Protocol of the Session on January 23, 2019

Es gibt keinen schöneren Anlass zu gratulieren.

Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rechte nationalistische Regierungen und Bewe

gungen sowie die stündlich unterschiedlichsten Meldungen aus UK beschreiben eine unsichere Zeit, die nicht nur zur wirtschaftlichen Schwächung Europas führt, sondern uns auch der Freiheit und des Friedens beraubt.

Es ist deshalb gut und richtig, dass Niedersachsen auf Initiative des Ministerpräsidenten Stephan Weil ein Bündnis auf den Weg gebracht hat, das für ein geeintes Europa steht. Das ist gut und das ist richtig.

Die gemeinsame europäische Idee - jedenfalls die der Demokraten - steht für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Frieden und Wohlstand. Auch das ist gut so, und daran sollten wir alle gemeinsam festhalten.

Der vorliegende Antrag legt in diesem Zusammenhang einen Fokus auf die Fischfangindustrie.

„Die gemeinsame Fischereipolitik der EU hat seit den 70er-Jahren dafür gesorgt, dass alle europäischen Fischereiflotten den gleichen Zugang zu den Hoheitsgewässern der EU und zu deren Fischgründe erhalten haben. Dadurch konnten die Fischbestände langfristig erhalten bleiben und negative Entwicklungen wie die Überfischung einzelner Bestände korrigiert werden. Nach dem Prinzip der sogenannten relativen Stabilität erhalten die Mitgliedstaaten einen bestimmten - immer gleichen - prozentualen Anteil an den jährlich festgelegten Fangquoten.

Die Gewässer Großbritanniens weisen außerordentlich reiche Fanggründe auf. Daher erwirtschaften Fischereifahrzeuge anderer EU-Staaten in der britischen AWZ häufig einen großen Teil ihrer jährlich zugeteilten Fangquoten, und zwar deutlich mehr als umgekehrt.

Aus diesem Grund drängen britische Fischer darauf, die Verteilung der Quoten neu zu verhandeln. Aus ihrer Sicht ist die Quotenverteilung nach der relativen Stabilität zu ihrem Nachteil ausgefallen. Sie drängen darauf, die hohe Produktivität der Fanggründe in ihren Hoheitsgewässern bei einer Neuverteilung der Fangmöglichkeiten zugunsten Großbritanniens stärker zu berücksichtigen.“

Nach dem geltenden Seerechtsübereinkommen kann UK nach einem Brexit selbstständig über die Fischereirechte seiner 200-Seemeilenzone verfügen. Das könnte bedeuten, liebe Kolleginnen und

Kollegen, dass das Fischen für Fischfangschiffe der EU untersagt wird.

Das ist für uns insofern dramatisch, als die vier großen deutschen Schwarmfisch-Trailer bis zu 80 % ihrer Fänge - im Wesentlichen Hering und Makrele - in der britischen Ausschließlichen Wirtschaftszone fischen.

Sollte der Brexit also für unsere Fischer diese Fanggebiete ausschließen, hätte dies erhebliche wirtschaftliche Einbußen zur Folge. Es muss daher jetzt gelingen, eine gemeinschaftliche Bewirtschaftung der Fischbestände und den Zugang zu Fanggebieten für die Hochseefischerei zu erhalten.

„Es ist davon auszugehen, dass ein Fangverbot für deutsche Schiffe in der AWZ eine Reduzierung der deutschen Hochseefischereiflotte und auch der etwa 25 dort fischenden Kutter zur Folge hätte.“

Insgesamt erwirtschaftet die deutsche Hochseefischerei knapp 70 % ihres Gesamterlöses in britischen Gewässern. Erfahrungen und eine Analyse zur Verbreitung von Fischbeständen belegen, dass es keine anderen Gewässer gibt, die diese Lücke schließen könnten. Allein für die Kleine Hochseefischerei werden jährlich Verluste von 16 bis 18 Millionen Euro prognostiziert. Der fehlende Fang von Hering, Sprotte, Seelachs, Kaisergranat und Plattfisch wäre nicht zu kompensieren.

Darüber hinaus zeichnet sich ein Problem ab: Die in Cuxhaven beheimatete Hochseefischerei ist vom Zugang zu Fanggebieten in Norwegen abhängig. Dort wird u. a. der Kabeljau gefischt. Sollten auch die norwegischen Fischer keinen Zugang zu den Gewässern der Briten bekommen, könnten die Norweger reagieren und für ihre Gewässer neue Bedingungen schaffen - dies auch vor dem Hintergrund, dass andere Länder, die bisher in britischen Gewässern aktiv waren, auf den norwegischen Markt drängen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Brexit hat dann nicht nur in den direkten, sondern auch in den indirekten Beziehungen Folgen.

Der niedersachsen- und deutschlandweit wichtigste Fischereistandort ist Cuxhaven. Wir haben in Cuxhaven ein über Jahrzehnte aufgebautes Knowhow, das seinesgleichen sucht. Über 1 400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in über 40 Fischbetrieben mit exzellenter Kompetenz in der Fischverarbeitung und in der Fischlogistik lösen bei den Zulieferfirmen viele Hundert weitere Arbeitsplätze aus.

Für mehrere Tausend Tonnen produzierten Salzfisch im Jahr zeichnet die in Cuxhaven beheimatete Deutsche Salzfisch-Union verantwortlich.

„Mit der Erzeugergemeinschaft für Hochsee- und Küstenfischer, der Kutterfisch-Zentrale und der Deutschen Fischfang-Union sind zudem in Cuxhaven Betriebe zu Hause, die im großen Stil Frischfisch fangen und vermarkten.“

Nirgendwo in Deutschland wird Fisch so frisch verarbeitet wie in Cuxhaven. Darauf können wir in Niedersachsen stolz sein.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Der Brexit kann eine Erschütterung für die Fischfangindustrie nach sich ziehen, die einem Desaster gleicht. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, mit den Akteuren in Niedersachsen in noch engeren Austausch zu treten und zeitnah aktuelle Informationen auszutauschen, sich dafür einzusetzen, dass Zugangsrechte zu Gewässern des Vereinigten Königreiches in vollem Umfang erhalten bleiben, Maßnahmen zu ergreifen, damit auch weiterhin in norwegischen und grönländischen Gewässern gefischt werden kann und Fangquoten stabil bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam die negativen Folgen des Brexit für die Fischerei und für den gesamten Wirtschafts- und Friedensraum abfedern, so gut es geht!

Vielen herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Santjer. - Nächster Redner ist nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Pancescu. Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrte Frau Präsidentin Andretta! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Minister sich wie folgt äußert: „Die Verantwortung der Regierung ist es, das Land vorzubereiten und die Interessen unserer Bürger zu wahren und zu verteidigen“, dann finde ich die Aussage total zutreffend. Wenn ein Kabinett Fakten schafft und millionenschwere Maßnahmen ergreift, um das eigene Land vor dem Brexit-Chaos zu bewahren, zeigt es Weitsicht. Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wurden diese Aussagen und Maßnahmen nicht von einem Minister aus Niedersachsen oder Deutschland getätigt, sondern von dem französischen Premierminister Édouard Philippe. Frankreich ist wesentlich besser auf einen harten Brexit vorbereitet als Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland.

Ähnlich wie der französische Premierminister Édouard Philippe hat sich der vor Ihnen stehende Vertreter der Grünen-Landtagsfraktion im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten ausgesprochen. In der Sitzung des Europaausschusses am 8. November in Hannover fragten die Grünen, ob konkret Gelder für den Brexit, speziell für die Fischerei, vorsorglich eingeplant sind. Ich habe bis heute nichts im Haushalt gesehen. Oder haben Sie, verehrter Kollege Wenzel, als Haushaltsausschussvorsitzender etwas vernommen? Ich nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren von der GroKo, Sie hoffen für die Zeit nach dem Austritt Großbritanniens auf Zugeständnisse u. a. von Grönland für die deutsche Hochseefischerei, die nicht kommen werden. Mit Grönland hat die EU in den 80erJahren das vermutlich teuerste Fischereiabkommen der Welt unterzeichnet. Aus heutiger Sicht zahlt die EU immense ungerechtfertigte Summen für das derzeitige Fischereiabkommen mit Grönland. Es gab damals nämlich bereits einen EUAustritt - genau genommen einen EWG-Austritt -; vielleicht erinnern Sie sich. Ich will Ihnen kurz vorlesen, was damals der grönländische Gröxit-Verhandler Vesterbirk zum Thema Fischereiverhandlungen sagte:

„Die deutschen Verhandler konnten Stunden, Wochen, Monate reden, ohne inhaltlich irgendetwas zu sagen. Sie konnten monatelang völlig unverbindlich bleiben, aber das mit Millionen von Wörtern.“

Sehr geehrte Damen und Herren, auf beiden Seiten des Ärmelkanals, in Großbritannien und in Europa, sind die Menschen enttäuscht. Bisher haben die Austrittsverhandlungen zwischen Briten und Europäern zu Misstrauen und Verunsicherung bei den Bürgern geführt, anstatt die europäische Familie wieder zusammenzubringen. Wenn wir diese Haltung der Hoffnungslosigkeit in Großbritannien und in Europa nicht schleunigst ändern können, haben nicht nur die Fischer verloren, sondern wir alle als Europäer.

Der heutige Vorschlag von SPD und CDU beinhaltet eine Selbstverständlichkeit: Alle in Europa sol

len miteinander reden. - Das tun wir alle schon lange, nicht erst 65 Tage vor dem Brexit-Termin. Wir erkennen leider in dem Vorschlag der GroKo keinen Mehrwert zu der Istsituation. Daher werden wir uns heute kraftvoll enthalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es folgt nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Kortlang. Bitte!

Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Unsere Geduld - das muss ich einmal ganz klar sagen - wird auf eine sehr harte Probe gestellt. Erst erleidet der Brexit-Deal eine krachende Niederlage. Am nächsten Tag übersteht die Premierministerin das zweite Misstrauensvotum binnen zwei Monaten. Am Montag heißt es, der Plan B von Frau May sei dieses Brexit-Abkommen - oder am 29. März geht es ohne Vertrag aus der EU. Ein zweites Referendum hat sie definitiv abgelehnt.

Die politische Führung Großbritanniens hat

scheinbar immer noch nicht verstanden, wie Europa jetzt - in neuem Maßstab - funktioniert. Früher konnte die als Eiserne Lady angepriesene Thatcher den wenigen Staatslenkern einiges abtrotzen. Da machen die neu hinzugekommenen des heutigen EU-Bezirkes leider nicht mehr mit. Sie verlangen jetzt: dieser Vertrag oder ein Austritt ohne Vertrag.

In dieser Haltung liegt das Kalkül, Großbritannien werde im letzten Moment doch noch die Reißleine ziehen und den Austrittsantrag zurückziehen. Das müsste allerdings das Parlament machen, oder die Regierung müsste vom Parlament dazu gezwungen werden. Das wäre zwar aus unserer Sicht richtig, würde aber fast eine Revolution bedeuten. Ich rechne, obwohl ich immer Optimist war, nicht damit. Das sage ich ganz ehrlich.

Wir werden wahrscheinlich überrascht sein - und Sie ganz genauso -, wie sich die Situation in den kommenden Wochen weiterentwickelt.

Herr Santjer hat erzählt, wie wichtig unsere Fischfangangelegenheiten sind. Ein großes Pfund, mit dem Großbritannien wuchern kann, sind zweifelsohne seine Insellage und die sehr fischreichen Gebiete in der ausschließlichen Wirtschaftszone, die für Großbritannien beim EU-Beitritt sehr güns

tig geschnitten wurde, wo die 200-Meilen-Zonen Großbritanniens und anderer Staaten sich überschnitten.

Genau dies muss man bei der Problematik „Hochseefischerei und Brexit“ betrachten. Denn wegen der Mitgliedschaft der Briten hatte sich für die Fischerei der EU-Staaten damals - das hat Herr Santjer schon ausgeführt - nicht viel geändert. Man räumte sich gegenseitig Fangrechte ein und fand eine Lösung, auch mit Norwegen. Ich verweise da auf meine Ausführungen zur Einbringung dieses Antrags und die Unterrichtung im Ausschuss.

Der Brexit ohne Vertrag bedeutet für Deutschland einen hohen Verlust. Seit den 70er-Jahren ist in unseren Häfen eine sehr große Fischereiflotte beheimatet. Mit einem Abkommen wäre der jetzige Zustand bis 2021 gesichert. Die Hoffnung wäre, diesen Zustand in einem Drittlandabkommen mit Großbritannien dauerhaft zu verankern und so die Fanggebiete für die deutsche Fischerei zu sichern.

Nun sind die Fanggründe futsch - hätte Opa gesagt. Das ist vorbei, wenn es denn dazu kommt und sie da nicht noch umswitchen. Das beträfe allerdings wohl auch die norwegischen Fanggründe; denn vermutlich würde das Drittlandabkommen zwischen Norwegen und der EU ausgesetzt. Aber dass die Briten ohne Zollunion andere Konkurrenten - auch die Norweger - davon ablenken könnten, bezweifle ich sehr. Der Fisch, den sie dann in ihrem Gebiet fangen und allein vermarkten können, muss auch umgesetzt und von uns - durch die Zollunion - abgenommen werden. Das ginge mit erschwerten Bedingungen einher; darüber haben sie sich, glaube ich, nicht so recht Gedanken gemacht.

Nun noch einmal zu Ihrem Antrag: Ich sehe es so - deshalb haben wir uns auch enthalten -, dass es ein Alibiantrag ist. Eigentlich hat unsere Ministerin in Vorgesprächen schon viel begradigt. Daher hätte dieser Antrag nicht unbedingt gestellt werden müssen. Er ist nicht schlecht, er mag auch gut sein. Aber da eigentlich bereits im Dezember feststand, wo es langgehen sollte, haben wir gesagt, dass wir uns enthalten; das ist ja keine Ablehnung.

Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kortlang. - Es folgt nun für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Wirtz. Bitte!