Protocol of the Session on March 28, 2019

schulpflichtigen Alter eine Schulvorbereitung. Dies ist aber eben kein Regelschulunterricht.

Bereits seit Beginn dieser Praxis haben viele - z. B. der Flüchtlingsrat Niedersachsen, aber auch die GEW und das Projektnetzwerk AMBA - ihre Kritik an dieser Praxis deutlich gemacht. Sie setzen sich für eine Beschulung der Kinder und Jugendlichen ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst gerade am Dienstag in der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe zu dieser Frage Stellung genommen hat. Der GBD hat sehr gut herausgearbeitet, dass die Hintergründe zu Beginn dieser Praxis völlig andere waren. Damals lag die durchschnittliche Verweildauer der Kinder und Jugendlichen bei knapp einem Monat. Für einen solchen Zeitraum ist das vielleicht noch relativ hinnehmbar. Dies hat sich - das habe ich eben schon dargestellt - auch aufgrund der Rechtslage massiv verändert, sodass die Verweildauer jetzt viel länger ist, bis weit über ein Jahr hinaus. Der GBD hat deutlich unterstrichen, dass er das für äußerst problematisch hält, aus vielerlei Gründen, vor allem aufgrund eines Verstoßes gegen EURecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gemäß Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie muss spätestens nach drei Monaten ein Zugang zum Bildungssystem sichergestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu zählt eben nicht diese Lernwerkstatt. Da geht es vielmehr ganz klar um Regelunterricht.

Um es ehrlich zu sagen: Wenn es um den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Bildung geht, sehr geehrter Herr Minister Tonne, dann kann es doch eigentlich keine zwei Meinungen geben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der FDP)

Das heißt in der Konsequenz: Herr Minister, Sie müssen hier sofort tätig werden und Abhilfe schaffen.

Wir fordern deshalb, Asylsuchende zügig aus den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen zu verteilen, sehr geehrter Herr Innenminister - der leider gerade nicht da ist.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Un- verschämtheit!)

Wir fordern ein geeignetes Bildungskonzept für Kinder und Jugendliche in den Erstaufnahmeeinrichtungen und natürlich auch entsprechendes Lehrpersonal.

Auch wenn der Herr Innenminister gerade nicht da ist, möchte ich erwähnen: Aufgrund der aktuellen Rechtslage besteht jetzt schon die Möglichkeit, dass Personen - Jugendliche und Kinder - auf die Kommunen verteilt werden, auch wenn sie aus „sicheren“ Herkunftsstaaten kommen. Dann würde sich dieses Problem sozusagen von selbst auflösen.

Dennoch, sehr geehrter Herr Bildungsminister Tonne: Hier müssen Sie tätig werden! Wir haben hier wirklich gerade ein Problem in den Landesaufnahmeeinrichtungen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die SPDFraktion hat sich die Abgeordnete Frau Kerstin Liebelt zu Wort gemeldet. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den Erstaufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen leben zurzeit ca. 180 Kinder aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern.

Diese Kinder sind auf verschiedenste Art und Weise zu uns nach Niedersachsen gelangt. Nicht wenige haben Fluchterfahrungen hinter sich. Aber auch die, die keine Fluchterfahrungen haben, sind häufig von Gewalt, Hunger, Verfolgung oder Ähnlichem bedroht worden. Es gibt natürlich auch Kinder, die auf einem relativ sicheren Weg hierher gekommen sind, deren Eltern sich aber hier für sich und ihre Familien ein besseres Leben erhoffen.

Egal aber, ob diese Kinder mit Fluchterfahrung oder ohne erlittene Traumata bei uns sind, eines haben diese jungen Menschen gemeinsam: Sie sind entwurzelt. Ihnen fehlt ihre Heimat. Sie sind in einer völlig fremden Umgebung. Sie sind mit einer fremden Sprache konfrontiert und müssen sich erst einmal hier zurechtfinden.

Die schulischen Kenntnisse dieser Kinder und Jugendlichen in den Erstaufnahmeeinrichtungen

sind völlig unterschiedlich. Hier gibt es Kinder und Jugendliche, die kurz vor einem Schulabschluss stehen, der dem Abitur gleichzustellen ist. Aber es gibt natürlich auch Kinder, die eine Schule seit vielen Jahren nicht oder auch noch gar nicht besucht haben. Diese müssen alphabetisiert werden. Sie müssen aber auch erst einmal an einen regelmäßigen Schulbesuch gewöhnt werden. Auch ihre Familien müssen daran herangeführt werden.

Um allen Kindern und Jugendlichen in den Erstaufnahmeeinrichtungen gerecht zu werden, ist die Interkulturelle Lernwerkstatt 2.0 mit jeweils mindestens zwei abgeordneten Lehrkräften eingerichtet worden. Dadurch wird ganzjährig - das ist wichtig: auch in den Ferien - ein auf die jungen Menschen abgestimmtes Bildungsangebot vorgehalten. Es wird hier bewusst auf starre Standards verzichtet, damit die Kinder individuell betreut werden können, damit sie sich von ihrer teilweise sehr strapaziösen Anreise erholen können, sich in ihrer neuen Umgebung eingewöhnen können und auch erst einmal Kind sein dürfen.

Gerade in dieser ersten Zeit ist diese Art der Beschulung richtig und wichtig, um die Kinder und auch ihre Familien dort abzuholen, wo sie sich befinden, und sie in vielen Fällen auch wieder auf einen regelmäßigen Schulbesuch vorzubereiten.

(Zustimmung bei der SPD - Julia Wil- lie Hamburg [GRÜNE]: Und das dau- ert 22 Monate?)

- Ich bin ja noch nicht fertig.

Solange neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, also in deren Erstaufnahmeeinrichtung, untergebracht sind, haben sie noch keinen dauerhaften Wohnsitz im schulrechtlichen Sinne und unterliegen daher zurzeit nicht der Schulpflicht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

- Darf ich vielleicht mal zu Ende reden?

(Anja Piel [GRÜNE]: Das wird ja nicht besser!)

- Sie wissen doch gar nicht, was ich hier stehen habe. Oder möchten Sie weiterreden?

Ich bitte um Ruhe, damit Frau Liebelt ihre Rede weiter ausführen kann. Allen Fraktionen steht noch genug Redezeit zur Verfügung. Wir warten jetzt erst einmal, bis etwas Ruhe einkehrt. Wir haben

die Redezeit angehalten, Frau Liebelt. - Jetzt können Sie gerne weitermachen.

Leider ist es in der Praxis so, dass es Kinder insbesondere aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern gibt, für die die Erstaufnahmeeinrichtungen nicht nur eine kurzfristige Lösung sind, sondern sie deutlich länger dort untergebracht sind. So sind ungefähr 70 Kinder länger als drei Monate dort, 30 Kinder sogar länger als sechs Monate und, wie Herr Onay es schon gesagt hat, zum Teil auch bis zu 22 Monate. Insbesondere für diese Kinder wäre eine verpflichtende Beschulung wichtig und richtig. Egal, ob sie perspektivisch in Deutschland bleiben können oder in ihre Herkunftsländer zurückkehren werden - eine gute Schulausbildung ist für ihr weiteres und selbstbestimmtes Leben ein entscheidender Baustein.

Wie mir aus der Sitzung der Kommission für Migration und Teilhabe berichtet wurde, hat der GBD eine Stellungnahme zum Thema Schulpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen abgegeben. Es wurde u. a. die Auffassung vertreten, dass die Regelungen in den ergänzenden Bestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt im Hinblick auf den aktuellen Zustand - also einer längeren Verweildauer von über drei Monaten in der Erstaufnahmeeinrichtung - zu überprüfen sind und gegebenenfalls eine Änderung der gesetzlichen Bestimmung des Niedersächsischen Schulgesetzes in Erwägung zu ziehen ist.

Aufgrund der Signale, die wir auf Nachfrage im Ministerium erhalten haben, gehen wir als SPDFraktion daher davon aus, dass das Ministerium an einer Lösung arbeitet, um die betroffenen Kinder und Jugendlichen zum nächsten Schuljahr an einer Regelschule oder aber auch in Anbindung an eine Regelschule vor Ort verpflichtend zu beschulen. Damit gewährleisten wir dann allen Kindern und Jugendlichen einen Einstieg in eine erfolgreiche Schullaufbahn, unabhängig davon, wo sie später zu Hause sind und eine Schule besuchen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Liebelt. - Auf Ihren Redebeitrag liegt der Wunsch auf eine Kurzintervention des Abgeordneten Onay vor. 90 Sekunden, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Liebelt, ich muss zugeben, dass ich gerade Ihre letzten Worte mit sehr viel Wohlwollen zur Kenntnis genommen habe. Aber ich bin auch auf den Wortbeitrag des Ministers gespannt. Mich interessiert nämlich, welcher Zeitplan angedacht ist, um das Ganze zum nächsten Schuljahr noch zeitgerecht über die Bühne zu bringen.

Nun zu meinem eigentlich Punkt: Sie haben angesprochen, dass für diese Kinder und Jugendlichen kein Wohnsitz angenommen wird. Aber das ist ja nicht gottgegeben, sondern das ist ein Winkelzug der Landesregierung. Sie sagt - und das Asylgesetz sagt das auch -, dass diese Kinder und Jugendlichen in den Landesaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, aber gleichzeitig stellt sich das Kultusministerium blind und tut so, als wüsste man nicht, wo der gewöhnliche Aufenthalt, wie es im Gesetz heißt, dieser Personen ist. Und damit sind sie plötzlich aus der Schulpflicht herausgenommen.

Noch einmal: Das ist ein Winkelzug der Landesregierung. Das ist nicht gottgegeben, sondern das kann und das sollte man auch ändern. An dieser Stelle, Herr Minister Tonne, sollten Sie noch einmal ansetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Frau Liebelt, möchten Sie erwidern?

Ich habe ja angesprochen, dass wir beim Ministerium nachgefragt haben, dass es die Einwände des GBD gibt und dass darauf selbstverständlich auch reagiert wird. Ich finde, das hat sich am Ende meiner Rede, recht klar dargestellt.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete André Bock. Bitte schön!

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach wie vor sind Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg, vor Terror und auch aus anderen Gründen. Sie machen sich beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg und

verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, an einer anderen Stelle eine bessere Zukunft zu haben. Nach wie vor kommen Menschen aus allen Teilen der Welt in Deutschland, aber auch in Niedersachsen in unseren Aufnahmeeinrichtungen an. Wir erleben zwar nicht mehr eine Massivität wie 2015/2016 im Rahmen der Flüchtlingskrise. Aber die Fluchtursachen und die Biografien der Menschen, die zu uns kommen, sind noch immer ähnlich.