Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Menschenleben besser schützen, Bahnverkehr stabiler machen - Gleisbettungen und Oberleitungen endlich wirksam vor Sturmschäden schützen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/33
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Niedersachsen sind ja sturmfest, und ich glaube, die meisten von uns hier im Hause sind auch noch erdverwachsen. Das gilt aber nicht unbedingt für alle Bäume, die unmittelbar an Bahnstrecken stehen; denn die neigen eher dazu, umzukippen, was dann große Probleme verursacht.
Es gab einmal einen Slogan der Deutschen Bahn, Ende der 60er-Jahre. Da stand dann: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Ich denke, dass sich dieser Slogan mittlerweile überholt hat.
Es ist egal, ob es um Regionalbahnstrecken oder um Hochgeschwindigkeitsstrecken geht, um ICEStrecken, und es ist auch egal, ob es um Güterverkehr geht: gestrandete Fahrgäste, und zwar wirklich in allen norddeutschen Städten, die einen Bahnanschluss haben. Ich sage Ihnen: Das ist nicht hinnehmbar, und es ist auch nicht tragbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Allein schon bei Windstärke 10 - das ist für einen Norddeutschen in der Tat nicht viel, das ist noch weit entfernt vom Orkan - brechen Äste ab und fallen auf Oberleitungen, auf Schienenstränge, sodass die Züge nicht weiterfahren können.
Herr Kollege Bosse, Entschuldigung, einen Augenblick, bitte! - Es ist hier so ein Grundrauschen im Saal. Es wäre schön, wenn Sie auch diese letzte gute halbe Stunde dem Redner folgen könnten.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich unterstelle mal, dass mir noch andere Redner folgen werden. Es gilt nur noch ein halbes Stündchen durchzuhalten bis zur Mittagspause.
Ich denke, nicht nur die Bahn ist an der Stelle gefordert, sondern auch wir sind gefordert. Die Politik ist gefordert, und wenn aus Niedersachsen der Impuls kommt, dass wir handeln wollen und einen Runden Tisch wollen, dann ist das ein richtig guter Weg. Es gibt auch deutliche Signale - und das freut uns sehr - der Sozialdemokraten aus dem Hamburger Senat, von der CDU mitgetragen, hier zu handeln.
Durch diese Einschränkungen für die Fahrgäste der Deutschen Bahn über viele Stunden, manche zum Teil sogar über Tage, für Güterzüge, die viele Stunden auf Bahnstrecken, auf Bahnhöfen stehen müssen, entsteht ein unglaublicher volkswirtschaftlicher Schaden. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen zu spät oder gar nicht zur Arbeit oder nach Hause. All das ist nicht mehr hinzunehmen. Wir haben bald das Jahr 2018. Die Güter müssen pünktlich ans Ziel kommen, und die Bahn muss zuverlässig werden. Sie muss zeitgerecht an- und abfahren können, ohne diese Behinderungen im Bahnverkehr.
Wir alle kennen die Gründe: Es sind hauptsächlich morsche, marode Bäume, oftmals aber auch gesunde Bäume, die in der Tat zu oft zu nah an den Bahntrassen stehen. Der Grünschnitt entlang der
Strecken muss mit allen Beteiligten - Umweltverbänden, privaten Anliegern, kommunalen Anliegern, Deutscher Bahn und privaten Betreibern - im Rahmen eines Gesamtkonzept abgestimmt werden, damit es in Zukunft nicht mehr solche Situationen gibt, wie wir sie in den letzten Wochen, Monaten und Jahren immer wieder erleben mussten.
Ich sage aber auch ganz deutlich: Völlig verhindern werden wir Wettereinflüsse auf den Bahnverkehr nie können. Das gelingt uns ja letzten Endes auch beim Autoverkehr nicht. Darum brauchen wir einen Runden Tisch mit allen Beteiligten, um eine Klärung hinzubekommen, was letzten Endes zu tun ist. Ich denke, es müsste eigentlich jedem einleuchten, dass es hier zu Veränderungen kommt und kommen muss. Die Verkehrssicherheit muss unbedingt gewährleistet sein.
Wenn beispielsweise bei Ihnen, Herr Grascha, auf dem Grundstück ein morscher Baum steht und wenn dieser morsche Baum auf den Fußweg oder auf eine Straße zu fallen droht, sieht es in der Tat folgendermaßen aus: Dann kann die Behörde kommen, Herr Grascha, und sagen: Dieser Baum muss gefällt werden, und die Kosten dafür muss Herr Grascha dementsprechend auch noch tragen. - Das geht aber nur, weil für den Straßenzustand, für den Gehweg, eine Behörde zuständig ist. Bei der Deutschen Bahn ist das anders. Das ist eine Aktiengesellschaft. Da kann man das nicht machen. Das ist letzten Endes auch eine Folge der Privatisierung der Bahn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bahn muss in Zukunft ein zuverlässiger Partner werden. Darauf sind wir angewiesen, darauf ist die Wirtschaft angewiesen. Diesen Anspruch können und müssen die Fahrgäste an die Bahn haben, und darum müssen wir an der Stelle handeln. Ich bin davon überzeugt, dass Minister Lies, der diesen Runden Tisch einrichten wird und das in die Hand nimmt, dann auch die norddeutschen Länder einlädt, also Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, von mir aus auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wenn es denn sein muss. Er wird alle an einen Tisch holen, um dieses Problem - insbesondere ein norddeutsches Problem - zu lösen.
Was wir brauchen, ist letztlich - in ganz wenigen Worten ausgedrückt - ein sicherer Bahnverkehr, ein sicherer, guter, zuverlässiger Bahnverkehr durch guten Baumschnitt. Ich glaube, das können wir erwarten. Darum müssen wir auch ringen.
Danke, Herr Kollege Bosse. - Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Kortlang. Bitte schön!
Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Gäste kann ich nicht mehr begrüßen, die sind schon beim Mittagstisch. Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe, für die FDP als umwelt- und energiepolitischer Sprecher fungieren zu dürfen.
Es gibt - man höre, staune und lese - auch schon einen Antrag der Regierungsfraktionen zu dieser Sache. Ich beglückwünsche Sie übrigens noch zu Ihrem Entschluss, so schnell mit der SPD zusammenzuarbeiten. Es hat mich zwar ein wenig überrascht; ich sage es ganz ehrlich. Ab und zu scheint es aber zu einem reinigenden Gewitter zu kommen, und ungleichnamige Pole ziehen sich nach den Gesetzen der Physik bekanntlich an. Das hat wohl dazu geführt, dass Sie sich näherkommen. Ich hoffe, dass diese Vereinigung dazu führen wird, dass Sie Niedersachsen voranbringen. Wir werden uns daran beteiligen und mithelfen. Machen Sie das Beste daraus!
So, nun zum Antrag! Es ist eigentlich schon traurig, dass es eines solchen Antrags bedarf. Das heißt nicht, dass ich dagegen bin. Ich bin für das, was da jetzt inhaltlich kommen wird. Wir sollten dies jedoch auch zum Anlass nehmen, darüber zu sprechen, wieso dies überhaupt nötig wurde.
Denn früher, meine Damen und Herren, fuhren unsere Züge pünktlich in alle Richtungen. Ende der 70er-Jahre - wir alle erinnern uns noch! - gab es in Wilhelmshaven einen gewaltigen Schneesturm. Die Gleise waren verschneit und blockiert. Das kam dadurch, dass es schon die ersten Aufwüchse gab. Ich will ein bisschen in der Geschichte zurückgehen. Schon damals hat ein ehemaliger Streckenläufer gesagt - die wussten, was los war -:
Wenn die Bäume und Sträucher wie früher nicht in unmittelbarer Nähe der Gleise wüchsen, gäbe es weit weniger Probleme. - Das wissen wir heute umso mehr.
Warum erzähle ich das? Damals hat begonnen, was uns heute mächtig auf die Füße fällt, nämlich die Idee, alles wachsen zu lassen. Wir müssen nun bitter erkennen, dass die Quadratur des Kreises auch bei der Schiene nicht funktioniert. Der Baum - das hat mein Vorredner eben schon gesagt - in Fallweite von Oberleitungen und Schienen verträgt sich nicht mit der ungehinderten Fahrt und der neuen Technik.
Nachdem nun aber - auch darüber sollten wir uns Gedanken machen - Glyphosat verteufelt wird, es zwar noch für weitere fünf Jahre zugelassen worden ist, aber einige - Bündnis 90/Die Grünen wie auch die Bundes-SPD - stark empört dagegen angehen wollen, frage ich Sie: Wie wollen Sie die Gleisbetten vom Bewuchs freihalten - das ist ja die nächste Sache -, wenn Glyphosat nicht mehr eingesetzt werden darf und keine Alternativen vorliegen? Wollen Sie dort den Aufwuchs ernsthaft durch Jät-Trupps bekämpfen?
Uns allen sollte bekannt sein, dass nach wie vor auf der Schiene - auch das hat mein Vorredner schon gesagt - sehr viele Waren transportiert werden. Durch das Just-in-time-Konzept steht auch die Produktion still, wenn die Güterwagen nicht weiterkommen.
Sicher ist es gut, Lärmschutz durch Sträucher und Bäume an der Schiene zu schaffen. Aber an Straßen - Gemeindestraßen und Landesstraßen - werden Bäume und Sträucher beschnitten. Auch die DB Netz AG macht diese Pflegemaßnahmen. Leider gibt es immer wieder diejenigen, die mit einem sehr verengten Blick in ihrer Wut, dass ein paar Bäume an der Strecke gefällt werden, schnell einen Lokalredakteur finden, der daraus einen großen Aufmacher generiert.
Ich bin Umweltpolitiker. Dennoch vergesse ich nicht, dass wir in einer Kulturlandschaft leben, die sich schnell und stark verändert, wenn wir Menschen dort nicht Hand anlegen und dem Einhalt gebieten.
Im Grunde sind sehr große Teile insbesondere Niedersachsens ausgesprochene Kulturlandschaften. Die Römer konnten damals Wald, Sumpf und Moor erleben. In diese Landschaft haben wir als Gesellschaft die Schienenstrecken gebaut, um regen Handel betreiben zu können und Wohlstand zu generieren.
Die DB Netz AG kam zu Wort und verteidigte ihr Vorgehen, nachdem in den Zeitungsberichten große Einsprüche gekommen waren, weil sie gesagt hatte, dass sie v-förmige Schneisen in 6 m Abstand schneiden will.
Herr Kollege, für eine nette Verabschiedung ist immer Zeit. Das muss möglich sein, aber weitere Redezeit nicht.
(Horst Kortlang [FDP]: Ich habe das Klingeln nicht vernommen! Ich habe kein Hörgerät! Ich höre noch recht gut!)
- Ich habe darauf geachtet, allerdings erst bei 59 Sekunden. Vorhin bei Herrn Bode war ich genau. Das ist vielleicht mit dem Schall in Ihre Richtung nicht so - - -