfassungsschutz dynamisch anpassen, auch um auf dem Arbeitsmarkt im Wettbewerb um die besten Köpfe attraktiv zu bleiben.

Meine Damen und Herren, rechtsstaatliche Prinzipien und Sicherheit sind kein Widerspruch und schließen sich nicht aus. Wir werden unsere Sicherheitsbehörden auch unter den Bedingungen der neuen terroristischen Bedrohungslage in die Lage versetzen, Personen, bei denen die konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie eine terroristische Straftat begehen werden, effektiv zu überwachen und an ihren Aktivitäten zu hindern.

Unter diesem Leitgedanken, meine Damen und Herren, werden wir auch das Polizeirecht anpassen - mit Aufenthaltsbeschränkung, Kontaktverboten, Meldeauflagen und sogenannter elektronischer Fußfessel.

Meine Damen und Herren, aus der deutschlandweit erstmals durch den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius verantworteten Anwendung des § 58 a des Aufenthaltsgesetzes, mit dem zwei Gefährder aus Niedersachsen ohne Vorwarnung nach Nigeria und Algerien abgeschoben worden sind, wissen wir, dass die Frist von maximal vier Tagen für eine juristische Bearbeitung eines so komplexen, schwierigen Sachverhalts ausgesprochen herausfordernd ist.

Noch weitaus dramatischer dürfte sich diese Situation darstellen, wenn die Personalien von Gefährdern nicht bekannt sind und erst in Zusammenarbeit mit den potenziellen Herkunftsstaaten, in die dann abgeschoben werden soll, geklärt werden müssen. Für eine solche zeitlich kritische Situation werden wir die Gewahrsamsdauer unter den Voraussetzungen eines Richtervorbehalts, um das hier ganz deutlich zu sagen, auf bis zu 30 Tage ausweiten, die darüber hinaus zweimal - zunächst für weitere 30 Tage und dann für weitere 14 Tage - durch eine erneute richterliche Entscheidung verlängert werden kann.

(Belit Onay [GRÜNE]: Das macht 74!)

Meine Damen und Herren, ein letzter Aspekt. Als Ursache für viele Gewalt- und Kriminalitätsphänomene führen wir alle immer wieder die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas an. Dabei stellen wir dann fest, dass oftmals Repräsentanten staatlichen Handelns Opfer dieser Entwicklung zu werden scheinen, wie z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Rettungsdiensten, Feuerwehren oder eben der Justiz, wie wir erst gestern Abend in der Debatte um sichere Gerichte und Staatsanwaltschaften hier in diesem Hause erörtert haben.

Wir geben dann regelmäßig an dieser Stelle unserer Sorge Ausdruck, dass diese Entwicklung weiter fortschreiten könnte. Wenn das aber richtig ist, meine Damen und Herren, dann wird es nicht ausreichen, sich darauf zu beschränken, an den Symptomen herumzukurieren und letztendlich nur mehr vom selben zu generieren, also mehr Polizei, schärfere Gesetze, Zugangsschranken, intensivere Kontrollen.

Wenn das richtig ist, dann sollten wir uns gelegentlich auch daran erinnern, an den Ursachen, also an den Verbesserungen des gesellschaftlichen Klimas, das wir beklagen, zu arbeiten.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, wer mehr Sicherheit will, muss auch und gerade die kriminalitätsbegünstigenden Faktoren berücksichtigen. Große soziale Unsicherheiten beim Einkommen oder bei der Bildung fördern auch die Entstehung von Kriminalität. Und ein Verharren der Armutsquote auf hohem Niveau birgt kriminalitätsfördernde Aspekte. Für die SPD-Fraktion kann ich jedenfalls als Sicherheitspolitiker zusichern, dass wir diesen Zusammenhang nicht aus dem Auge verlieren werden.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Nicht alles, meine Damen und Herren, ist unserer Landesgesetzgebung zugänglich. Aber der Kampf gegen eine Verfestigung

(Glocke der Präsidentin)

einkommensschwacher Leiharbeits- oder Zeitarbeitsstrukturen, der Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes, die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums -

Letzter Satz, Herr Becker!

- und die Fortentwicklung städtebaulicher Kriminalprävention, sind wichtige Felder, die wir hier weiter behandeln und bearbeiten werden, um auch an dieser Stelle ein höheres Maß an Sicherheit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und zur Entlastung der Polizei von ihrem engeren Aufgabenbestand zu erzeugen.