Wenn Sie der Landesregierung vorwerfen, quasi menschenrechtswidrig zu handeln, dann muss ich als Mitglied der größten regierungstragenden Fraktion das mit aller Deutlichkeit zurückweisen. Diese Landesregierung handelt nicht menschenrechtswidrig, und sie wird es auch in Zukunft nicht tun.
In bestimmten Politikbereichen und bei bestimmten Themen ist eine Polarisierung zu beobachten: auf der einen Seite extreme Befürworter, auf der anderen Seite extreme Gegner. Je nachdem, was man zu diesen Themen sagt, wird man von der jeweils anderen Seite in eine dieser Richtungen geschoben.
Das kann man - das darf ich aus dem Heidekreis sagen - z. B. beim Thema Wolf beobachten. Das hat man in den letzten Jahren aber auch im Bereich der Flüchtlings- und Migrationspolitik beobachten können. Da gibt es scheinbar - auch in der öffentlichen Debatte - nur Extreme: Entweder will man Tor und Tür öffnen, oder man ist im rechten Bereich anzusiedeln.
Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir in den letzten Jahren auf einen pragmatischen Kurs gekommen sind, auch nachdem sich in Berlin alles ein bisschen beruhigt hat.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Das wür- den auch wir uns wünschen, das ma- chen Sie aber nicht! - Zuruf von Belit Onay [GRÜNE])
Herr Kollege Onay, Sie können gerne eine Kurzintervention machen oder sich noch einmal zu Wort melden. Sie haben noch etwas Restredezeit. Bitte lassen Sie den Kollegen fortfahren!
Meine Damen und Herren, uns eint ja das Ziel, ein offenes und tolerantes Land zu sein, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Glaubensrichtung und Konfession friedlich zusammenleben, unter dem Dach des Grundgesetzes und unserer Gesetze. Aber zu diesen Gesetzen gehört auch das Ausländer- und Aufnahmerecht, in dem geregelt ist, dass derjenige, der nicht in Deutschland bleiben kann, unser Land verlassen muss.
Sie haben ja die Zahlen angeführt, die eigentlich beweisen, dass man von einer menschenrechtswidrigen Politik der Landesregierung gar nicht sprechen kann: Im Jahre 2018 waren laut Ausländerzentralregister 815 000 Menschen in Niedersachsen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit hatten. 135 000 Menschen mit Fluchthintergrund waren darunter, und - Sie haben es gesagt - 22 500 dieser Menschen waren ausreisepflichtig.
17 000 Menschen hatten eine Duldung in diesem Land. Wir sprechen also von den Übrigen, von dem Delta.
Wenn man sich angeguckt, wie wir Abschiebungen machen, dann kann man nicht davon sprechen, dass hier ein menschenrechtswidriger Zustand bestehe. Im Jahre 2018 hat es 1 445 Abschiebungen oder Überstellungen nach dem Dublin-Übereinkommen gegeben. Über 4 800 Versuche sind aus ganz unterschiedlichen Gründen gescheitert.
(Belit Onay [GRÜNE]: Aus rechts- staatlichen Gründen! - Gegenrufe von der CDU und von der FDP: Nein, nicht nur!)
(Belit Onay [GRÜNE]: Wie wollen Sie das den Leuten zum Vorwurf machen, die gar nicht wissen, wann sie abge- schoben werden sollen?)
Neben vielen anderen Aufgaben hat der Staat auch die Aufgabe, diese Dinge durchzusetzen. Dann ist es doch nur richtig, dass die Landesregierung sich Gedanken macht: Wie kann man das so organisieren, dass der Staat seine Aufgabe richtig erfüllen kann?
Die Landesregierung hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich derzeit anguckt: Wie können die unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten? Welche Aufgaben können gegebenenfalls zusammengefasst werden? - Ich rate dazu, dass wir abwarten, was diese Arbeitsgruppe erarbeitet.
Sie sagen, es könne nicht sein, dass das Ganze in einem Gebäude in Osnabrück stattfinde, dass Aufnahme und Abschiebung unter einem Dach untergebracht würden. Ich frage mich, ob Sie eigentlich nicht wissen, wie das heute organisiert ist. Schon heute ist die Landesaufnahmebehörde an Abschiebungen und an Rückführungen beteiligt. Insofern greift Ihr Vorwurf absolut zu kurz.
Deshalb rate ich, meine Damen und Herren, das abzuwarten, was die Landesregierung erarbeitet, und dann genau draufzugucken und auch zu diskutieren, ob das gut und richtig ist oder ob man Veränderungen vornehmen sollte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Kollege Zinke, ich weiß nicht, was das Abwarten bringen soll. Der Eindruck, den das Innenministerium durch diesen Schritt erweckt, ist, dass man mit kleinen Maßnahmen die Abschiebezahlen beliebig hoch- oder runterfahren könne, dass ein gewisses politisches Kalkül dahinterstehe. Dem ist allerdings nicht so.
Das sagt übrigens auch das Innenministerium. In der Drucksache 18/1916 hat es auf die Frage der Kollegen von der FDP geantwortet, wie viele Rückführungen aus welchen Gründen abgebrochen werden mussten. - Herr Oetjen nickt.
Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Tatsächlich ist es so, dass viele Personen nicht angetroffen wurden. Aber wie will man jemandem, der nicht weiß, wann er wo - in diesem Fall: zu Hause - zu sein hat, vorwerfen, dass er dort nicht anzutreffen war?
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist die Realität! - Helge Limburg [GRÜNE] - zur CDU -: Sie sind doch diejenigen, die wollen, dass die Ab- schiebung nicht angekündigt wird!)
- Ich verstehe die Unruhe nicht. Wollen Sie allen Ernstes Menschen, die nicht wissen, wann ihr Abschiebetermin ist, vorwerfen, dass sie nicht ständig zu Hause sind und darauf warten?
Viel entscheidender ist aber, dass ein sehr großer Anteil der Abschiebungen durch die Ausländerbehörde durch verwaltungsgerichtliche Verfahren gestoppt wird und deshalb scheitert. Aufgrund des Ausbleibens der Ankündigung können die Menschen sozusagen erst auf dem Weg zum Flieger einen Anwalt einschalten und einstweiligen Rechtsschutz beantragen.
Die Verwaltungsgerichte verhindern sehr viele rechtswidrige Abschiebungen in letzter Sekunde - oder sie können sie nicht verhindern, weshalb teilweise auch rechtswidrige Abschiebungen stattfinden.
(Anja Piel [GRÜNE]: Sie sind doch sonst immer ein Verfechter des Rechtsstaates! Dann doch bitte auch hier!)
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Onay, das, was ich kritisiert habe, ist die Aufregung, die Sie hier machen, bevor überhaupt fest